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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 21.05.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188505211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18850521
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18850521
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-05
- Tag 1885-05-21
-
Monat
1885-05
-
Jahr
1885
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 21.05.1885
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KMkrhÄtmgs-WM M ..Äheinmher Anzeigen. Nr. 7». — Donnerstag, 21. Mat. Berlagt-Expeditio«: Alexander Wiede, B»chdr«S«rei, Chemnitz, Theaterstraßc 48 (ehemalige- Bezirksgericht, gegenüber dem Kasino). 1885. — 5. Jahrgang. Das Schloß im Walde. Novelle von K. Pflaume. (Fortsetzung). (Nachdruck verboten ) „Ich hätte nie geglaubt, über ein solches Unterkommen so froh sein zu können, wie ich es bin," sagte Adelheid, als sie sich im Jnnern des kleinen Raumes umsah und sich auf der rings herum angebrachten Bank niederließ, die Günther für sie abgestäubt hatte. „Ein Palast ist cS freilich nicht," bemerkte Günther, „aber seinem Style nach jedenfalls weit älter, als daS älteste aller noch vorhandenen Ritterschlösser." Adelheid sah ihn fragend an. Günther fuhr fort: „Ich meine, daß es eines der ältesten Bauwerke ist, welche der Mensch überhaupt zu errichten lernte. Wie einfach und praktisch! Eine Anzahl starker Stangen werden im Kreise dicht aneinander in die Erde gestoßen, oben in der Weise zusammengebunden, daß ihre Enden noch ein paar Fuß darüber hinauSrageu. Dann belegt man die Seiten, wie oben dies« aufragenden Enden, mit Rasenstücken, und bildet aus diese Weise Wand und Dach deS Gebäudes. Mau läßt nur die Gegend frei, wo die Stangen zusammengebunden find; sie ist durch das Rasendach wie durch einen Schirm vor dem Eindringen deS Regens geschützt, dient aber bei Verschluß der Thür als Luftloch und, wird im Jnnern Feuer angezündet, zum Abzug für den Rauch. DaS Ganze ist in seiner Einfachheit sinnreich genug erdacht und ähnelt in der äußeren Form dem Zelte unserer Ureltern, als sie noch in Hochasien ihre Heerden weideten." „Jedenfalls schützt es sehr gut gegen Regen und Wind!" er- wiederte Adelheid, indem sie sich behaglich nochmals umsah und dann über Mentor hinweg, der in der Thüröffnung lag, in den strömenden Regen hinaus sah. „Was hat der Hund?" fragte Günther, als dieser sich knurrend aufrichtete. „Wir bekommen noch Besuch," fuhren hiuausblickend fort, „halten Sie Mentor zurück!" Der Eingang verdunkelte sich durch eine hereintretende dunkle Gestalt und eine harte, unweibliche Stimme sagte nach einer kleinen Pause: „Guten Tag, ihr Herrschaften; kann man bei dem greulichen Wetter hier mit unterkriechen?" „Immer herein, Alte," antwortete Günther, „bleibt nicht in der Thür stehen; immer herein und willkommen!" „Bietet mir die junge Dame auch Willkommen?" fragte die Alte. „Nur näher, liebe Frau!" sagte Adelheid, welche de» Neufund länder am Halsbande hielt. „Nein, nein," sprach nun diese, „ich bin mit diesem Plätzchen an der Thür zufrieden, triefe ja auch von Regen, der kann hier ab laufen. Aber ich glaube gar, die Herrschaften haben auch Kräuter gesucht?" Sie blickte verwundert auf ein Bündel Pflanzen hin, welches neben der Botanisirtrommel lag Günther erwiederte: „Allerdings; ist das auch Ihr Geschäft?" Die Frau nickte und zeigte auf ihren reichlich mit den Resultaten ihres SammelfleißeS angesüllten Korb. Nach einigem Schweigen nahm sie wieder das Wort: „Das thup Sie doch nur zum Plaisir?" „Nicht ganz. Es ist uns aller Ernst damit." „Handeln Sie damit?" „Beruhigen Sie sich!" rief Günther lachend, „wir fallen Ihnen nicht ins Handwerk! Wir wollen Pflanzen nur kennen! Kennen Sie sie denn?" i Ein geisterhaftes Lächeln huschte über die steinernen Gesichtszüge der Alten: „Ob ich sie kenne? Habe ich doch von Kindheit an fast nichts anderes gethan, als sie zu kennen? Ist es nicht weit und breit be kannt, daß Dore Hartmann in Fällen geholfen hat, wo schon Alles verloren gegeben war? Sind Sie ein Doktor?" „Ja, aber kein medizinischer." Die Alte sah ihn mißtrauisch an: „Sie sehen aber so aus, was denu sür Einer?" „Ein philosophischer, es giebt eben verschiedene Sorten. So Einer wie ich macht keine Kuren, zeigt es also auch nicht an, wenn Sie welche machen!" - Die Alte nickte einige Male wie eine Porzellanfigur mit be weglichem Kopfe. „Glauben Sie," sagte sie eintönig, „die Doktoren verstehen auch Nichts. Sie verstehen noch nicht einmal so viel wie unsereins!" „Was haben Sie denn gesammelt?" fragte Günther, neugierig in den Korb der Alten blickend. „Frauenmäntelchen, Fingerhut, Judenkirsche, Jesushand und Krauseminze, waS die Jahreszeit bringt." Adelheit war aus dem Hintergründe hervorgetreten, um die bündelweise zusammengebuudenen Pflanzen bester sehen zu können, welche die Alte aus dem Korbe hervorhob, um sie zu zeigen. Diese sah ihr jetzt scharf in die Augen. Ihre Stirn verfinsterte sich. Sie murmelte etwas Unverständliches und sagte alsdann laut mit schneidender Stimme: „Die Züge kenne ich, Du kannst es nicht verläugnen, Du stammst von der Finsterburg l" Adelheid prallte vor diesen unfreundlichen Worten zurück und starrte das Weib erschrocken an. „Was soll das, Frau?" fragte Günther, ebenfalls bestürzt. „O, ich kenne sie," sprach diese, „es ist ein grausames Geschlecht und hat schon mehr Unheil in der Welt angerichtet, als jemals wieder gut gemacht werden kann!" „DaS könnt Ihr doch von meinem Oheim, dem Baron von Finsterburg, nicht sagen?" nahm Adelheid das Wort, indem sie eine Festigkeit zu behaupten versuchte, die sie weit entfernt war zu besitzen. Ihre Zaghaftigkeit klang vielmehr deutlich im Tone ihrer Stimme durch. „Nicht?" rief die Sibylle hohnlacheud, „Ihr kennt ihn nicht bester, den Mann mit der Verbrecherseele? Nein, Ihr wißt nicht, was er gethan hat, soll ich es Euch sagen?" „Haltet inne, Frau, und schont diese Dame, der Ihr doch auf alle Fälle mit Euren unsinnigen Beschuldigungen keine Schuld bei- mesten könnt!" Günther trat bei diesen Worten wie zum Schutze vor Adelheid und fuhr fort: „Ihr scheint einen furchtbaren Haß gegen den Baron zu hegen; hütet Euch, daß Ihr nicht zur Rechenschaft gezogen werdet! Ihr in Eurer Hülfsbedürftigkeit hättet doch Wohl weit mehr Ursache, schonend und milde zu sprechen, statt Vorwürfe über vielleicht unbe deutende Dinge zu äußern, die sicher längst wieder gut gemacht wurden." Die Alte lachte grell auf, ein Lachen, welches den Hörern eisig durch das Herz drang. „Hülfsbedürftig?" schrie sie in wilder Leidenschaft, „ja hülfs- bedürftig I und wenn Dore Hartmann kein anderes Obdach hätte als den Regen und keinen anderen Mantel als den Wind, so würde sie von der Gnade dieses Barons Nichts annehmen, nicht so viel! — Zur Rechenschaft ziehen? Darauf warte ich schon lauge! Ja er muß zur Rechenschaft gezogen werden, die Rache schläft nicht, und wenn es einen Gott im Himmel giebt, wird ihm auch sein Recht werden! Dies mit erhobener fast feierlicher Stimme gesprochen, ver fehlte seinen Eindruck weder auf Adelheid noch Günther. Der Letztere bemühet« sich jedoch, denselben abzuschwächen, indem er Adelheid zu flüsterte: „Es ist ein wahnsinniges Gerede; beruhigen Sie sich!" Das scharfe Gehör der Alten fing indessen diese Worte auf. Sie wurde Plötzlich ruhig und die Stimme klang gegen vorhin fast milde: „Ich bin nicht irrsinnig. Ihr wißt «ur Nichts! und ich kann Euch noch nicht Alles sagen, aber die Zeit kommt, wo Alles offenbar wird. Und wenn der Teufel noch so reich und angesehen ist, Bott läßt ihm daS Spiel nicht für immer. Denkt an mich, da ist kein Handeln und Schachern, was kommen soll, das kommt!" Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, so verschwand ihre dunkele Gestalt aus der Thüröffnung, obgleich der Regen noch immer, wenn auch nicht mit der anfänglichen Heftigkeit fortdauerte. Günther blickte ihr nach und sah sie bald hinter dichtem Gebüsche verschwinden. Er wandte sich zu Adelheid, die sich bleich und angegriffen wieder auf ihrem Sitze niedergelassen hatte. „Lassen Sie sich die Reden dieser Frau nicht so uahe gehen," sagte er freundlich „cs hat ein Jeder seine Feinde und wer weiß, durch welch' ein Mißverständniß oder unglückliches Ungefähr jener Haß entstanden sein mag!" Er war nahe an sie herangetreten; sie blickte ihn an: „Sie meinen es gut, aber welch' ein Haß! Man ist recht unglücklich, wenn man sich oder die Seinigen so gehaßt sieht." Sie sagte dies aus einem Gefühle gänzlicher Verlassenheit heraus, welches sie überkommen hatte. Ihr Glaube an ihren Oheim war doch erschüttert worden, was sie freilich um keinen Preis eingestehen mochte. Schon mehrmals hatte sein periodisch eintretendes düsteres Wesen argwöhnische Gedanken io ihr aussteigen lasten, die sie zwar stets im Entstehen unterdrückte, die aber durch die Reden dieses Kräu terweiber mit neuer Stärke erwachten. „Ich muß Gewißheit haben," sagte sie entschlossen, nachdem sie sich gesammelt hatte, „kann ich auf Ihren Beistand rechnen, das heißt darauf, daß Sie mir eine Unterredung mit dieser schrecklichen Frau verschaffen?' „Sie können fest auf mich zählen." „Es hat aufgehört zu regnen, wir wollen uns beeilen sheimzu- kehre«. Glauben Sie, daß Geld die Frau zum Reden bringen wird?" „Geld bewirkt freilich bei Bedürftigen oft Vieles, aber wie mir der Charakter dieses Weibes erschien, so möchte eS wohl ander- an gefangen werden müssen, auf sie einzuwirken." „Ich muß mit ihr sprechen um jeden Preis; helfen Sie mir dazu! Vielleicht gelingt es mir, diesen Haß zu versöhnen! Welch' ein Abgrund!" 7. Der Baron befand sich in seinem Arbeitszimmer und hörte einen Vortrag deS Rentmeisters an. Wir haben diesen Letzteren nun schon einigermaßen kennen gelernt. Hier nun entwickelte er eine unendliche Schmiegsamkeit, die ihm immer gegen einen fremden Willen zu Ge bote stand, wenn er diesen zu seinem Vortheile zu benutzen gedachte. Hinter all diesem gelenken Wesen lauerte als Gruudton seine- Cha rakters einzig und allein der feste Wille, um jeden Preis sein Glück zu machen, Sein abwechselnd bewegliches und aus der Lauer liegende-Augen« paar verlieh seinen sonst unbedeutsamen Gefichtszügen jetzt einen Aus druck höfischer Schlauheit, indem er dem Baron ein Schriftstück über reichte, aus welchem er diesem soeben das Wichtigste mitgetheilt hatte. Der Letztere sagte: „Aber das ist ja sehr lamentabel; kann doch nicht denken, daß die Sache so schlimm ist, wie sie hier dargestellt wird." „Nicht im Geringsten. Der Wildstand ist ja so unbedeutend. Wenn einmal ein Paar Thiere heraustreten, so wird ein Lärm ge- chlagen, als ob die Welt uuterginge. Wär'S das nicht, wär'S WaS anderes. Der Herr Amtmann Schneegans ist ein Quemlant, der nach Ursachen sucht, um Lärm machen zu können. Lärmt er doch oft mit seinen Leuten aus keiner anderen Ursache, das ist allgemein be kannt !" „Und nun will er es auch mit mir so machen? Da wollen wir chm denn doch den Unterschied klar legen. Schreibe» Sie ihm, daß auf sein Gesuch, das Feld durch ein Gatter eiazuhegen, keine Rücksicht genommen werden könne." „Sehr wohl. — Soll ich vielleicht noch beifügen, daß er hier mit auf seinen Kontrakt verwiesen werde, in welchem expreß geschrieben teht, daß er für Wildschäden keine Euschädigung zu fordern hat?" »Ja, fügen Sie dar noch bei, und damit Punktum." Der Rentmeister verbeugte sich und schrieb. Nach einer Weile überreichte er das Geschriebene seinem Herrn, der es prüfend durchflog und unterschrieb. Das Schreiben wurde dem Oekonomiepächter zugestellt und ver ursachte diesem einen großen Aerger. „Also ich darf kein Gatter machen lasten und auch keine Ent schädigung für Wildschaden verlangen!" sagte Amtmann Schneegans zu seiner Frau. „Es ist wahr, daS Letztere steht im Kontrakte. Es steht da, aber aus einer Zeit, als der Wildstand ein geringer, der verursachte Schaden also ein unbedeutender war. Seit mehreren Jahren wird aber, wie Jedermann weiß, das Wild über alle Maße« geschont, hat sich ungeheuer vermehrt und thut in Folge besten un glaublichen Schaden. Seine Wildrudrl fressen mir buchstäblich die Ernte vom Acker hinweg und ich darf nichts dagegen thu», nicht ein mal auf meine Kosten das Feld einzäunen, denn es steht geschrieben, daß ich keinen Ersatz für Wildschaden zu fordern habe. Das wird so ausgelegt, das Wild habe gleichsam ein Recht, sich an meinen Feldfrüchten satt und fett zu fressen. Das arme Wild muß doch eine Erholung und gedeckte Tafel finden. Mich können sie arm mache», denn wenn der Termin kommt, muß ich nach wie vor meine Pacht bezahlen. Woher ich sie nehme, ist meine Sache; es ist himmel schreiend!" Seine Frau suchte ihn zu beruhigen, aber die einzige Antwort auf ihre Trostgründe war: „Wollte Gott, ich wAe von ihm los, hätte mich nie mit ihm eingelassen! Er ist noch der mittelalterliche Faustrechlsritter und achtet nichts so hoch als seine Willkür." Der Amtm nn nahm bei diesen Worten ein Aktenstück aus seinem Schranke und blätterte darin. Es war sein Kontrakt, den er bei dieser Gelegenheit einer abermaligen Prüfung unterwarf. „Es mag kleinlich scheinen," murmelte er, „aber einem solchen Verfahren gegenüber ist es wenigstens eine Lehre." Um die Mittagszeit des anderen Tages gab sich in den Küchen räumen des Schlöffe- eine große Bewegung kund. Die alte, dort das Regiment führende Kochmamsell, Mamsell Meerrettig, ließ ihr« Stimme laut erschallen, zum Zeichen, daß in den unteren Regionen nicht Alles so beschaffen war, wie eS hätte sein können. Drang doch der Lärm aus dem Souterrain in den Schloßhof hinaus und berührt« selbst die Nerven der großen Hofhunde und Saupacker so unangenehm, daß sie sich aufrecht niedersetzten, die großen Schnauzen in die Lust Dresdner Bilder. Bon Oskar Grellmann. Dresden, Mitte Mai. So ideal trotz trübster Erfahrungen mit dem bekannten Börne'schen „grünangestrichenen Winter" der „Wonnemonat" auch immer besungen worden sein mag, dies Jahr ist er wahrlich nicht geeignet, ein über strömendes Dichterherz zu einer Lobeshymne aus sich zu entflammen, und daS herrliche Uhland'sche „Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag!" hat diesmal nur in seiner letzten Strophe einige Berechtigung. Das vagabondenhafte allbekannte «Mailüsterl" strich Einem aus Nordost so energisch kalt unter die Nase, daß man ganz gut von dem Rheuma als der diesjährigen „Mode"krankheit sprechen kann, und bei dem Anblick der Badehäuschen auf der Elbe, welche bereits die Saison eröffnet haben, konnte man recht gut „das Gruseln lernen"; den Herren Maikäfern, welche sich gewöhnlich in diesem Wonnemonat sehr wonniglich mausig machen, waren die Beine steif gefroren. Trotzdem wird cs nicht lange mehr dauern, und eine Börse, welcher man gewiß nicht das Prädikat eines „Giftbaums" beilegen Wird, die Erdbeerbörse, wird in der Lüßvitz eröffnet werden. Dann wird man die süßen Früchtchen, deren herrliches Aroma sogar der Stolz unserer Gegend ist, welche an der Erde reifen, zum „Steigen" bringen. Doch ist hier der Unterschied zu bemerken, daß man hier mehr freundliche Gesichter sieht, wenn die „Kurse" fallen, als wenn bei der Börse mit Wcrthpapieren ein Gleiches eintritt. Doch muß die liebe Sonne nun bald ihr Möglichstes thun, wenn wir in diesem Monat noch eine Erdbecrbowle trinken wollen. Der 1. Mai führte sich sonst gar nicht schlecht ein; noch ist die alte Walpurgis - Sitte nicht ausgestorben, daß auf den Berge» und Anhöhen der Sächsischen Schweiz die Höhenfeuer angezündet werden, um einer alten Sage nach die Hexen zu vertreiben. Auch hier in Dresden hatte man den 1. Mai dazu benutzt, die „Hexen" zu zitiren. Es waren liebliche Gestalten, mit Blumen geschmückt; und sie kamen auch mit lachenden Mienen und strahlenden Gesichtern auf schnaube» den Rosten, in schwarzen Sammet gekleidet, mit rother Feder, so schön und jung, zu Roß und zu Wagen, in prachtvollen Kostümen, die wohl im Stande sein mochten, das Herz zu berücken und den Verstand zu „behexen". Drei Militärmusikchöre waren dazu aus- ersehen, sie alle herbeizublasen, und so kamen sie denn auf feurigen Rennern. Jmmermehr Wagen rollen heran, Reiter und Reiterinnen umkreisen den Teich im „Großen Garten", immer lebhafter wird das Bild, Tausende von Zuschauern haben sich eingefundeu, denn es ist großer Korso der eleganten Welt. Wenn auch diescsmal der Korso nicht so zahlreich besucht war, als andere Jahre, weil die königliche Familie nicht in Dresden weilte, so war doch, wie immer, reiche Kleiderpracht entfaltet und wirklich schöne und kostbare Pferde und Wagen vertreten. Der Korso ist wieder einmal verrauscht, und auch jetzt wieder hämmcrl's und pocht's und nicht lange wird cs dauern, da ist an der Seite dieses Gartens ein feenhafter Palast erstanden, den Tausende und Abertausende bewundern werden aus allen Gauen des Reicher, die herbciströmen, um ein Fest, ein Nationalfest, hier zu feiern, das große deutsche Turnfest. Das Komitee hat längst alle Hände voll zu thun, und vorzüglich ist es der Wohnungkausschuß, dem die größte Sorge zufällt, die Festtheilnehmer unterzubringen. — Der Opernsänger, Herr Thomaszek, ehemaliger Schüler des Chemnitzer Gymnasiums, wurde für das deutsche Landestheater in Prag engagirt, aber nicht allein sür eigentliche Baßparthie», sondern auch für das Baritrnfach (er singt Telramund, Amonasro, Holländer u. A). Auch die Gattin des Sängers, Frau Bertha Thomaszek (einst Schülerin des Dresdner Konservatoriums), welche ebenfalls Mitglied des Berliner Wagner-Theaters und des Bremer Stadltheaters war, wo sic z. B. als Venus im „Tannhäuser", als Königin in „Hans Heiling" und in anderen Parthien viel Anerkennung sich errang, ist von Herrn Direktor Reumann für das Prager Landestheater engagirt worden. — Ein Theatcrschifs kommt am 17. Juni mit 200 Tschechen aus Amerika, darunter 70 Damen, zum Besuch des tschechischen Nationaltheaters in Prag an. Am 28. Mai versammeln sich die transatlantischen Tschechen in New- york, welches sie am I. Juni mit dem Hamburger zu dieser Wallfahrt ge- mietheten Tampser „Weftphalen" verlassen. Am 13. Juni langen sie in Haniburg an, von wo nach zweitägiger Rast die Reise nach Prag angetreten wird. — Eine eigenthümliche Zeremonie wurde, wie den „Times" vom It.d. M. aus Kalkutta berichtet wird, vor Kurzem in dem britischen Vasallenstaat Travankore an der Südspitze von Vorderindien vollzogen Der Maharadscha- oder Herrscher dieses Landes ließ sich nämlich buchstäblich „mit Gold auf wiegen", d. h. er ließ die Schwere seines Körpers durch eine Masse reinen Goldes bestimmen, welches nachher, einer alten Gewohnheit zufolge, an die Brahminen des Landes vertheilt wurde. Dieser Gebrauch, dem sich seit dem vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung jeder Herrscher von Travankore einmal in seinem Leben zu unterziehen pflegt, heißt „Tulabhara". Er ist auch in anderen Theilen Indiens nicht unbekannt, obschon Gold natürlich nur beim Abwiegen sehr reicher und vornehmer Persönlichkeiten angewandt wird, während sich gewöhnlichere Sterbliche mit Gewürzen oder Körnerfrüchten als Gewichten begnügen. Bei dem diesmaligen „Wiegefest" wog der Maha- radschah ein Wenig über 9 Stein (1 engl. Stein ---- 6,,« Kilo). Die Brah minen von Travankore, welche wohlbeleibten Männern, unter ihren Fürsten wenigstens, vor allen anderen den Vorzug geben, sollen, wie dem indischen „Times".Korrespondenten mitgetheilt wurde, diesmal den innigen Wunsch ge hegt haben, die Zeremonie zu verschieben, da sie hofften, daß der Maharadscha- vielleicht doch noch das Gewicht seines Vaters erreichen könnte, der, im Alter von 47 Jahren gewogen, 14"/, Stein (93'/, Kilo) schwer war. — Das finnländische Strafgesetzbuch weist die merkwürdigsten Abnormitäten auf. So steht z. B auf den kleinste» Diebstahl die Todesstrafe, die aber selbstverständlich in solchen Fällen niemals vollstreckt wird. Der ge wöhnliche Hergang ist, daß ein zum Tode verurtheilter Dieb ein Gnadengesuch cinrcicht, dann begnadigt und oft nur mit wenigen Tagen Gesüngniß je nach der Größe des Diebstahls bestraft wird Hier ist nun ein merkwürdiger Fall vorgekommcn- Ei» junger, gebildeter Handwerker war beschuldigt, einen ganz geringiügigen Gegenstand gestohlen zu haben. Trotzdem er bisher völlig unbescholten gewesen war und auch in diesem Falle unschuldig zu sein be hauptete, wurde er zum Tode verurtheilt. Der Richter ricth ihm, nachdem der Urtheilsspruch gefällt war, ein Gnadengesuch einzurciche», doch weigerte sich der junge Mann auf das Entschiedenste, dies zu thun und war durch nichts zu diesem Schritt zu bewegen. Die Behörde gcrieth nun in die größte Verlegenheit, bis sie endlich einen Ausweg fand. Der junge Handwerker wurde sür verrückt erklärt, in's Irrenhaus gesperrt und aus diesem nach drei Tagen geheilt entlassen. Der Betreffende strengte nun eine Klage an, daß er in widerrechtlicher Weise als verrückt erklärt wvldcn sei. Doch gelang eS seinen Verwandten, ihn zu bewegen, die Klage zurückzunehmen, da sonst das Ende der Sache gar nicht abzusehen gewesen wäre. Thatsächlich besteht noch die Strafe des Rüderns in Finnland, wird aber seit Menschengedenken niemals angewcndct- — Ein friesischer Magnat wohnt in einem Berliner großen Hotel, wo laut Kalender nicht mehr geheizt wird. Den hohen Bewohner aber fror wie andere Sterbliche anch in diesem Wonnemond Er befahl deshalb zu Heizen. Das Hotel hat aber Zentralheizung für einzelne Blocks desselben durch alle Stockwerke- Der h che Gast aber wollte nicht frieren, läßt daher alle Tage den ganzen Block Heizen und bezahlt täglich sür die Heizung 38 Mark.
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