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Der Bote vom Geising 64. Jahrg Nr. 107 Donnerstag, ven 12. September 1920 Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend mittags. «Löcycntliche Beilage: »Neue Illustrierte". Monatsbeilage: .Rund um den veiungberg". Lezirksanzeiger für Altenberg, Geising, Lauenstein, Bärenstein und Umgegend. In diesem Klatte erscheinen die amtlichen Bekanntmachungen der Amtsgerichte Altenberg und Lauenstein, sowie der Stadtbehördcn Mtenderg, Geising, Lauenstein und Bärenstein, n uck und Verlag: F. ASuntzsch. Altenberg. — Für die Schriftleitung verantwortlich: Flora Suntzch, Altenberg. — Ferner, Lauenstein 427. — Postscheck Dresden 11811. — Gemeindegirotonto Altenberg 11 . _ — °nd Bezugspreis für den Monat Reklame- u. Lingesandtzeile od. der. Roum 40 Ps. Graf Appony verlangt vor dem Völkerbund Abrüstung Graf Appony, der Führer der ungarischen Mord' nung, ergriff Dienstag in der Bollversammlung des Völ kerbundes unter größter Aufmerksamkeil der Zuhörer das Wort. Er beschäftigte sich zunächst mit dem Schiedsge richtsgedanken. Die Erfahrung, die man in letzrer Zeit gemacht habe, daß Regierungen nur unter Vorbehalten Verpflichtungen annähmen, zeige, daß ihre Unterschrift nicht den geringsten Wert hätten. Er hoffe dringend, daß ! die alles vernichtenden Vorbehalte aus dem öffentlichen s Leben verschwinden würden. Graf Appony wandte sich dann der Minderheitenfrage zu. Der Rat müsse für Der- besserung des Leschwerdeoeifahrens sorgen. Graf Appony wies zur Abrüstungssr.ge darauf hin, daß nach den Aus i führungen Briands der Krieg zwar eine moralische Un- i Möglichkeit sei, es gäbe jedoch unmoralische Möglichkeiten, j Die Entwaffnung der Siegerstanlen je: eine Ehren- ; pfffcht Zurzeit lägen d:c Dinge so, daß keine Gleichheit ' der Rechte zwischen Sieger- und den besiegten Staaten bestehe. Ungarn werde das immer von neuem erklären. < Graf Appony crk.ärte iooann mu außerordentlicher Ent schlossenheit und Überzeugungskraft, Ungarn werde nie mals die Hoffnung aus eine bessere Zukunft ausgeben. ' Ungarn erkläre vffcn. dotz es den gegenwärtigen Zustand ändern w-rüe uno wolle, jedoch nicht durcy Waffen, on- dern durch d:e Umwälzung des öffentlichen G:wissens. Die Ur garn sprächen in Gent eoenio off^n und frei w e in Budapest. Er Hobe Onerre'chs und Ungarns Auf blühen und Verfall erlebt Er glaube, daß das Wort „Niemals" überhaupt kernen Sinn und kernen Zweck habe. Die Ausführungen des Grafen Appony wurden von der Vollversammlung mit stürmischem, lang anhaltendem Bei fall begrüßt, insbesondere von den Bänken der englischen und kanadischen Vertreter wurde während der ganzen Rede und nach Schluß fortgesetzt starker Beifall grspendet. Revision veralteter Verträge. Einen sehr wichtigen Antrag, der die auch in Deutsch- : land viel erörterte Frage des Artikels 19 des Völkerbund- Paktes betrifft (Revision unanwendbar gewordener Der- ! träge, die Lem Weltfrieden gefährlich werden können), hat Dienstag nachmittag in der Völkerbundversammlung der chinesische Delegierte, der Washngtoner Botschafter Wu, j gestellt. Er beantragte die Einsetzung eines Sonderkomitees . zum Studium der Frage, wie der Artikel 19, der bisher ! noch nie zur Anwendung gekommen ist, obwohl er der . Völkerbundversammlung außerordentlich wichtige Befug- : nisse einräumt, praktisch durchführbar gemacht werden : könnte. Das Vorgehen Chinas ist für Deutschland von ' besonderem Jntereße, da der Artikel 19 den Angelpunkt . für die Revision auch des Versailler Vertrages bildet. I Die Be»rteil«»g der Stresemann-Rede im Aasland. Die Genfer Rede Stresemanns ist in England und in Frankreich gleich freundlich ausgenommen worden. In , Paris findet man, daß Stresemann als guter Europäer ! gesprochen habe, was nicht bedeuten soll, daß er ein , schlechter Deutscher sei. In Landon begrüßt der dem gegen- wärttgen englischen Kabinett sehr nahestehende „Daily Herold" Stresemanns Erklärung über das Pan Europa. Rach einer Meldung der „Associated Preß" aus Wa shington wird in offiziellen Kreisen erklärt, die amerika nische Regierung habe den Versuchen einer politischen oder Wirtschaftlichen Organisation Europas seit mehreren Jahren ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Der gegen wärtige, von Briand und Stresemann unterstützte Versuch werde als bedeutendste dieser Bestrebungen angesehen. Ls werde besonders anerkannt, daß Stresemann betonte, er wünsche nicht, daß die Organisation Europas als Block gegen die Bereinigten Staaten aufgefaßt werde. Uebergabe des Margarethe Crouau-Heims in Schellerhau an den Verein für das Deutschtum im Ausland. Als im Jahre 1914 der Weltkrieg ausbrach, wurde in New Porl von deutsch-amerikanischen Damen die „Quarter Collection" zur Unterstützung deutscher und öster reichischer Kriegshinterbliebener gegründet. Sie hat ihren Namen von der bei ihre: Gründung ausgesprochenen Ab sicht der Mitglieder, wöchentlich einen Quarter — einen Dierleldollar — 1 — für mildtätige Zwecke zu stlftrn. Unendlich reiche Gaben strömten von ihr aus, ost von recht bedürftigen Händen in treuer Liebe zum Land und Volk der Väter gespendet und mit schonender Hand in unauffälliger Weise verteilt. Die Quartär Collccilonen haben seinerzeit auch eine größere Anzahl Kinderheime in verschiedenen Teilen Deutschlands gegründet und unter stützt bezw. deren Fortbestand gesichert. Zu Ehren ihrer Präsidentin, der aus Chemnitz gebürtigen Frau Marga rethe Civnou geb. Tänzler, stifteten persönliche Freunde die Milte! zur Gründung des nach ihr benannten Heims in Schellerhau, das für sächsische Kinder bestimmt war, während der Verein Quarter-Collection New Bort d'- Gelder zur Fortführung des Heims bereitstellte. Dies war im Jahre 1921. In den 8 Jahren seines Bestehens hat das Heim an den Kindern, du es betreute, vtel Segen gestiftet. Nun ist es in andere Hände über- geaangen. Es wurde in großmütiger Hochherzigkeit dem Landesverband Sachsen des Vereins für das Deutschtum im Ausland schEkungsweije überlassen, und gestern nach mittag gegen 5 Uhr sand die Übergabe statt. Zu dem feierlichen Aku, der im Freien vor dem mit Fahnen und Fähnchen reichqeschmücklen Hause abgehoben wurde und der von schönstem Wetter begünstigt war, waren in drei Sonderwagen der Kraftverkehrsgesellschaft die Ortsgruppe Dresden des VDA., sowie einige Dres dener Schulgruppen des VDA. erichicnen. An der Feier nahmen u. a. teil Frau Margarethe Cronau, die Herren Reichsminister a. D. Dr. Külz, Dresden, Ministerpräsident a. D. Kreishauptmann Buck, Dresden, Geh. Konsistorialrat Seyler, Dresden, Fräulein Klesch, die Vorsitzende der Frauenortsgiuppe Dresden des VDA., Bürgermeister Just, Altenberg u. a., sowie zahlreiche Vertreter der Presse. Einige Schülerinnen des Mädchengymnasiums Dresden- Neustadl eröffneten die Feier mit dem Lied „Wir sind ; jung und das ist schön". Das Wort zur Einweihung«, s rede ergriff dann Herr Reichsminister a. D. Dr. Külz als Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen des VDA. Er betonte, daß der Landesverband das Heim übernehme als Vermächtnis für den VDA. Wie der bisherige Name ! bestehen bleibe, sollten auch der Geist und die Gcsinnung, d:e durch die Entstehung dieses Heimes sich ein weithin leuchtendes Denkmal gesetzt hätten, bleiben. Er schilderte dann Angehend die segensreiche Liebestätigkeit der Quarter- Collcction während und nach dem Kriege und gedachte in herzlichen Worten höchster Anerkennung der Mühen und Opfer, die Frau Margarethe Cronau für dieses Hilfswerk, dem das Heim seine Entstehung verdankt, ge bracht hat. Herzliche Dankcsworte zollte er auch dem i bisherigen Verw.ilter des Heims, Herrn Oberingenieur Tänzler, dem Bruder der Frau Cronau. Der VDA. werbe das bisherige Werk fortsetzen, indem er das Heim zu einem Haus der Jugend machen werde. Er erklärte dann, daß der Landesverband Sachsen des VDA. Frau s Margarethe Cronau aus Dankbarkeit zu seinem Ehren- m tgl cd ernannt habe, und übernahm das Hrim als ein Denkmal helfender Nächstenliebe aus schwerer deutscher Zeit, als Zeichen tatgewordener Liebe zum deutschen Volke, als eine Heimstätte für die deutsche Jugend und als eine Pflegstälte deutschen Erlebens. Als zweiter Redner sprach Herr Studienrat Dur ach Kimschem« Laudtagszufammentritt erst am 24. Oktober. Wie die Dresdner Volkszeitung mitteilt, wird der Säch sische Landtag nicht, wie ursprünglich vorgesehen, am 17. Oktober, sondern erst am 24. Oktober zusammentrelen. Diese Verschiebung soll auf einen Wunsch der Deutschen Volksparlei erfolgt sein, die vom 19. bis 21. Oktober m Mannheim ihren Reichsparteitag abhält. Immer neue Maßnahmen gegen deutsche Minder- heitenschulen in Oberschlesien. Auf die Beschwerde der deutschen Eltern, deren Kinder die städtischen Schulen in Kattowitz besuchen, hat der Magistrat trotz der dringenden Vorstellungen seitens der berufenen Vertretungen bisher nicht geantwortet. Im Gegenteil werden weitere Maß nahmen, die eine Zurücksetzung der Minderheitenschule be- deuten, bekannt. So hat der polnische Rektor an der Minderheiten-Mädchen-Mittelschule angeordnet, daß in den untersten Klaffen nur am Nachmittag unterrichtet wird. Bisher fand der Unterricht für die polnischen und deut schen Kinder am Vormittag und Nachmittag abwechselnd statt. Das Lehrerkollegium hat gebeten, die Tage, an denen die deutsche Schule nachmittags Unterricht hatte, zu wechseln, was jedoch vom polnischen Lehrerkollegium mit der Begründung abgelehnt wurde, daß verschiedene Lehrer an Kursen teilnähmen, die ausgerechnet an diesen Nachmittagen stattfinden. Unter diesen Umständen bleiben deutsche Lehrer und Schüler immer die Benachteiligten. Der Attentäter Pletschkaitis. Großes Aufsehen hat die vor kurzem auf deutschem Gebiete erfolgte Ver haftung des litauischen Nihilisten Pletjchkaiiir erregt, oer bereits durch einen früheren Attentateoersuch auf den litauischen Ministerpräsidenten bekannt geworden war. Diesmal fand man bei Pletschkaitis, der seinerzeit aus Litauen ausgewnsen wurde, Waffen und Sprengstoffe in größeren Mengen, die darauf hindeuten, daß Pletschkaitis einen Anschlag auf den Ministerpräsidenten Woldemars» bei drffen Rückkehr von Genf plante. Die Tatsache, daß die aufgefundcnen Waffen aus polnischem Besitz stammten, hat eine heftige Kontroverse zwischen der litauischen und der polnischen Presse hervorgerufen. Krieg ohne Kriegserklärung im Osten. Die Londoner Time» berichten aus Mulden: Sowjetrußlsnd führt jetzi Krieg gegen China ohne jede Kriegserklärung. Der Vormarsch der Truppen ist auf die Ankunft von Verstärkungen und auf die Organisation der Streitkräfte unter dem Sowjetoberbefehlshaber Blücher (Golens) zu- rückzusühren. Weitere Verstärkungen werden aus Moskau während der kommenden Woche erwartet. Die chinesischen Truppen sind angewiesen worden, sich bis zum äußersten zu verteidigen, aber nicht ins Sowjetgebiet einzudringen. Vertagte Reichsratssitzurig. Die für vorigen Dienslagnachmittag angZetzte Plenarsitzung des Reichs- rales, die sich mit der Arbeitslosenoorlage befassen sollte, ist wieder vertagt worden. Sie wird am nächsten Diens tag um 51/2 Uhr stattfinden; kurz vorher, um 3 Uhr, wernen die Ausschüsse des Reichstags noch einmal zusammen treten. Amerikas Flotten-Skandal. Weit mehr als die Abrüstungsverhandlungen, die man in Amerika nicht so opti mistisch beurteilt wie in England, beschäftigt sich die ame rikanische Öffentlichkeit mit dem Fall Shearer. Verschie dene Interviews, die Shearer der Presse inzwischen gab, verwickeln nicht nur die Stahlindustrie, sondern auch höchste Marine-Osfiziere in die mehr als peinliche Ange legenheit. Shearer behauptet, vertrauliche Daten vom Marineamt erhalten zu haben, und benennt vier Admiräle, die seine Agitation gegen die Abrüstung > nterstützten. Kundgebung gege« Brenuergrenze in Innsbruck. Anläßlich des zehnjährigen Gedenktages der Unterzeich nung des Diktatfriedens von Sankt Germain fand am Dienstagabend in Innsbruck eine Kundgebung der nativ- nalen Verbände statt, auf der der Südtiroler Borkämpfer Dr. Reut-Nicolussi über die Entwicklung der Südtiroler Frage in den letzten zehn Jahren sprach. Er führte unter anderem aus: Je mehr vom europäischen Frieden und seiner Sickerung gesprochen «erde, desto lauter wollen wir von der Ungerechtigkeit der Brennergrenze in Tirol reden. Wir erwarten, daß die österreichische Regierung die Tiroler Frage bei allen Verhandlungen, die zur Neu gestaltung Europas führen, mit Kraft und Zähigkeit zur Aursprache bringen werde. Wir verlangen die Beseiti gung der Brennergrenze. Nach der Rede wurde eine Entschließung angenommen, in der die Wiederherstellung der nationalen Rechte der Südtiroler Brüder verlangt wird.