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1302 Preuße« und. OestekrM im Bunde stehen, al« wenn eine der Großmächte aus dem Bunde schiede, um der andern Platz zu machen. „Aber", heißt eS dann weiter, „eS geschieht mit Unrecht, wenn man stets nur den durch die beiden Großmächte hervorge- brachtest Dualismus anklagt, das Zustandekommen der Centralge walt zu hindern. Dasselbe Hinderniß bieten die SouveränetätSrechte der übrigen deutschen Staaten, und eS wäre thöriM z» bHauHten, daß wir die Schwierigkeit überwunden haben würden, wenn z. B. Oesterreich aus dem Bunde schiede. Denn wir würden in demselben Augenblick sehen, wie sich eine enge und entschlossene Coalition der übrigen Staaten bilden würbe, um Prenßen das Gegengewicht zu halten. Das Gleiche würde der Fall sein, wenn Oesterreich ohne das Gegengewicht Preußens im Bunde stände. Und so ist auch die Behauptung, daß der Dualismus der Einheit Deutschlands Abbruch thue, durchaus kurzsichtig. Dieser Dualismus ist eher ein nothwendiges Glied der Kelte, um Deutschland vor dem gänzlichen AuSeinanderfaklen zu bewahren, einer Kette, die dann nur durch das Schwert zusammengesckmiedct werden könnte und bei welcher dem Auslande wiederum ein Theil deutschen Landes zufallcn würde." Die Wiener „Presse" folgert aus diesem Artikel: „Hiernach also scheint eS die Meinung der „Nordd. Allg. Ztg." zu sein, daß Oesterreich und Preußen sich miteinander über eine Thcilung Deutschlands verständigen, so daß Preußen der Hegemon des Nor dens und Oesterreich jener des Südens würde. Sollte der hier erwähnte osficiöfe Artikel der Schatten sein, den die in Berlin in Vorbereitung begriffenen Vorschläge in der deutschen Frage vor sich herwerfen?" — Die „Nordd. Allg. Ztg." bläst, gleich.dem Wiener „Bot schafter", in die Trompete für Schleswig-Holstein: „Nichts „würde Deutschland gelegener kommen können, als eine Allianz zwischen Schweden und Dänemark. Der Charactcr deS König- vvD Dänemark als Glied des deutschen Bundes würde dann sofort verschwinden, und der Krieg einen internationalen Character annehmen, und das internationale Expropriationsverfahren in sein vollgiltiges Recht treten. Der Ucbermuth, mit welchem diese beiden scandinavischen Mächte auf ihre Flotte zu bauen scheinen, erscheint uns bei einer kräftigen Anstrengung des deutschen Bundes sehr unzeitig. Bei den heutigen Veränderungen im Schiffbau gehört eben nur Geld und eine Zeit von wenigen Monaten dazu, um vor Kopenhagen, resp. auch vor Stockholm, mit einer Flotte zu erscheinen, welche den Uebcrmnth der scandinavischen Mächte zu zügeln hinreichend wäre. An Geld fehlt eS aber in Deutschland nicht, und auf ein Paar Monate Zeit kommt cs wohl auch nicht gn, nachdem wir so lange gewartet haben." Wien, 3. September. Die ofsiciöse „Wiener Abendpost" stellt über die politische Lage Betrachtungen an, denen wir Folgendes entnehmen: „In der Beurtheilung der gegenwärtigen politischen Situation > zeigt sich abermals das unsichere Herumtasten, das Suchen nach Anhaltspunkten, wie sie uns seit dem Auftauchcn der polnischen Frage schon zu wiederholten Malen entgegengetrcten sind. Jeder mann sieht, daß die Situation verändert ist, und erörtert die Chancen neuer politischer Constellationcn. Vor Allem sind die französischen Blätter geschäftige Vermittler solcher Combinationen, denen bekanntlich im wesentlichen die VorauSsetzuug einer rusflsch- französtsch-preußischm Annäherung zu Grunde liegt. Daß diese Combinationen mit der Ehre deutschen. Namens nicht sehr sorgsam umgehen, liegt auf der Hand. Hat man doch die Ankunft deS Fürsten von Hohenzollern in Lhalons und Paris in einem Sinne gedeutet, Len eben die preußische Regierungspolitik auf das Ent schiedenste zurückweiscn müßte. Hoffentlich wird indcß die Frage Ler deutschen Reform, soweit die Ansichten über ihre Zweckmäßigkeit und ihre eigentliche Aufgabe auseinandergehen mögen, nicht einmal äußerlich die Motivirung von Voraussetzungen dauernd abgcben können, die, wie die „A. A. Z." treffend bemerkt, „Deutschland eben so tief wieder hcrabsetzen, als die Frankfurter Tage cs ge hoben haben." Koburg, 6. Sept. Die „Koburger Ztg." will das deutsche Reformwerk, wie es jetzt in Frankfurt vereinbart worden, als ein freiwilliges und friedliches Kompromiß angesehen und bcurthcilt wisse», und beantwortet die Fragen: „Ob das Werk einen wirklichen Fortschritt gegen die bisherige Bundesverfassung biete?" und: „Ob «S von der deutschen Nation in ihren Ständckammcrn angenommen werden könne?" entschieden mit Ja, die weitere Frage: „Ob die sogenannte kleindcutsche Partei die von ihr gewünschte Zukunft Preußens in Deutschland dadurch für gefährdet halten könne, entschieden mit Nein. Bezüglich der Annahme durch Preußen deutet der augenscheinlich von höchster Stelle inspirirte Artikel auf die zu erwartende» weitern Vereinbarungen mit der Krone Preußen hin. 2^. Eisenach, 4. September. Hiesige Bürger beabsichtigten he« von Frankfurt hi« eingctroffenen Großherzoge zum Zeichen der Anerkennung deS Reformwerke« einen FaSelzug am heutigen Abend zu bringen. Der Großherzog hat jedoch für den beabsichtigten Zug gedankt und es heißt in dem betreffenden Briefe unter Anderm: „Selbst in dem vvn uns Allen gewiß heißersehnten Falle, daß die FrankfurtAc Cynfercnz für unser weitere« wie engeres Vaterland ein erfreuliches Resultat hcrbeiführen sollte, muß die Festfreude jetzt al« eine durchaus verfrühte bezeichnet werden." Bremerhaven, 3. Sept. Es hatte sich ein Anker der ehe" maligen deutschen Flotte zwischen altes Eisenzeug verirrt und sollte kürzlich für Rechnung der Hufencoinmisston mit verauctionirt werde«. Seine Bedeutung wurde indeß noch rechtzeitig erkannt und Mer beschlossen, ihn „einzurichen" und als Andenken an eine glorreiche Vergangenheit im Hafenhause aufzubewahren. Er ist das letzte Ucberbleibsel der „verhannibalstscherten" deutschen Flotte, einst Rcttungö-, jetzt nur noch HoffnungS- und ErinnerungS-Anker. Bern, 4. Sept. Der „Bund" macht folgende Mitthcilungen: „Der Bundesrath hat beschlossen, bei der römischen Regierung neuerdings darauf zu bringen, daß sie den ehemals in ihren Dienste« gestandenen Schweizer Militärs den rückständigen Sold re. bezahle. Der schweizerische Generalconsul in Rom ist mit dicscr Angelegen heit betraut, und man gicbt sich der Hoffnung hin, eS möchte doch noch gelingen, die Negierung des heiligen Stuhls zu emer Hand lung zu bewegen, welche so dringend vom Recht und von der Humanität geboten ist. Pttcröbnrg, 3. Sept. Da» „Journal de St. Petersbourg" meldet: Ein kaiserlicher Ukas vom 12. August verordnet, b«ß die Bauern der Ukräne vom 13. September an Eigenthümer werde» und die LoSkaussumme an den Staal zu zahlen haben. Polen. Warschau, 2. Sept. (Osts. Z.) Seit meinem letzten Brief« sind schon wieder vier politische Morde (vielleicht noch mehr, von denen ich nichts erfuhr) vorgekommen. . Ein Verdacht oder eine Privatfeindschaft reicht hier hin, um in den revolutionäre« Blätter» gebrandmarkt oder auch ohne Urtheil und Recht auf öffentlicher Straße gemordet zu. werden. Wer z. B. die ihm revotulionärcr- seitS aufgelegten Abgaben nicht entrichtet oder ins Ausland geht, ohne einen revolutionären Paß genommen zn haben, über de« wird in den revolutionären Blättern die Acht ausgesprochen, und Allen verboten, wenn er ein Gewerbtreibcnder ist, mit ihm im Verkehr zu bleiben oder etwas von ihm zu kaufen. Erst gestern brachte« die revolutionären Blätter mehrere solche Achterklärungen, unter andern über den hiesigen Destillateur Fuchs, der ins Ausland ge reist ist; er wird sich, um sich in den Augen der Revolution zu rehabilitiren, mit bedeutenden Geldsummen loökanfen müssen. Hat doch die „Nationalregicrung" jetzt auch den „Dziennik Powsczcchny" verboten, das amtliche Organ der russischen Negierung! Alle Leser, Distributcurs, Nedacteurö, Mitarbeiter, Drucker u. s. w. sind in die Acht gethan, und obgleich dieses officielle Blatt noch erscheint, so wollen es doch die Abonnenten nicht lesen und die Distributeur» nicht abnehme». — Sequeslrirt! ist das LieblingLwort Murawieffö in Litthauen. Bereits sind 396 Personen ihre Güter wcggcnommen worden, 100 Personen „wegen Aufruhr« mit bewaffneter Hand", 22 „wegen Theilnahme nm Aufstande", 37 „wegen Verdachts, den Aufstand begünstigt zu haben", 17, „weil ein Sohn der Familie zu de» Insurgenten gegangen ist", 10, „weil sie ohne Erlaubniß ihr Hau» verlassen", 9, „weil die Regierung nicht weiß, was aus ihnen ge worden," 12, „weil sie den Bauern Manifeste vorgcleseu", 3, „weil sie Effecten von Insurgenten (z. B. einen Schnürrock) aus- bewahrt habenz" 1, „weil der Hauslehrer zu den Insurgenten gegangen", 1 Frau, „weil sie Weißzeug für die Insurgenten ge näht", 1 Vater, „weil er seinem Sohne, al« er zu den Insurgenten gehen wollte, seinen Segen ertheilte." Dem reichen Gutsbesitzer A. Zcleski wurden die Güter genommen, „weil er Böses im Schilde führte und verdächtig ist" u. s. w. u. s. w. Preußen und die Bundesreform. Armes Deutschland! Wird denn die Stunde deiner Einigung und Erhebung niemals schlagen? Abermals wird, wenn nicht Zeichen und Wunder geschehen oder mindestens eine jetzt gar nicht abzu- sehende bedeutungsvolle Personalvcränderung an der Spree eintritt, die vor Kurzem noch scheinbar in so naher Aussicht stehende Einigung deiner Fürsten und Völker, die Reform des Bundes, die Errich tung einer Centralgewalt und eines deutschen Parlament« scheitern. Und wer wird Schuld an diesem abermaligen Fehlschlägen sein? Preußen und nur Preuße» allein mit seinem engherzigen Parti-