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Sächsischer Landes-Anzeiger : 05.07.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189207054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18920705
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18920705
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-07
- Tag 1892-07-05
-
Monat
1892-07
-
Jahr
1892
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 05.07.1892
- Autor
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Äeüllgc zum Siichsischcn Lllndes-Anzeigec. Chemnitzer General-Anzeiger. - MW Dienstag, 5. Juli 1892. > »üiiltn (l^l <8t>lkl«>'Mti>in). Unser Älnzeiger wird einschliesslich seiner Beigabe „SontttngSblatt" und mit dem Extra-Beiblatt „Lustiges Bilderbuch" auch ferner allen berechtigte» Ansprüchen zn genügen suchen, welche gerechterweise an ein billiges volkslhünilichcs Blatt gestellt werden dürfe». Unser Anzeiger ist die billigste tägliche Zeitung, er kästet mit dem Extra-Beiblatt „Lustiges Bilderbuch" vierteljährlich 105 Pf., monatlich also uur NS Pf. in Chemnitz frei ins Hans. Außerhalb Chemnitz ist für Zntragen monatlich 1b Pst zn entrichten. DaS Abonnement unseres Anzeigers ohne „Bilderbuch" kostet monatlich nur 25 Pf. in Chemnitz frei in's Hans. Außerhalb Chemnitz ist für Zntragen monatlich 1b Pst zn entrichten. Bei den Post-Anstalten ist der Anzeiger nur mit dem Beiblatt «Lustiges Bilderbuch" zn beziehen und kostet monatlich 35 Pst (Zntragen 15 Pst). Pvsizcitttugspreisliste 10. Nachtrag Nr. 5580. Die Beiblätter: „Kleine Botschaft", „Sächsischer Erzähler", „Sächsische Gcrichlszeitmig". „Sächsisches Allerlei" und „Jllnstrirtes Unterhaltungsblall" sind mit dem gleichfalls in »»serein Verlage er scheinenden Wochenblattc: „Sächsischer Landbote" z» beziehen. Warum d Preisgekrönte Novelle von Ko »stanze Loch mann. (Fortsetzung) Nachdruck Verbote». I» fieberhafter Hast l.glc sie ihre »nd der Tochter Kleider i» ein Kösferchc». Den Verlobnngsreif mit dem großen Diamanten und den breiten, goldenen Trauring zog sie ab nnd lhat ihn zn tem Briefe an Halm. Was war noch nöthig? Ihr Blick schweifte nach vergessenen Sachen im Zimmer umher .... Halt, dort ans dem Nachttische guckte ihr Neues Testament hervor. Das alle, abgegriffene Büchlein, ein Geschenk des Vaters zur Confirmalion, sollte mit über's Weltmeer, sollte auch in jener Weile it,r Leitstern, ihr Wegweiser nach der ewige» Hcimalh sei». Am Boden kuicend, hielt sie das schwarze Bändchen in der Hand. „Nicht umsonst sollst dn, mahnender Freund, mir in de» Weg kommen," sagte sie laut vor sich hin. „Zeige mir die Straße, die ich gehen soll — laß mich nicht ohne Zuspruch in einen neue» Lebens abschnitt treten, gieb mir Beruhigung, gieb mir den Frieden, den ich heute so schwer vermisse." Sie klappte das Buch ans, ihr Blick blieb nach einigem Blättern auf dem vierten Vers im 8. Capilel des Evangelium» Johannes haften: „Und sie sprachen zn ihm: Meister, dieses Weib ist begriffen ans frischer That im Ehebruch; Moses aber hat uns im Gesetz geboten, solche zn steinigen. Was sagst du? Das sprachen sie aber, ihn zu versuchen, ans daß sie eine Sache zn ihm hätten. Aber Jesus bückte sich nieder nnd schrieb mit dem Finger ans die Erde. Als sie nun nnhielten, ihn zn frage», richtete er sich ans »nd sprach zn ihnen: Wer uuter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein ans sie. Und bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Da sic aber das hörte», ginge» sic hinaus» von ihrem Gewisse» überzeugt, einer nach dem andern, von den Aeltesten an bis zn den Geringsten. Und Jesus ward gelassen allein, »nd das Weib im Mittel stehend. Jesus aber richtete sich ans, »nd da er Niemand Dhc denn das Weib, sprach er zn ihr: Weib, wo sind deine Verlläger? Hat dich Niemand verdammt? Sic aber sprach: Herr, Niemand. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht, gehe hin und sündige hin fort nicht mehr " Regungslos kniete Melitta ans dem Boden — ein Bild tauchte vor ihren Angen auf, ein entsetzliches Bild. Ei» weiter, mit spär lichem Gras bewachsener Plan, ringsum kein Baum, der Schalte» spendet, nirgends ein Quell, der erquickt... Nur Menschen, Männer, und Frauen, mit hohnvollen, mitleidigen Gesichtern, dränge» und schieben sich vorwärts, fluchend, zankend, schreiend schwinge» sie in de» drohend erhobenen Händen schwere Steine. Und inmitten dieser höllischen Schaar kniet ein Weib. Ei» Weib nnx, ein fremdes Weib? Nein, sie, Melitta, die Gattin Halms, die Geliebte des Mannes, der ans fernen Landen kam, ihr Gewissen einznschläfern mit süßen, berauschenden Worte» . . . Und in der Nähe kein Helfer, kein Heiland, sie allein »nlcr der wlilyendcn Menge, sie allein mit ihrer Qual, ihrer Angst, ihrem sinnbctäubendcn Web. ... „Wann werden sie die Steine werfe»? Wann wirst du unter ihre» Streichen zu- sanimcubrcchc»? Hilf, mein Erlöser!" Sie stöhnte laut auf. kalter Angstschweiß stand auf ihrer Stirn, ihr Kopf sank auf den Boden nieder. So verharrte sie lange; keine Thräne crl ichterle das geprcßle.Hcrz . . . ihre Seele rang mit Gott, ihre Lippen stammelten immer nur die eine Bitte um Vergebung ihrer schweren Schuld. „Was soll ich thnn?" fragte sie. „Allmächtiger, wo liegt meine Pflicht?" — und die Antwort, die ihr mächtig brausend vor den Ohre» summte, lautete: „Denn so Ihr liebet, die Euch lieben, was werdet Ihr für Lohn haben? Thnn nicht dasselbe auch die Zöllner? lind so Ihr zn Enre» Brüder» freundlich lhnt, was thut Ihr Sonderliches? Thnn nicht die Zöllner auch also? Darum sollt Ihr vollkommen sein, gleich wie Euer Vater im Hiinuiej vollkommen ist." (Matthäi 5, 4g.) Sie erhob sich schwerfällig und schleppte sich mühsam bis zum Bettchen ihres Kindes, dort sank sie abermals in die Kniec. „Herr, mein Gott", seufzte sie auf, „muß ich de» Kelch leeren, den Dn mir zu trinken gicbst? Lebe» sonder Klage »eben Einem, der meiner nach reiner Liebe verlangenden Seele nichts ist? Neben Einem, den ich schon trunken gesehen, der cs wieder sei» wird . . . oft vielleicht, was weiß ich's? Allmächtiger, fasse es doch, daß dann ein peinigender Schauer, ei» »amcnloses Granen durch mein Gemüth zittert, baß etwas wie Haß in mir anfsteht gegen de» Vater meines Kindes! Ist das Sünde? Ist das Ehebruch, wenn ich mich rette vor mir. selbst, wenn ich dem folge, der mich besser, selbstloser, de- müthigcr macht? „So gehe hin nnd sündige hinfort nicht mehr! O, wie dieses Hcilandswort i»> Herzen brennt, wie es sich tief, immer tiefer hinein bohrt . . . ewig, unauslöschlich! Mit solch zweifelndem Gemüthe sollte ich vor Heinz treten? Und er? Wenn einst die Stunde käme, in der er von meinem Antlitz zu lesen suchte, ob ich seiner über drüssig geworden? In der er sich zweifelnd fragte: „Kann die Frau, die ihren Mann verließ, »in dir anzuhangen, kann sie nicht auch dich — Berrag^Sll-rander^Wied-^,, Chemnitz. — um einen Anderen verrathen ? Herr mein Gott, die Schande! Wie würde ich sic tragen können! „Herr, Herr', betete Melitta, „ich lasse Dich nicht, Du.segnest mich denn! Gieb mir ein Zeichen, Allerbarmer, gieb mir ei» Zeichen, und ich folge demselben, ich bleibe Dir treu." Sic starrte mit brennende» Augen, aus welche» noch immer keine Thräncn fließen wollten, in des Kinde» Gesicht. Vielleicht fühlte Maria trotz des sausten Schlummers die Nähe der Mutter, den» plötzlich hob sie die Händchen, lächelte »nd flüsterte vor sich hin: „Sieh, die herrlichen Blumen, Mutter! Papa hat sie alle für Dich hingestettt, nnd Dein Bild hat er schon bekränze» lassen." Da brach die salzige Flnth, die so lange eingedämmt gewesen, ans Melitta's dunkle» Angen, ei» furchtbarer Krampf schnürte ihr die Brust zusammen, als sie in hcrzzereißendem Tone stammelte: „Lebe wohl, mein Heinz, lebe wohl!" Melitta brachte die Nachtstunde» am Bette ihrer Kleinen zu, erst gegen Morgen sank ihr Haupt schlver gegen die Lehne des Sessels... wirre Träume n»,gaukelten sie, und das Herz klopfte beängstigend, als sie erwachte. „Mutter, wann reisen wir?" Auch Maria-S dunkles- Köpfchen richtete sich von den Kissen empor» zwei weiche Acrmchen schmiegten sich ui» den Nacken der Frau, die zitternd mit müden Angen »nd todtblassen Wange» ihr Kind a» sich preßte. „Du bleibst mir ja, Dn!" stöhnte sie auf. Sie ermannte sich, kleidete Maria an und klingelte nach dem Frühstück. Sie sah z», wie die Kleine ihre Milch trank nnd Brötchen dazu aß, selbst des Kindes Zureden konnte sic nicht dahin bringe», einen Bisse» anzn- rühren. Maria huschte bald darauf durch die Glasthüre i» d u Vor garten, wo sie des Morgens gewöhnlich spickte. Melitta schritt dann dem kleinen Ankleidezimmer zu, um ihre heißen Schläfe mit Wasser zu kühlen nnd sich zur Abreise nach D. fertig zn machen. Als sie das Wohngemach wieder betrat, zählte sie mechanisch die Schläge des Regulators. Nenn Uhr! Sie hätte jetzt auf dem Bahn hof sein müsse», wenn sie dem Ruse Heinrichs gefolgt wäre. Heinz! Er mußte benachrichtigt werden! Wie ihm den veränderte» Entschluß mittheile»? Während sie noch grübelnd am Schreibtisch saß und das Päckchen betrachtete, das die Ringe nnd ihre Abschicdswvrte a» Clemens ent hielt, klopfte man laut an ihre Thüre; sie eilte, zn öffne». Ein Telegramm ans D. ward ihr eingchändigt. Bestürzt riß sie den Umschlag auseinander nnd las: „Sofort kommen. Herr Halm hat beim Verlassen der Pferde bahn das Unglück gehabt, ein Bein zn breche». Befinden sonst gnt; wir erwarten Sie stündlich." Einen Augenblick stand Melitta wie erstarrt, dann lachte sie schrill auf. W e hätte die Welt sie wohl bcnrtheilt, wenn sie dieses Telegramm nicht mehr hier getroffen? Hineingereist in die Weite, jenem anderen zu Liebe, während der arme Mann zn Hause in Schmerzen lag nnd das ehrvergessene Weib, welches ihm sogar sein Kind entzog, gewähren lassen muhte! Sie zündete die Kerze a» und ließ den Brief an Clemens langsam verkohlen, dann schnitt sie den Faden ans, der die Ringe in de», Scidenpapier uinfpanule. Sie steckte sie mit einem fast irren Lächeln wieder an de» Finger. Die Zeile» a» Heinrich Mcinhardt lauteten: „Gottes reichster Segen über Dich, mein Freund! Dn bist einer besseren Liebe würdig, als ich sie geben kau», und D» wirst mir einst danken für de» Schmerz, den ich Dir heute bereite» muß . . . In der Nacht ist cS mir klar geworden, daß ich ohne Schuld mein »nd Marias Geschick nicht mit dem Deinen verbinden kann; die Depesche, welche ich beilege, zeigt Dir, wie hinfällig menschliche Pläne sind, de» hohen Nathschlüssen Gottes gegenüber . . . Heinz, ich habe Dir zweimal unendlich wehe getha», verhüte der Himmel, daß Dn einst Vergeltung übst! Werde glücklich! Dies ist das Gebet Deiner armen, Dich unsäglich liebenden Melitta." Der Zug nach D. ging in zwei Stunden ab, sie konnte eine Antwort des Geliebten kan», mehr erwarten, möglicher Weise hittc Heinz einen Ausflug »nternommen. Wozu auch Antwort? Sie schleppte die^Sklavcnkette weiter nnd er — blieb frei. Wem schlug das Schicksal die tiefere Wunde? Rothcrs zeigten bei dem Abschiedsbesuche Frau Halms eine ihr wohlthuende Theilnahme. Das Ehepaar ahnte, daß nicht allein der Unglncksfall in D. dem Wese» Melittas diese Unruhe nnd Herzens angst, die trotz aller Selbstbeherrschung sich ab nnd zn vcrriethen, ans- geprägt haben konnte. Beiden schien der Schluß dieses Badcrvmans nicht dem Anfänge zn entsprechen; sie gönnte» dem Gallen die lieb liche Blume nicht, die hier in den Bergen einen ihr mehr zusagenden Bode» gefunden; viel lieber hätten sic den hochgebildete» Freund im Besitze der zarten Waldblume gewußt. Ei» freieres Wort wagten sie nicht, denn die geringfügigste Bemerkung dieser Art hätte die künst liche Rnhe ihres Geistes möglicher Weise zerstört nnd Melittas sowie Heinrichs Schicksal eine andere Wendung geben könne». Bor solcher Verantwortung scheuten Nothcr »nd Frau Annie mit Recht znrück. Endlich mit dem Kinde auf dem Bahnhof angelangt, suchte Melitta ein lecreS Conpö nnd stieg ei». Mechanisch überflog ihr Blick die wenigen Badegäste, welche ebenfalls zn„, Abfahrcn bereit machten, er blieb an einer Iran hafte», di« sich eilig durch die Gepäck stücke Bahn machte. Da ries auch das Kind schon: „Liebe Frau Palvc, ist der Brief an die Mama?" Melitta zog ihr Geldtäschchen nnd ließ eine reichliche Gabe in die Hand der Angekommenen gleiten, während Maria das Schreibe», das ihre alte Pflegerin sorgfältig getragen, in ihrem Händchen hielt. „Herr Meinhardt läßt sich der gnädigen Fra» empfehlen» sowie glückliche Reise wünschen," richtete Iran Palve ihren Auftrag ans und entfernte sich mit herzlichem Danke. Der Schnellzug rollte lange schon durch die im goldene» So»»c»- glanz schimmernde Ebene, als Melitta endlich wagte, Heinrichs Ab schiedsworte zn lesen. Er schrieb: „Ich mnß tragen, was Dn über mich verhängst. Der Boden Europas brennt mir unter den Füße», in Indien wird mich die Ar beit von aller Pein befreien. Möchtest D» das beste Thcil erwählt haben! Ich fürchte für Deine Zukunft und bitte Dich, mich als Deinen bewährten Freund zu betrachten, wenn Du je eines solchen bedürfe» solltest. Gott schütze Dich nnd lasse Tein Kind, meine herzliebe Maria, zu einem Trost, Stab nnd Stecken für Dich werde». Allzeit Dein Heinz." Sie drückte sich in die Ecke des ConpceS nnd weinte still vor sich hi»; da- Kind beschäftigte sich mit seiner Puppe und einer große» Düte, die Fra» Rother ihm eingehändigt. Ab und zn fragte Maria: Nr. 153. — 12. Aahrga»-. - ' „Mutter, kommt Onkel Heinz auch bald nach D.? Er hat'S mix versprochen." Als die Mutter nur den Kopf schüttelte, behauptete die Kleine: ch „Wenn ich groß bi», gehe ich zn ihm »ach Indien — Du 5 kommst mit, Mütterchen." Später stieg eine Dame mit zwei hübsche» Knabe» ein; Maria machte sich schnell bekannt, nnd die Plappermäulchen ginge» nach Herzenslust. Melitta war cs lieb so, sie konnte, von der Tochter Fragen »»belästigt, ihrem Schmcrzc nachhängcn. I» D. mußte sie gefaßt erscheine», dort warteten P flichtcn auf sie, die sie nur mit größter Resignation zn erfüllen vermochte. ' Herr Halm empfing seine Fra» unfreundlich genug. Di« ver wünschte Reise hätte »nterblcibe» sollen, dann läge er nicht mit ge brochenen Gliedern da und müßte das Geschäft zum Teufel geht» lasse». Sie verstände ja nicht einmal de» Leute» ihre Plätze znzn» weisen, sie könne ihm keine Arbeit ab> ehnic» und gehöre in'S GlaS» schränkchcn, denn nicht einmal das Bischen Wirthschaft verstehe sie ordentlich zn führen. Diese Vorwürfe deS nie bettlägerig gewesenen Mannes nahm Melitta mit großer Geduld hin; sie suhlte sich schuldig, und cs kam ihr leicht an, harte Worte zn höre». Liebe nnd Fürsorge von Clemens Seite wären ihr in diesen traurigen Tagen, in denen sie beständig von de» widerstreitendste» Empfindungen hin- nnd her- gerissen ivnrde, unerträglich gewesen. Trotz der sorgsamen Pflege, die sie dem Gemahl angedeihe» ließ, kam sie sich völlig überflüssig vor, denn eine bezahlte Krankenwärterin hätte ganz dieselben Dienste ge- Z leistet. Wozu cm einer Stelle bleibe», die so leicht ne» z» besetze» war? Was hätte sie eigentlich Clemens mit ihrem Weggänge ge nommen? Manchmal, wenn gar so viel aus Melitta einstürmte, war sie nahe daran, ihr Bündel zn schnüren nnd mit dem Kinde aus nnd davon z» gehen. Hätte Heinz von Hamburg aus eine dringende Mahnung an sie gelangen lassen, sic wäre ihr gefolgt, trotz allen«, « -Z Es kam keine Botschaft — ihre Gedanke» mußte» Meinhardt bereits anf dem weiten Ocen» suchen, aus dem vielgeliebten Nkrere, das z» sehe» ihr versagt geblieben! 'ck Clemens zeigte sich auch nach seiner Genesung »»wirsch; der Frau gehaltenes Wese» mochte ihn befremden, ihre öfters hcrvor- trctende Reizbarkeit war ihm »cn nnd euipörle ihn. Sie schützte ihr« Nerven vor, wenn er sie wegen dieser Lancnhaftigkcit, wie er e- - nannte, zur Rede stellte. Allerdings kamen Zeiten, in denen Beide sich »««endlich viel Mühe gaben, das erträglich gute Verhältniß früherer Jahre wieder nuf'S Neue herznfteNe»; Clemens suchte Melitta durch Theatcrbillels nnd Geschenke - günstiger zu stimmen, diese selbst war peinlich bemüht, ihm), keinen Grund zur Unzufriedenheit zn geben. Sie bekämpfte mnthvoll ihren Hang zu Träumereien, und suchte durch Thätigkeit iu der Wirthschaft sich von »nnütze» Grübeleien fernznhallen. Nur gab sie sich keine Mühe «»ehr. Clemens anders zn sehe««, als er wirklich war; sic konnte nicht mehr beschönigen nnd ansschiiiiickcn, was sie an Halm- Charakter zn tadeln fand. Der pci'nigende AnSrnf: „Wie habe ich je diesen Man«) lieben, ihm völlig vertrauen können?" brach sich zuweilen Bahn über ihre Lippen. Clemens sperrte sie von der Welt womöglich noch mehr ab, als vor ihrer Reise, und die Franc», welche er ihr dann »nd wann zlt- sührte, waren in ihren Ansichten und Lebcnsgewohuheiteu so hiinmzf«. weit von ihr verschiede», daß nur der oberflächlichste Verkehr statt finden konnte. Kan« Melitta flüchtig «nit Menschen in Berührung, * die ihr zusagte», so befremdete es sie, daß sie ihr viel Wohlwollen beivicscn, ihren Mann aber von oben herab behandelten. Ihr leicht verletzter Stolz empfand diese Nichtachtung schwer. . . doch scheute sie sich, den Gründen für dieselbe »achznforsche»; kam ihr doch selbst das Wese» ihres Mannes täglich befremdlicher vor. Lauheit in geschäftlichen Dingen, Zerfahrenheit nach außen und innen, ein« nervöse Hast nnd Unruhe, d e seiner Umgebung das Lebe» niit ihm ininier ungeniüthlicher «nachte, war Clemens lange schon vorznwerfe», che es z«»n Ausbruch einer Krankheit kam. die ihn in dem Augen blicke nicderwarf, in dem auch seine Fabrikanlage» geschlossen werden mußten. Ein älterer Freund Halms machte der junge» Frau die erste Miltheilnng von den veränderten Verhältnisse««; sie erfnhr, daß Clemens' Unternehmungen schon seit Jahre» nicht mehr von Erfolg begleitet gewesen, von dem Zeitpunkte a», wo er seine eigene THeilig keit immer mehr eingeschränkt nnd sich anf de«« gute«« Willen seiner Leute verlasse«, hatte . . . Als sie bedrückte» Gcniiiths »ach dem ihr zugehörigen Kapital forschte, fand es sich, daß dieses bis anf eine» kleine» Rest mit in den Strudel hineingezogen worden, nnwicder- bringlich verloren war. Weiche Hoffnung hielt das arme Weib i» diese» Zeiten bittersten Kummers aufrecht? Eine immer weiter nm sich greifende Lähmung stellte sich bei Clemens ein — er «var tagelang unfähig, sich zn rühren, oft versagte ihm die Sprache, noch öfter das Denken. Melitta klagte nicht, sie blieb bei all' den ernsten Obliegenheiten, von denen sie sich nicht losniache» konnte, still und ruhig. Sic mußte »»gerechtfertigte Vor würfe ihres Gatte» hinnchmcn, wo sie doch genügenden Grund zu haben «»einte, selbst Anklage» ansznsprechc» — sie mußte die Zorncs- ausbrüche des durch seine Krankheit lief erbitterten, Gott und den Menschen zürnenden Mannes ertrage». (Fortsetzung folgt.) Zum Proces; Heinze. Ter Proceß Heinze nähert sich seinem Ende. Die Zeugen» Vernehmung an« Donnerstag Nachmittag »nd am Freitag erstreckte sich, dem Vernehmen nach, hauptsächlich auf die ehemaligen Mit gefangenen des Heinze, welche über die viele» verdächtigen Aenßer« nngen desselben, seine Angst vor der Polizei, seine Besorgnis;, daß sei» Kopf etwas wackelig sitze, nnd dergleichen «»ehr Ansknnft ertheilten. Dieser ganze Thcil der Beweisaufnahme scheint neue oder hervor ragende Momente nicht z» Lage gefördert z» haben, vielmehr würde >»a» sich begnüge» können, bei den meiste» dieser Zeugen die Aus sage» bei ihrer vorigen Vernehmung wieder abzndrncken. Bekanntlich ist gerade dieser Thcil der Verhandlung schon das vorige Mal vo>»- Vorsitzcnde» sehr sorgsältig nnd eingehend behandelt worden, »nd auch diesmal wurde» diese Zeugen so lange befragt, bis auch nicht ein Schatte» von Unklarheit mehr zn entdecke» war nnd die Ge schworenen sich selbst ei» Bild davon machen konnte», ob die vielen Ein wände, welche die Angeklagte» gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen erhoben, berechtigt erschienen. Diese Eiuwände wurden seitens der Iran Heinze besonders er hoben bei der Vernehminig des Möbelpolircrs Emil Bellevue, desselben» der bei der vorigen Verhandlung äußerlich wie ein Gentleman auf trat, beim Erscheine» im Gcrichtssaalc seine» Chlinderhnt nnd hell grauen Somnlcriibcrzieher mit einer gewissen vornehmen Nachlässig keit dem Gerichtsdiener zureichte, und der auf die Behauptung, r»
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