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Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträche zu Freiberg und Brandt ZLW. Erscheint jedm Wochentag früh S U.! Inserate werden bi» Nachm. 3 Uhr! für die nächste Nr. angenommen. Freitag, den 28. August Preis vierteljährl. SS Ngr. Inserat« werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit S Pf. berechnet. 1868. -j- Die russischen Ostsee-Provinzen. Rußland hat mit einem Ukas jüngst den Namen Polen selbst aus seiner officiellen Geographie gestrichen; es hat den Gebrauch der polnischen Sprache, getreu der wilden Vernichtungswuth, die es gegen die unglückliche Nation der Polen seit einem Jahrhundert hegt, pur orürs äu moulU zum Verbrechen gestempelt. Polen soll durchaus nur noch russische Provinz sein. Wenn man hier den Eroberer gegen Eroberte wüthen sieht, so versteht man die Nachlust, sei sie auch verdammenswerth. Aber zu gleicher Zeit handelt Rußland fast ebenso gegen die loyalen deutschen Ostsee-Provinzen, denen plötzlich die russische Sprache, wenn auch zunächst nur für den amtlichen Verkehr, aufdecretirt worden ist. Die altrussische Partei, deren Stütze Fürst Gortscha- koff bildet, will die Russificirung schonungslos nach der deutschen und polnischen Seite durchführen, um nicht nur auf diese Weise feste Dämme gegen alle Nationalitätspolitik aufzuführen, sondern auch von hier aus weiter vordringen zu können, gleich dem Marschbauer, der nach jedem neu errichteten Deich dem Meere neuen Boden abzuringen sucht. Die russischen Ostsee-Provinzen haben sich seither, weil sie in ihren alten Rechten und Einrichtungen belassen wurden, unter russischem Scepter wohl gefühlt. Seit anderthalb Hundert Jahren gehören Esthland uno Lievland zu Rußland, Kurland seit 1795. Wie wenig deutsche Vaterlandsliebe auch sonst bei der Be völkerung dieser ehemals deutschen Ordensländer sich zu erkennen gegeben hat, so hing sie doch treu an ihrer Sprache, die für den Bauer esthisch und lettisch, für die Städter und Gebildeten über haupt deutsch war. Und so lange diese ehemals deutschen. Länder zu Rußland gehören, beschwor ihnen jeder Monarch, bis auf den jetzigen, ihr Recht „des Gebrauchs der deutschen Sprache in den Gouvernements- und Stadtkanzeleien, ebenso bei den Gerichten" nicht anzutasten. Dieses Recht steht nicht nur in der Gesetzsamm lung des russischen Reiches, sondern auch im Codex für die Richter verbrieft. „In den Behörden,der Ostsee-Gouvernements" heißt es da, „werden die Geschäfte im Allgemeinen in deutscher Sprache verhandelt, außer in den Bauergemeinden und Gerichten, wo sie in der örtlichen lettischen oder esthischen .Sprache verhandelt werden." Nach 1842 erschien in Gesetzesform eine Verordnung, welche vorschrieb, daß die Gerichtsbehörden in den Ostsee-Provinzen, alle ihre Geschäfte in deutscher Sprache führend, deshalb nicht Gesuche und Schriften, welche aus anderen Gouvernements in russischer oder anderer Sprache an sie gelangen, den Bittstellern zurückgeben können. Solche Schriften würden zwar nach Befinden vom Gericht angenommen, aber auf seine Verfügung eine genaue deutsche Uebersetzung zur weiteren vorschriftsmäßigen Verhandlung der Sache angefertigt. Auch ein Gesetz von 1847 bestellte noch amtliche russische Uebersetzer für die Bevölkerung der Ostsee- Provinzen. Aber nach dem Jahre 1848 wurde es mit einem Male anders, als habe die Revolution in Deutschland Rußland die Duldung der deutschen Sprache -innerhalb seiner Grenzen als eine Gefahr er kennen lassen. Eine Verordnung von 1850 bestimmt, daß auch die Gouvernementsbehörden der Ostsee-Provinzen im amtlichen Verkehr sich der russischen Sprache und Schrift zu bedienen haben und daß von 1858 an nur solche Beamte angestellt werden sollen, die gründliche Kenntnisse der russischen Sprache besitzen. Die stricte Ausführung dieser Verordnung wurde nun im vorigen Jahre noch mals decretirt, weil sich die Provinzen den „Grundsätzen der Reichseinheit" bedingungslos zu unterwerfen haben. Denn der Kaiser beruft sich darauf, daß er, wie sein Vorgänger, die Privi legien der baltischen Lande nur mit dem Vorbehalt beschworen habe: „soweit sie den allgemeinen Institutionen und Gesetzen unseres Reiches entsprechen." Diese Klausel hat nun herhalten müssen, die russische Amtssprache in drei deutschen Ländern einzuführen, deren Bevölkerung sie nie gesprochen und die niemals das Bedürfniß nach einer Aenderung in seiner Spracheinrichtung empfunden hat. Aber was fragt die russische Politik darnach! Tagesgeschichte. Berlin, 25. August. In Koblenz fand vor dem Könige gestern Abend ein Festungsmanöver mit Beleuchtungsversuchen auf der Karthause statt. Heute früh 7 Uhr hat derselbe Koblenz ver lassen, traf Vormittags '/«10 Uhr auf dem Taunusbahnhofe in Frankfurt ein und wurde daselbst von den Spitzen der Behörden empfangen. Der König fuhr zu Wagen nach dem Hanauer Bahn hof und setzte dort um 10 Uhr seine Reise nach Hanau fort, wo selbst die zum Brigadeexerciren zusammengezogenen Regimenter Nr. 82 und 88 besichtigt wurden und dann das feiten der Stadt Hanau angebotene Dejeuner eingenommen ward. Bei der Ankunft in Hanau ist der König enthusiastisch empfangen worden. Der Bürgermeister hielt eine Ansprache, Jungfrauen überreichten Blumen sträuße. Kurz nach 3 Uhr kehrte Se. Majestät von Hanau wieder nach Frankfurt zurück und setzte um 4 Uhr die Reise nach Gotha fort. — Aus Varzin wird gemeldet, daß sich Graf Bismarck, der bereits das Bett verlassen hat, außer Gefahr befindet. Nach dem Ausspruch der Aerzte ist keine Verletzung der inneren oder äußeren Organe durch den gefährlichen Sturz verursacht worden. — Frau Charlotte Birch-Pfeiffer ist am 25. d. M. Mittag- halb 2 Uhr infolge eines Nervenschlags gestorben. — Die „K. Z." schreibt: Der „Hilfsverein, für Ostpreußen" hat seine Thätigkeit noch in keiner Weise abgeschlossen, es sind ihm vielmehr noch dauernd Zusendungen für seine Zwecke übermittelt worden. Der Verein hat in neuester Zeit sein Hauptaugenmerk auf die Sorge für die Thphuswaisen gelenkt und dafür erhebliche Mittel verwendet. Die Erbauung eigener Waisenhäuser ist in Aussicht genommen. In Bezug auf die Anlegung der ziemlich beträchtlichen Summe, welche hier bei einem Bankhause deponirt ist, wollte der Verein zunächst den Ernteertrag abwarten und die erforderlichen Dispositionen der Generalversammlung überlassen, welche im October oder anfangs November einberufen werden soll. München, 25. August. Wie die „Neuesten Depeschen" melden, ist die Nachricht, welche die Verlobung des Königs von Bayern mit der Großfürstin als bereits ganz sicher bezeichnete, jedenfall- als unrichtig anzusehen. — Dasselbe Blatt bezeichnet ein Karlsruher Telegramm, betreffend die süddeutsche Militärcommission, als durchaus unwahr, da es unbegründet sei, daß der 15. September als Termin für die Conferenzen der süddeutschen Kriegsminister festgesetzt sei, und ein Scheitern des Projectes, betreffend die süddeutsche Miltärcommission, bei der gegenwärtigen Sachlage as- unwahrscheinlich angesehen werden müsse.