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Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträche zu Freiberg und Brand. ^181. «rschtint j«dm Wochentag früh 9 U. Inserate werden bi« Nachm. Z Uhr für die nächste Nr. angenommen. Donnerstag, den 6. August V««t« vtarteljährl. W N«r. Inserat« werden die gespaltene Zeue oder deren Raum mit S Pf. »«rechnet. 1868. -i- Was uns frommt. Manch' hartes Wort ist auf dem Wiener Schützenfeste über Norddeutschland gesprochen worden. Wir wollen nicht richten, sondern gern anerkennen, daß Vieles, was schwarz gemalt wurde, auch wirklich schwarz ist. Aber besteht die Aufgabe der Presse darin, in dem Kampfe und Gewirr des täglichen Lebens die lei tenden Grundgedanken, die Zielpunkte dieses Ringens ihren Lesern immer vor Augen zu halten, so wird man uns wohl um so eher gestatten, auf längst bekannte Verhältnisse nochmals zurückzukommen, weil wir uns sagen können, daß unser Blatt immer bestrebt war, ein deutsches Blatt mit deutscher Gesinnung zu sein, bemüht, das Volk mit neuem Glauben an die Ideale der Freiheit und der Einheit unseres Vaterlandes zu erfüllen, in seiner Brust die Saiten erklingen zu lassen, deren Töne in allen Verhältnissen den Trost und die Freude des VolksgemütHS bilden. Große und einschneidende Verhältnisse haben seit dem Jahre 1866 ihren Einfluß auf die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse genommen und jeden Einzelnen mehr oder minder in Unsicherheit versetzt. Die Ideale früherer Zeit sind dahin und eine Wirklichkeit umfängt uns, in der uns zurecht zu finden wir wohl oder übel versuchen müssen. Wir begreifen noch nicht die Folgen, nicht die Zukunft, weil wir inmitten der Gegenwart uns nicht recht hei misch fühlen. Denn — Hand auf's Herz — w» sieht man für den neuen Zustand der Dinge Begeisterung, freudiges Hoffen, be glückendes Empfinden? Wo ist man recht zufrieden und des guten Glaubens voll? Nirgends! Weder in Altpreußen, noch in den neuen Provinzen, weder unter den Liberalen, noch unter den Con- servativen, weder hier, noch dort. Aber andererseits ist doch auch zu bedenken, daß mit dem blosen Verneinen und Bemäkeln, mit dem Grollen und Schmollen, wie es auf dem Wiener Schützenfeste so beredeten Ausdruck sand, nichts Ersprießliches erreicht wird. Damit ruinirt man im Volke die Spannkraft der Empfindungen und führt es zu jener Apathie, zu jenem'Ueberdruß an den öffentlichen Angelegenheiten, die immer unheilvoll für seine Interessen sich erweisen. Als Robinson auf die wüste Insel verschlagen wurde, blieb er nicht im dumpfen Gram am Strande sitzen und verhungerte, sondern er nahm die Dinge, wie sie waren, und richtete sich mit seinen Interessen am Leben so gut ein, als es eben ging. Und am Ende sind wir in den Verhältnissen, die uns beherrschen, noch lange nicht so schlimm daran, wie Robinson. Nehmen wir also die Dinge, wie sie sind, und trachten wir darnach, inmitten derselben die ewig giltigen und bleibenden In« teressen des deutschen Volkes zur Bedeutung zu bringen. Wenn das deutsche Volk nicht selbst für seine Interessen sich erwärmt, einsteht und kämpft — wer soll's dann thun? Und diese Interessen können auch im Norddeutschen Bunde zur Geltung gebracht werden wenn wir uns ihrer nur erst klar bewußt sind und unverrückt an ihnen sesthalten. Welches sind nun die deutschen allgemeinen BolkSinteressen? Eine Auflösung der jetzigen Verhältnisse, weil sie so wenig befriedig en und begeistern, chie Zertrümmerung de- Norddeutschen Bundes, wie Freese und Genossen eS wollen — die kann e- nicht sein. Denn wissen wir, was an Stelle des jetzt Bestehenden kommen würde? Nein! Interessen sind aber nicht auf bloss Zerstörung, auf blauen Dunst, auf chaotisches Nichts zu begründen, sondern auf die Wirklichkeit, auf die Dinge, die da sind, und die, weil sie sind, auch wachsen und sich entwickeln lassen. Unsere In teressen können folglich nur solche sein, die vor der Hand dm Norddeutschen Bund nehmen, wie er ist, und die aus ihm zu machen suchen, was da geht und was unser Wohl in Zukunst ausmachen kann. Das Volk hat diese Umgestaltung Deutschlands allerdings nicht gemacht; sie ist ihm durch die Macht, durch Blut und Eisen auferlegt worden. Aber da die norddeutsche Verfassung nun einmal unter Theilnahme und Zustimmung unserer Abgeord neten ihre rechtliche Basis durch den ersten Reichstag gefunden, so muß dieselbe als legitimer Ansdruck des befragten VolkSwiyenS auch rückhaltslos anerkannt werden. Dem Volke bleibt eS über lassen, durch seine Vertreter zu verbessern, was ihm nicht gefällt, abzuändern, was abzuändern geht. Also nicht die Hände in den Schooß legen, nicht in müde Thatlosigkeit, in Resignation und geistesarmen Jammer verfallen, — sondern guten Muth, frische Kraft und klares Wollen! Nicht versinken in den Schlamm materialistischer Sorgen, sondern sich aufraffen zu Glauben und Hoffen, zu neuen Idealen, die un- an feuern, den Kampf um des deutschen Volkes höchste Güter wieder aufzunehmen. Die Macht des Volkes sind seine Ideen, und diese Ideen triumphiren schließlich doch über Diplomaten und Soldaten. Ist der Anfang der deutschen Einheit wider des deutschen Volkes Willen und Erwarten ausgefallen, so kann doch das Ende de- WerkeS diesen Willen noch zum Ausdruck bringen; ja soll es über haupt ein Werk von Dauer sein, so muß die Einheit Deutschland- nach dem Willen des Volkes zu Stande gebracht werden. Der Wille des deutschen Volkes betrachtet aber ein Deutsch land, in zwei oder drei Theile getheilt, nicht als da« Ideal deS wiedergeborenen Vaterlandes, ebensowenig ein Deutschland, welche- nur Militär- und Steuerbund ist. Wir haben weder Beruf noch Macht, kurzweg zu decretiren, wie und wann diese Umwandlung des jetzigen Werkes erfolgen soll; nur dafür haben wir zunächst zu sorgen, freie Institutionen und deren Garantien im Norddeutschen Bunde zu fordern und zur Erreichung derselben unsere Kräfte aufzubieten. Dieß wird der volksthümliche Weg zum Anschluß Süddeutschlands sein. Sin starkes, kraftvolls, mit der wirklichen Majestät der Nation beklei detes Parlament als gesetzgebende Macht neben der Exemtion der deutschen Fürsten wird auch den Dualismus zwischen Oesterreich, welches wir von Deutschland nicht fahren lassen wollen, und Preußen, welches sich als die einigende Macht erwiese» hat, wir kungslos machen. Kann man auch vorerst an die Aufnahme Oester reichs noch nicht denken, so läßt ihm doch die deutsche Nation seinen Platz offen und verlangt, daß die Deutschen in Oesterreich ihr wieder eingereiht werden, mit ihr in demselben Hause wohnen. Wer Herr dieses Hauses ist, darüber darf kein Streit mehr zwischen Preußen und Oesterreich ausbrechen. Herr muß da- deutsche Voll sein durch das gesetzgebende Parlament, und die Repräsentation dH