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Der Bole vom Geising Lrschetnr wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend nünag*. Wöchentliche Beilage: „Neue Illustrierte" Mo.ratsbeilage: .Nund um den Geifingberg" und Müglitztal Zeitung Bezugspreis für den Manat 1,25 NM. mit Zutraaen. Anzeigen: Die t gespaltene 65 mm breite Korpus- reil«- oder dere« Naum 2» P^.. die 86 mm oreite Netlame- u. Eingejandtzeile od. der. Naum 40 Pf. Bezirksanzeiger sür Altenberg, Geising, Lauenstein, Bärenstein und Umgegend. In d.esem Blatte erscheinen die amtlichen Bekannimachungen der Amtsgerichte Attentniq und Lauenstein, sowie der Stadtbehörden Altenderg, Geising, Lauenstein und Bärenstein. - cult und Berlaq: F. A. Kuntz'ch,Altenberg. — Für dre Schriftleitung verantwortlich: Flora Äunaich Altenberg. — Fernspr.: Lauenstein 427. — Postschecf Dresden 11811. — Eemeindegirotonto Altenberg 11 Sonnabend, o.n 20. April 1020. Nr 46 64. Iahrg. Die Pariser Tributkonferenz am Ende Der deutsche Vorschlag >680 Millionen auf 37 Jahre. Die Überreichung der deutschen Vorschläge über die yohe unserer Reparationszahlungen ist am Mittwoch nachmittag in der Vollsitzung der Pariser Sachverständigen- konserenz erfolgt. 2n der deutschen Denkschrift wird ein- kilend ausgeführt, daß jede auf vernünftiger Grundlage auigebaute Endregelung zwei Gesichtspunkten Rechnung liegen müsse: den berechtigten aus den bestehenden Ver trägen herrührendcn Ansprüchen der Gläubiger und der ^sächlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners. Zwischen Hirsen beiden Punkten müsse eine beiden Teilen gerecht werdende Lösung gesunden werden. Die Reparationen könnten nur aus einem wirtschaft lichen Überschuh der Arbeitsleistung des Schuldnerlandes bezahlt werden; ihre Finanzierung sei nur durch einen ausreichenden Ausfuhrüberschuh möglich. In der Praxis sei aber gerade das Gegenteil eingetreten. Deutschland habe die Mittel zur Bezahlung seiner Reparationsschulden zum größten Teil aus der Vcrwögensmasse selbst flüssig machen müssen, während ihre Überleitung in die Wäh rung der Empfangsstaaten, die Transferierung, nur durch Zuhilfenahme beträchtlicher Auslandsgelder möglich ge wesen sei. 2n den vier Jahren, seitdem der Dawesplan in Krost sei, zeige die deutsche Zahlungsbilanz einen Fehlbetrag von 16 Milliarden, wovon rund 10 Milli arden auf die Passivität der Handelsbilanz entfallen, d h. Deutschland hat für 10 Milliarden Mark mehr ein- ^esührt, als es ausführte. In der gleichen Zeit habe Deutschland sür etwa 15 Milliarden kurz- und langfristige Kredite ausgenommen und einen großen Teil seines eige nen Effektenbesitzes an das Ausland veräußern müssen. Das Memorandum entwirft sodann ein sehr trübes Bild von der wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Die Rentabilität der Industrie sei in ständigem Sinken be griffen. Die Landwirtschaft arbeite seit Zähren mit Unlerbilanz, und die Arbeitslosigkeit habe in erschreckendem Matze zugenommen. Unter diesen Umstünden könne es nur eine Frage der Zeit sein, wann die Sicherheitsver- üle, die der Dawesplan zum Schutze der deutschen Wirt schaft und Währung geschaffen habe, in Wirksamkeit irrten. Der zweite Teil des Memorandums enthält den deutschen Zgtzlimgsvot schlag. Die deutsche Abordnung schlägt eine auf die Dauer von 37 Zähren zu zahlende feste Annuität sZohreszahlung) in Höhe von 1650 Millionen vor, für deren größeren Teil sie jedoch die Aufrechterhaltung des Transserschutzes verlangt, um die deutsche Währung nicht zu gcfährden. Auf seinen Kapitalwert gebracht, würde sich der deutsche Vorschlag bei 5"/, Zinsen und 1°/, Amortisation aus 27,5 Milliarden berechnen, während den von den Alli ierten geforderten Zahreszahlungen ein Kapital von 40 Milliarden zu Grunde liegt. Es ist keine Einigung möglich Um den Sachverständigen Gelegenheit zu geben, das deutsche Angebot und die alliierte Forderung gegen einander abzuwägen, beschloß die Vollversammlung, den sogenannten Ausschuß des Lord Revelstoke wieder ins Leben zu rufen und ihm die Verhandlungen über die Zahlen zu übertragen. Dem Ausschuß gehören je ein Vertreter der an der Konferenz teilnehmenden Mächte an. Deutschland war durch Dr. Schacht vertreten. In diesem Ausschuß hat sich das Schicksal der Kon ferenz entschieden. Er hielt am Donnerstag vormittag und nachmittag Sitzungen ob. Am Dsnnerstag nachmittag hat der Aus schuß festgestellt, Laß er nicht zu eiuer Ützereiustimmuug hiusichtlich Ler Seutscheu Reparationsleistungen gekommen sei. Da mit ist Las Schicksal Ler Konferenz, Lie nunmehr drei Monate tagt, entschieden. Eine von deutscher Seite auegegebene Mitteilung über die Sitzung des Revelstoke-Ausschusses besagt: Die deutschen Sachverständigen haben erklärt, daß sie nicht in der Lage seien, eine höhere als die von ihnen angeregte Zahreszahlung von sich aus zu besürworten, es sei denn, datz irgendwelche Anregungen gegeben werden könnten, die eine Erhöhung der derzeitigen deutschen Leistungs- und Zahlungsfähigkeit herbeizuführen geeignet seien. Unter diesen Umständen stellte der Unterausschuß fest, datz er nicht zu einer Übereinstimmung gelangt sei. Die neue Reichsregierung. Am Dienstag nachmittag ist das Reichskabinett zum ' links noch rcchts stehend: Schätzel, von Guerard, Steger- ersten Mal« nach seiner Erweiterung durch die drei Zen- ! wald, Severing, Dietrich, Hilferding; sitzend: Curtius, Slre- trumsminifter zujamrnengetrelen. Unser Bild zeigt von jemann, Müller, Gröner, Wirth. Natürlich ist Deutschland schuld — sagt die Pariser Presse. Wie nicht anders zu erwarten war. hat bereits am Donners tag die Propaganda der französischen Presse eingesetzt. Sie hat belanntgegeben, datz die Schuld am Scheitern der Verhandlun gen einzig und allein der deutschen Abordnung zuzuschieben sei. Besonders wird Dr. Schacht angegriffen, weil er. angeblich aus „parteipolitischen" Gründen, auf dem deutschen Angebot beharrte. Abrüstung! Am 15. April ist in Genf die vom Nölkerbundsrat eingesetzte Kommission zur Vorbereitung der Abrüstungs konferenz zu einer Tagung zusammengetreten, um erneut über den deutschen Antrag auf Veiöffenilichung des Ab- rüstungsstandes, sowie über einen russischen Abrüstungs- Vorschlag zu beraten. Der deutsche Antrag fußt im Ar- tikel 8 der Völk rbundssotzung, wonach die Mitglieder des Völkerbundes die Verpflichtung übernehmen, „sich in der offensten und erschöpfendsten Weise gegenseitig jede Aus kunft über den Stand ihrer Rüstung, über ihr Heer, Flotte und Lvftsch ffahrtsprogramm und über die Lage ihrer auf Kriegszwecke einstellbaren Industrien zukommen zu lassen". Würde der deutsche Antrag angenommen, so würde darin eine beträchtliche Erleichterung für die zukünftige Abrüstungsorbeit zu erblicken sein. Vor aller Welt würde durch die Deröffentlick ung des Abrüstungsstandes darge- gelan, wie wenig die Siege,floaten bisher dem Kernpunkt des Dölkerbundpaklcs, der Abrüstungsidee, Rechnung ge tragen haben. Frankreich besitzt an Üandstreitkrästen einen Aktiv bestand von 730000 Mann, an ausgebildeten Reserven ohne Landsturm 5 Millionen Mann Weitze und 1 Mil lion Farbige. Es versügt über 1350 leichte und 1500 schwere Geschütze (ohne Festungsartillerie und 2550 Tanks). An Luststreltkräften (ohne Schul- und Reserveflugzeuge) unterhält es rn der ersten Linie über 1500 Land- und 400 Leeflugzcugc. Der Desamtaktivbestand der belgi schen Armee umfaßt 89 000 Mann, sowie 500 000 Mann ausgebildeter Reserven. Sie besitzt 600 leichte und 270 schwere Geschütze, 50 Tanks und 250 Landflugzeuge. Der Aktivbestand der polnischen Armee umfaßt im ganzen 320 000 Mann, nicht eingerechnet die militärisch organisierten und ausgebildeten Ziviloerbände, deren Zahl auf mindestens 600000 Mann zu veranschlagen ist, sowie 2H- Millionen ausgebildeter Reserven. Sie besitzt 1600 leichte, 420 schwere Geschütze, 220 Tanks und 250 Land- flugzeuge. Die Tschechoslowakei versügt über einen Aktivbestand von 120000 bis 160000 Mann, 1300000 Mann ausgebildeter Reserven, 850 leichte, 410 schwere Geschütze, 60 Tonks und 500 Landflugzeuge. Die gesamten Landstreitkräfte der unmittelbaren Nach barstaaten Deutschlands, die zu Defensiv- oder Offensiv- büntnissen gegen Deutschland sich zusammengeschlossen haben, betragen somit 1260000—1280000 Mann Aktiv bestände, 10V3 Million ausgebildeter Reserven, 4400 leichte uno 2600 schwere Geschütze, 2880 Tanks, 2500 Land- und 400 Seeflugzeuge (ohne Schul- und Reseroeflugzeuge). Dem steht Deutschland mit 100000 Mann Reichswehr, 288 leichten, keinerlei schweren Geschützen, keinen Tanks und kcinrn Flugzeugen gegenüber. Die wichtigsten Vergleichziffern für die Seestreitkräfte lauten: Frankreich 10 Großkampsschiffe, 38 U Boote, Ge- famüonnage 504000 Tonnen; England 20 Großkampf- schiffe, 55 U Boole und 1200000 Gcfamttonnoge. Dem gegenüber umfaßt die deutsche Gesamtronnage 120000 Tonnen ohne Großkampsschiffe und U-Boote. Angesichts dieses Standes der Rüstungen hat der deutsche Reichskanzler in seiner Rede vor der letzten Völker- bundsversammlung ausgeführt: ,,es mutz endlich zur Er füllung des vertraglichen Versprechens kommen, daß der Entwaffnung Deutschlands die allgemeine Entwaffnung folgen soll. Ls mutz endlich der Artikel der Völkerbunds- Atzung zur Durchführung gelangen, in welchem dieses Prinzip des Völkerbundrs zum Grundprinzip gemacht worden ist". Die vorbereitende Kommission der Ab rüstungskonferenz hat in ihrer letzten Tagung vor einem Zahre nichts getan, um diesem Verlangen des deutschen Reichskanzlers Rechnung zu tragen. Man möchte hoffen, daß die gegenwärtige Konferenz einen positiveren Aus gang nimmt.