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Ireiöerger Anzeiger und Tageblatt» Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg und Brand.' ^-266. Erscheint jeden Wochentag früh 9 U.! Inserate werden bi» Nachm. 3 Uhr i für die nächste Nr. angenommen. ! Freitag, den 13. November Prei« vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Naum mit 8 Pf. berechnet. 1888. Tagesgeschichte. X Berlin, 11. Novbr. Ueber die Verhandlungen des Land tags ist noch wenig zu melden, da die Mitglieder des Abgeord netenhauses die erste Hälfte dieser Woche zum Studium des Bud gets benutzt haben, welches wahrscheinlich erst Freitag oder Sonn abend zur Vorberathung im Plenum gelangt. Daß in dieser Session eine Verständigung zwischen der Fortschrittspartei und den National-Liberalen zu erwarten sei, ist um so weniger zu glauben, als schon in der ersten Sitzung der vergangenen Woche ein Mit glied der Fortschrittspartei, Abg. Virchow, einen nichts weniger als versöhnlichen Ton anschlug. Die Ausfälle desselben gegen die Reichstagsverhandlungen wären wohl besser unterblieben; gerade der letzten Session des Reichstages verdankt das Volk eine Menge der wohlthätigsten Gesetze. Diese eine Session hat mehr genützt, als sämmtliche preußische Landtagssessionen von 1850 bis I858. Uebrigens ist cs gerave vom demokratischen Standpunkte aus, auf welchem doch Herr Virchow stehen will, s-hr gewagt, eine Volks vertretung herabzusetzen, die aus den allgemeinen, direkten Wahlen hervorgewachsen ist. Sie müßte sehr reaktionär und dem Wohle des Volkes geradezu schädlich sein, wenn derartige Angriffe für gerechtfertigt gelten sollten. Je weniger nun der Landtag unsere politischen Kreise beschäftigt, um so eifriger erörtert man die Frage, weshalb Graf Bismarck noch nicht nach Berlin zurückkchrt. Es ist bekannt, daß man ihm theils körperliches, theils geistiges Leiden andichtet. Beide Versionen sollen vollständig falsch sein. Ueber den als wahr angegebenen Sachverhalt wird hier - und ich setze hinzu: von durchaus glaubwürdigen Personen — Folgendes berichtet: Als an Stelle des abgehenden Justizministers Grafen zur Lippe der gegenwärtige Justizminister vr. Leonhardt berufen werden sollte, wendete die exclusiv-preußische Hofpartei an höchster Stelle ein, daß in solchem Vorgehen eine Beleidigung für die preußischen Juristen liege, weshalb der König die bereits ertheilte Bestätigung zurück nahm. Graf Bismarck machte hierauf geltend, daß das alte König reich Preußen ebensogut nur ein Theil oder eine Provinz des nord deutschen Bundes bilde, als etwa Hannover oder Nassau, und daß es bei Besetzung so wichtiger Stellen nicht nach particularistischen Grundsätzen zu handeln, sondern lediglich die Fähigkeit der Personen in's Auge zu fassen habe. Die hannöversche Justizpflcge sei an erkannt besser als die preußische, und da erstere ein Ausfluß der Bestrebungen des Ur. Leonhardt sei, so könne die Reorganisation der preußischen Justiz keinen besseren Händen anvertraut werden, als den seinigen. Es gelang schließlich dem Bundeskanzler, die schon zurückgenommene königliche Bestätigung abermals zu bewirken. — Mit der Beseitigung des Grafen zur Lippe hatte aber der Niinisterpräsident nur den Anfang zur Reorganisation des Cabinets gemacht und die erreichten Erfolge ermuthigten ihn, beim Könige die Ersetzung des Grafen Eulenburg, Minister des Innern, durch Herrn v. Roggenbach zu beantragen. Nach langen vergeblichen Versuchen, auch dieses Ziel zu erreichen, soll er sich mit der Er klärung zurückgezogen haben, nicht eher die Leitung des preußischen Ministeriums wieder übernehmen zu wollen, bevor nicht Roggen bach an Stelle des Grafen Eulenburg bestätigt sei. In Berlin ist man der festen Zuversicht, daß dies Ereigniß in kürzester Frist ein treten und Gras Bismarck sodann hierher zurückkehren werde. Man bezeichnet sogar schon den 23. November als den Tag, an welchem Graf Eulenburg seine Ernennung zum Botschafter an dem Hof in Petersburg erhalten soll. Ob mit Recht — mag die Zeit lehren. Gelingt dem Grafen Bismarck — die Richtigkeit vor stehender Combination vorausgesetzt — die Entfernung des Grafen Eulenburg, dann dürste der Cultusminister v. Mühler an die Reihe kommen. Auf die Gesinnungsweise des Bundeskanzlers würden solche Bestrebungen allerdings in mehr als einer Beziehung sprechende Lichter werfen. Zunächst, daß er sich jetzt mehr den liberalen Anschauungen hinneigt, als man dies früher bei ihm gewohnt war; sodann, daß er nicht daran denkt, Deutschland in Preußen, sondern umgekehrt, Preußen in Deutschland aufgehen zu lassen. In letzterer Hinsicht erinnert man sich vielleicht noch einer Aeußerung desselben im Reichstage, nämlich der: daß ihm der preußische ParticulariS- mus für Deutschland ebenso verderblich scheine, als jeder andere. Berlin, 10. Novbr. Nach einer Mittheilung der „N.-Z." treffen der Kronprinz von Sachsen und der Großherzog von Meck lenburg-Schwerin am 15. d. Morgens hier ein, steigen im Schlosse ab und folgen Mittags 1 Uhr dem Könige zur Theilnahme an den Hofjagden nach Jagdschloß Letzlingen. — Trotz der Bestimmung des Art. 4 der Verfassung: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich", hat das Obertribunal die Bestimmung des Landrechts, nach welcher Mannspersonen von Adel mit Frauenspersonen aus dein Bauern- oder geringeren Bürger stande keine Ehe zur rechten Hand sollen schließen können, als noch gültig anerkannt. Mit Rücksicht hierauf hat der Abg. Wölfel die ausdrückliche Aufhebung des betreffenden Paragraphen deS Land rechts beantragt. — Wie man der „Hess. Volksztg." schreibt, geht man damit um, die bekannte Denkschrift deS Kurfürsten von Hessen auch noch in anderer Weise, als durch Confiscation seines Vermögens zu be antworten. Es soll nämlich eine Entgegnung folgen, doch soll man bisjetzt vergeblich nach gewissen Documenten suchen, die hierbei nothwendig wären, und die sich bei dem Archiv deS kurfürstlichen Ministeriums des Aeußern in Kassel befunden haben müssen. Als designirter Autor der Gegenschrift wird dem Correspondenten Herr Braun genannt. — 11. Nov. In dem Streite über die Alabamafrage zwischen England und Nordamerika sollen der König von Preußen und der Präsident des schweizerischen BundeSraths als Schiedsrichter auS- ersehen sein. — Von Breslau aus war Veranlassung genommen worden, bei dem Bundeskanzleramt anzufragen, ob den diesseitigen Juristen, Philologen und Theologen die Vergünstigung zu Theil werden könne, welche die Aerzte insofern genießen, als sie ohne nochmalige Prü fung aus Preußen nach Sachsen und umgekehrt übersiedeln dürfen. Das Bundeskanzleramt antwortet darauf, daß die neuerdings zwi schen der kgl. preußischen und der sächsischen Regierung getroffene Uebereinkuust wegen erleichterter gegenseitiger Zulassung qualificirter Aerzte zur Ausübung der medizinischen Praxis nur die thunlichste Erweiterung der gewerblichen Freizügigkeit zum Zwecke habe. — Am Schluffe des Jahres 1868 beträgt das Schuldcapital für die ganze preußische Monarchie 416,259,121 Thlr., darunter IMP >2,428 Thlr. Eisenbahnschulden; hierzu kommen 18,250,000 Thaler unverzinsliche Schuld. Von den verzinslichen Schulden kommen 376,107,421 Tvlr., worunter 134,703,812 Thlr. zu Eisen bahnzwecken, auf die alten Landestheile. — Hannover hat 22,146,058 Thaler Schulden, darunter 16,868,730 Eisenbahnschulden; Hessen hat 15,406,500 Thlr., Nassau 20,340,628 Thlr., Homburg 131,427 Thaler, Schleswig-Holstein I869 noch 377,092 Thlr. verzinsliche Schulden. — Die 1148 preußischen Staatsdomänen haben 1,363,631 Morgen nutzbaren Bodens und geben einen Ertrag von 3 270,969 Thalern. Die königlichen Forsten nehmen 9, <38,899 Morgen be nutzten und 1,031,252 Morgen nichtbenutzten WaldbodenS ein. — Preußen hat auf 6,270 Quadratmeilen eine Bevölkerung von 23,008,710 Seelen, von denen 2,574,206 in mahl- und schlacht steuerpflichtigen, 21,334,684 in classen- und steuerpflichtigen Ort schaften wohnen. Die einkommensteuerpflichtige Bevölkerung beträgt 379,122 Köpfe. "