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Bei wiederholter Auf nahme billiger. — Anzeige« können nur bis Vormittag l 0 Uhr angenommen werden, da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern: Ausgabe: Wochentags Abend» (mit Datum deS nächsten Tage-). — Die Anzeigen finden ohne Preisaufichlag zugleich Ver breitung durch die Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. — Nr. 189. — 12. Jahrgang. Verlags-Anstalt: Alexander Wiede, Chemnitz, Theaterstraße 5. — Dienstag, 16. August 1892. Politische Rundschau. Chemnitz, den 16. August. Deutsches Reich. Vom Kaiferhofe. In besonders festlicher Weise ist am letzten Sonntag am deutschen Kaiserhos« der Geburtstag de- Prinzen Heinrich, Brnder des Kaisers, begangen worden; der Prinz vollendete an diesem Tage sei» 30. Lebensjahr »nd feierte zugleich sein zwanzig jährige- militärisches Doppeljubiläum, da er am 14. August 1872 gleichzeitig in den Mariiiedieust eiutrat und als Sekondeleiilnant in das 1. Garderegiment z. F. eingcreiht wurde. Der preutzifche Finanzminister vr. Miqnöl ist am Sonnabend von Berlin »ach Harzbnrg abgereist, um i» seiner dortigen Villa einen mehrwöchigen Urlaub zu verlebe». Trotzdem auch der UnlerstaalSsekrclär im Finanzministeriiim seit acht Tagen auf Urlaub weilt, nehmen doch die Arbeiten für die Fertigstellung der Steuer reform-Entwürfe ihren Fortgang, da alle wesentliche Grundsätze dafür aufgestellt sind und es nur noch auf die Ausarbeitung der Finanz- technischen Einzelheiten ankommt. Wie verlautet, werden den an sich schon recht umfangreichen Vorlagen sehr eingehende Begründungen beigegeben werde», deren Herstellung allein viele Wochen in Anspruch nehmen dürfle. Von einer Einberufung des SiaatsrathS zur Be gutachtung dieser wichtige» Entwürfe, wovon früher die Rede gewesen war, hat man, wie es heißt, endgiltig abgesehen. — Auch die meisten übrige» Minister haben ihren Sommcrurlaub angeireie». Einen ausführlichen Bericht über die Fahrt des Fürsten Bismarck nach Kolberg bringen die „Hamb. Nachr." Der Bericht bietet kaum etwas Neues bis ans eine Aciißernng, die der Fürst in Treptow getha». Sie lautet in der Fassung dcr„H. N.* wie folgt: Er könne »ach seiner jetzt vollendeten Reise, die ihn durch viele Gegenden Deutschlands und jetzt bis dicht vor die Düne» der Ostsee geführt, wohl sagen, daß vom Fel» z»m Meere, vo» Bayern bis Pommern, dieselbe dankbare Stimmung herrsche über die nationale Einigung, sowohl wegen der inneren Sicherung, wie auch der würdige» Stellung dem Auslände gegenüber, die dadurch erreicht worden sei, und er glaube, daß die Bande, die n»S vereinige», nnzerreißbar ge worden seien; am allerwenigsten strebe die Bevölkerung selbst danach, sie zu stören. Mit erhöhter Stimme wiederholte er: „Ich bin sicher, wir halten fest zusammen, und-bitte Sie, die» fest im Herzen zu be wahren und auch ihren Kinder» zur Lehre einzuprägen, daß der Deutsche, sobald er seine Grcnzpfähle verläßt, an Ansehen verliert, wenn er nicht sagen kann: 60 Millionen meiner Landslenle stehe» geeinigt hinter mir. — Mir bleibt am Abende meines Lebens nur übrig, zu sagen: Hallen wir »nzertreiinli'ch zusammen, vom Fels bis znm Meere.* Das preußische Staatsmknisterinm trat am Sonnabend Vormittag unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Grafen Enlen- burg zusammen. An der Sitzung nah», auch der Neichskanzer Gras Caprivi Thcil. Wie verlautet, haben die Vorschläge des Finanz- „uiiistcrs Di-. Miqnel betreffs der Commnnalstenerrefor», in Preußen die Zustimmung de- Staatsministerinms gefunden. — Der Minister Präsident und Minister des Innern Graf Enlcnburg hat die Geschäfte des letztere» Ressorts bereit» übernommen und ans diesem Anlasse an die Räthe »nd Beamten des Ministeriums eine längere An sprache gehalten. Ei»» Brnstleiden ist die Ursache gewesen, weshalb der sehr tüchtige commandirendc General des II. Armeekorps, von Grolman», seine Entlassung eingcreicht hat. Sei» Nachfolger, Die Namenlose. Von E. M. Brame. Berechtigte Uebersetznng vo» Luise Koch. (1. Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Jedermann nannte mich Ines, die Haushällcri'u, der alte Haus meister, der Obcrgärtner, der Vikar, dessen Frau und Tochter; einen anderen Namen halte ich nicht. Wen» irgend Jemand fragte: »Ines, wie?* Dies geschah häufig, wenn die Leute nach meine», Namen fragten, so vermochte ich nicht zu antworten. „Ines" hieß ich, nichts als „JneS". Der brennendste aller Schmerzen war für «ich, keinen Familiennamen zu habe»; ich war „nr ein Theil des Ortes, a» de», ich inich befand, gerade wie die Gemälde, Statuen »nd Schnitzereien. Neiherucst war eines der schönsten, alten Schlösser Englands. ES lag fast verborgen in eine», prächtigen Laubwalde, aber dem Meere so nahe, daß man dessen Wellenschlag hören konnte. Eduard der Dritte hatte es für seine Gemahlin Philippine erbauen lasse». Zn jener Zeit waren die kleinen Schilfinseln, welche zn», Besitzthum gehörten» vo» Reihern übervölkert gewesen, deshalb hatte die Königin ihm de» Name» „Neiherncst" gegeben. Der Fluß, welcher durch das Besitzthum strömte, erhöhte dessen Schönheit noch um ein Bedeutendes. Das Schloß selbst war groß und malerisch. De», ursprüngliche» Mittelbau waren »ach Oste» und Weste» Seitenflügel angebaut. Vor de», Hause entlang zog sich eine breite Terrasse, von welcher Stufen in den Garten hiuab- führten. Die Schönheit des antiken und der Luxus des modernen Leben« halten sich in diesem edlen Gebäude vereinigt. Außerdem enthielt Neihernest herrliche Meisterwerke der Goldschniiedeknnst, Malerei und Bildhauerei; denn die Drake'S, denen es gehörte waren »»gemein reich. Das Schluß mit seine» gestimmten Ländereien war den Drake's für bedeutende, der Krone geleistete Dienste geschenkt worden »nd halte sich durch eine lange Reihe von Generationen vererbt. Mancher regierende Monarch hatte de» Herren vo» Neihernest schon Titel und Würden angebole», welche sie jedoch stets ausgeschlagen. Sie waren Barone gcwelen und ließen sich daran genügen. Ter Baron Drake, welchem Neihernest zur Zeit gehörte, als ich SS kenne» lernte, hieß Wolfgang — ebenfalls ein Name, den viele der Vorfahre» bereits getragen und auf welchen er sehr stolz war. Gencraladjntant von Willich, übernimmt in diesen Tagen das Commando. Die amtlich bekannt gegebene Berzichtlelstnng ans die Veranstaltung einer Weltausstellung in Berlin ist eine definitive, i» diesem Jahrhundert wird also Deutschland nicht mehr die industriellen Vertreter der Nationen bei sich zu Gaste sehen. Denn, wenn hier und da das Gerücht verbreitet wird, man trage sich mit dem Ge danken, in Hamburg eine Weltausstellung zu errichten, so ist diese Meldung nur mit eine», Lächeln anfzunehmen. A» höhnischen Be merkungen wird es bei »„seren Nachbarn im Westen nicht fehle», es wäre auch wohl besser gewesen, von der Weltausstellung weniger laut zu spreche», so lange der Plan nicht i» festen Beschluß umgesetzt war. Thatsächlich war die Begeisterung mit de», Portemonnaie schwach: Der Berliner Magistrat hatte zehn Millionen zum Garanticsond bewilligt, aber sonst rührte sich Niemand. Wären außerdem „och 15—20 Millionen durch freiwillige Zeichnungen aufgebracht, da»» halte» die Dinge von vornherein ein anderes Gesicht bekommen. Woran scheiterte aber das Project vor Allem? Außerhalb Berlin's hatte mau keine Lust, der Ncichshauptstadt das WeltauSstellungsgeschäft zu gönnen. Das war der Kernpunkt. Wie vie Dinge liege», wir nichts anderes möglich, als die Verzichlleistnng. . ... Zn der neue»» Militärvorlage schreibt die „Post": „Au der uenen Militärvorlage ist der frühere KriegSministcr General von Verdy ganz nnbethcili'gt, sie ist lediglich im jetzigen Allgemeinen Kriegsdcpartemciit, an dessen Spitze eine außerordentlich begabte organisatorische Kraft steht, entstanden. Die Grundideen sind von der maßgebenden Stelle angegeben, von da bis zur Ausarbeitung ins Einzelne ist aber noch ein weiter Weg. Die eigentliche Triebfeder zu de» Reformen erblicken wir in dem jetzige» Reichskanzler, wie er sich auch vor dreivierlel Jahren im Reichstage ausgesprochen hat." Der Postdienst an Sonntagen. Verschiedene Zeitungen hatten berichtet, das seitens mehrerer Handelskammer» an den Reichskanzler gerichtete Gesuche wegen Erweiterung des Postschalter dienstes an den Vormittagen der Sonn» und Festtage, sowie wegen Verlegung der Nachniittags-Schalterstimden auf die Zeit von 12 bis 2 Uhr sei vo», Reichskanzler abschlägig beschieden worden. Die „Nordd. Allg. Ztg." bemerkt hierzu: „Die Nachricht ist unrichtig. Den in der Angelegenheit vorstellig gewordenen Handelskammern ist vielmehr „nr mitgcthcilt worden, daß eine Entscheidung über die Regelung des Sonntagsdienstes bei de» Postanstaltcn erst - dann erfolgen könne, wen» die zur Zeit noch schwebenden Ermittelungen abgeschlossen wären." Der sociatistische Reichstags-Abgeordnete Liebknecht will sich demnächst ans eine Agitationsreise nach Bayer» begebe». ES" wird dann wohl z» einer mündlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und seinen, Gegner Volkmar kommen. Anch eine höhere Bestenernng des BiereS wird jetzt als Mittel zur Deckung der Kosten der neuen Mililärvorlage angc, kündigt. Es bedarf keines weitere» Nachweises, daß eine höhere Be lastnng des Bieres erst recht große Mißstimmung Hervorrufen würde. Das Gute liegt ja auch hier so nahe — die Börse. lieber die Kämpfe, welche nnter Führ,eng des Grafen Schweinitz gegen einen »»ruhigen Arabcryäuptling bei Tabora in Deutsch-Ostafrika stciitgefnnden habe», liegen jetzt genauere Berichte vor» deren Inhalt aber schon meist bekannt ist. Der würdige Araber chef hatte keinen geringere» Plan, als die Deutschen bei Nacht und Nebel zu überfallen und sie dann todtziischlaze». Diese», interessanten Vorhaben kam man durch einen sofortigen siegreichen Angriff zuvor. Von diese», Wolfgang Drake wurde eine Geschichte erzählt. Als junger Man» brachte er eine Saison in London z» und verliebte sich dort bis zur Raserei in eine Schönheit des Hofes, welche als das lieblichste Mädchen Englands galt. Er hatte nicht die geringste Aus sicht, sie zu gewinnen, den» sie war die Tochter eines Herzogs und sehr reich. Aber sie war eine Kokette, so falsch von Herze», wie schön von Angesicht. Der schöne junge Baron, der sie anbelete, bildete eine» sehr hübschen Zuwachs zur Liste ihrer Verehrer. Sie hegte nicht die Absicht, ihn zu heirathen; aber sie erfreute sich des angenehme» Zeitvertreibe», den sein Liebeswerben ihr bereitete. Es machte ihr Vergnügen, des jungen Mannes vor Geninlhsbewegiing bleiche Züge zn sehen, die Nöthe des Zornes oder der Liebe, »ach ihre» Launen, ans seine», Gesicht herborziirufen. Ihn ihre Macht fühlen zn lasse», sei» ehrliches Herz vor Entzücke» klopfen oder in Verzweiflung versinken zn lassen, bereitete ihr eine wahre Lust. Er war der Begünstigte all' ihrer Bewunderer; aber sie dachte niemals daran, ihn zu heirathen. Freilich war sei» Name einer der älteste» des Lande», sein Reicht!;,,»» groß; aber er war trotz alledem nur der einfache La»d- edelmann „nd sie die Tochter eines Herzogs. Sie „ahm seine Huldigungen entgegen, lächelte ihn an, bis ihre Schönheit ihm fast den Verstand verwirrte, trug die Blumen, die er ihr sandte, ließ ihn ihre Hand Halle», bis jeder Nerv vor Wonne in ihm bcble, und tanzte »>it i n», wen» die schmeichelnden Laute der Musik seine Sinne »»ifingen; aber sie dachle niemals daran, ihn z» heirathen. Hätte irgend Jemand ihr so Etwas zngemuthet, so würde sie nur verächtlich die Achsel» gezuckt habe». Als der Tag kam, an welche», Wolfgang Drake ihr Alles, waS er in der Welt besaß, zu Füßen legte, lachte sie ihn ans >,»d gab ihn dem allgemeinen Spotte Preis. Da verließ er London, „>» niemals dorthin zurückzukehren. Er vergrub sich in seine», Schlosse als ein Mann, dessen Leben durch die Liebe zn eine», Weibe für immer verbittert worden war. Dort lebte er mehrere Jahre. Lady Millicent, die Herzogs- lochter, heirathele, »nd die tragische Geschichte von ihre», bald daraus erfolgenden Tode erregte ungemeines Aufsehen. Nicht lange darnach ging Wolfgang Drake »ach dem Anslande und überließ seinen herrliche» Besitz der Obhut von Iran Blenkow, seiner damaligen Haushälterin. Zweimal im Jahre kam Herr Graham, de» Barons Anwalt, nach Neihernest und verblieb dort' Gras Schweinitz, der i», Gefecht eine» Schuß durch die Brust erhielt, ist „,'cht gefährlich verwundet. Oesterreich-Ungarn. In Tibnschin tu Böhmen ist ein Dhnnmlt-Attentat gegen das Hans des Ortsvorstehers verübt worbe»». Zahlreiche Fensterscheibe» des Hauses und benachbarter Gebäude wurden zertrümmert. Verletzt ist Niemand. Der Thäter ist bisher „»ermittelt. — Die Felbnrbeiter in Slavonten habe» während der Ernte die Arbeit eingestellt »nd dadurch einen riesigen Schaden a,»gerichtet, weil die Frucht ans große» Fläche» nicht abgemäht werden kann und in Halme» steht. Wo gemäht wurde, komme» täglich Brände vor, da die Streikenden die Gelreidegarben anzünden. Eine Beilegung des AnsstandeS ist nicht möglich, weil kein Zuzug von answärlS stattsindet. Frankreich. '.'-AU Die Pariser Zeitungen gestehen jetzt ein, daß die französischen Truppen bei der Eröffnung des Kampfes gegen den König Behanzin vo» Dahomey eine Schlappe erlitte» habe». Sie schieben die Schuld aber auf einen treulosen Führer, welcher die Truppen in die Irre geführt hätte. Bis zum Eintreffen europäisches Verstärkungen soll kein größerer Angriff wieder »»ternvmme» werde». — Gladstone's Ministerfchast wird vo» der Pariser Presse fort gesetzt mit sehr sympathische» Kiliidgebungen begrüßt. Man scheint sich von de», alte» Herr» große Dinge zn versprechen. Warten wir ab, was davon in Erfüllung geht. — Der nene französisch» Marinemittister geht gegen die Günstliiigswirthschast in den , CommandoS sehr energisch vor. Man ist gespannt, ob er für die Dauer sehr viel ausrichien wird. — In dem als sehr nttrnhig bekannten Roubaix habe» ernenie Zusammenstöße zwischen So- cialislen und Gendarmen stallgefnnden. — Der monarchistische Abgeordnete Marquis von Bretenil hat sein Mandat nieder gelegt, weil der Papst durch seine bekannte» Kiindgebnngc» zu Gunsten der Republik den Monarchisten sein Vertrauen entzogen habe. Bretenil kau» sich indessen den päpstlichen Anschauungen nicht anschließcn »nd legte darum sein Mandat nieder. . s, ^ Großbritannien. In den ersten Tage» dieser Woche wird Gladstone sich zur Königin Victoria begeben, ,,», ihr dir Liste der Mitglieder der neue», Regierung z»uc UnstrschrKt vorzulege». ES heißt jetzt, der alS dentschfrenndli'ch bekannte Lord^Noseberry werde nicht Minister der Auswärtigen werde», was jener Richtung der Gladstviicancr z„ Gute komme» würde, die zn Frankreich Hinneige». Z» beunruhigen brancht man sich deshalb nicht weiter; die neuen britischen Machthaber werde» bald genug selbst einsehcn, daß sie mit Frankreich »nd Rußland nicht weit kommen werden: Rußland will nach Indien, Frankreich »ach Aegypten, das ist sehr klar. — In Afghanistan, dem letzten eentralasiatischen Grenzlande zwischen England n»d Rußland, wächst der Aufstand gegen de» Emir Abdurrahman tagtäglich. Die Straße zwishen Kabul „nd Herat ist gesperrt, alle englisch-indischen Kanflenle sind ans Nnssisch-Tiirkestai, nnsgewiese». — Bei den großen englischen Manövern habe» die Schiffe „Najade" »nd „Apollo" schwere Havarie erlitten. Mit Mühe und Noth wurden die Schiffe in de» Hafen znrückgebracht. Rußland. Die Cholera ist nn» auch in Petersburg, doch ist die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle vorerst gering. Der Kaiser hat angeordiiet, daß die großen Manöver von Krasnose Selo durch kleinere Ucbnngen ersetzt werden solle», weil die Wege infolge starken eine Woche, während welcher er das Haus von oben bis »ulen in Augenschein nahm, alle» Erforderliche anordnete, die Rechnung«» beglich und für das folgende Halbjahr alle »öthigen Anord' unngcn traf. Gelegentlich, das war jedoch ein seltenes Ereigniß, kam ei» Brief vom Baron an die Hanshälteri»; Niemand erfuhr indcß auch nur das Geringste vo» dem Inhalt desselben. Jahr für Jahr vollzog sich Alles in derselben einförmigen, ruhigen, friedlichen Weise. All mählich erstarb die Erinnerung an de» Baron bei seinen Leute», dann erschien ich auf der Bildfläche — woher, das wußte Niemand in Neihernest und der ganzen Umgegend zu sagen. Später hörte ich, daß an einem schönen Aprilmorgcn ein Brief an Frau Blenkow kam. Nachdem sie denselben gelesen, rief sie die Dienerschaft zusammen und sagte ihr, daß sie gezwungen sei, eine Zeit lang zu verreise», weil eine Freundin von ihr erkrankt sei und ihres Beistandes bedürfe. Die Haushälterin traf alle Anordnungen für die Zeit ihrer Abwesenheit und reiste fort. Als die Jnnirosen in der Blüthe standen, kehrte sie wieder und brachte mich mit. Als ich zuerst meinen Fuß a»f den Bode» von Neihernest setzte, war ich sechs Jahre alt. Fra» Blenkow sprach niemals zu der Dienerschaft über mich. Sie nannte mich Ine», »nd Niemand wußte, ob dies mein eigener Name war oder nicht, ich war eben einfach Jncs. Soweit ich mich zu erinnern weiß, legte Frau Blenkow stets eine große Güte für mich an de» Tag. In der Nachbarstadt, Neiherthal, lebte ein freundlicher, ciufcichcr, alter Mann, der Organist der Pfarrkirche, Herr Michael Holt. Er lehrte mich Musik und die Anfangsgründe des Latein, er macht« mich mit den Schönheiten der vaterländische» Litteratnr bekannt und unterrichtete mich Jahre lang nur aus Liebe zu mir, den» zwei Jahre später, nachdem mich die Haushälterin nach Neihernest gebracht hatte, starb sie plötzlich. Sie hatte im Biblivthckzimmer auf einer kleine» Leiter gestanden, um einige werthvolle Bücher abznstänben, und war tvdt von derselben hinabgefalle». Der herzu» gerufene Arzt erklärte daS plötzliche Ableben als Folge eine- lang jährigen Herzleidens. So verlor ich das einzige Wesen, das etwa- von meincr Vergangenheit, vor meinem Erscheine» in Neihernest wußte. (Fortsetzung folgt.)