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funden. Veranlaßt durch dis Aufforderung des Leipziger Arbeiter- comitä, hatte' der hiesige Dildungs.Verein eine Arbeiterversammluug ausgeschrieben, welche gestern stattfand. Sie war zahlreich besucht, und die Debatten führten zu dem Beschlüsse, einen Arbeiterzwttg- verein für das Herzogthum Gotha zu gründen , der sich an das HonM in Leipzig anschtießen und für die Beschickung der von Leipzig au» betriebenen Arbeiterversammlung Sorge tragen soll. Der Verein, für welchen sich alsbasd etwa 90 Personen einzeichneten,' wählte sofort eingeschäftsführendes Comitöi Varitz, 2. December. Der im Moniteur veröffentlichte Bericht Foulds über die Finanzlage berechnet die gelammten Unkosten de» mexicanischen Feldzüge» für da» Jahr 1862 auf 83 Millionen Md den Ausfall in den veranschlagten Einnahmen auf 35 Millionen, die von de« CorpS-legiSlativ gefordert werden sollen. Für das Jahr 1863 erwartet der Bericht, angesichts de» stetig steigenden Ertrage» der Steuern ein PluS von HO PWonen, welche« die Kosten der mexicanischen Expedition und unvorhergesehene Au«, gaben decken werde. Da» ordentliche Budget, das der Minister vorznlegen verheißt, wird einen Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben von vier Millionen.zeigen; da» außerordentliche Budget ist auf 104 Millionen angenommen. Die Totalsumme der alten schwebenden Schuld von 848 Millionen bat sich nicht vermehrt. Ohne die außerordentlichen Ausgaben, die 1862 und 1863 belasten, würde es möglich gewesen sein, mit dem Anfänge des Jahres 1864 wieder in den normalen Zustand einzutreten; indessen sei Liese» Resultat nur vertagt. Die Summe der schwebenden Schuld über steige nicht die mit Maß benutzten Hilfsquellen und gestatte, jeden Gedanken an ein Anlehen zu beseitigen. Male brachte die Fra« Director Herrn Hupk^ eigenhändig einen * Ueber eine neue Art Dieb« zu fangen wird au» Berlin berichtet: „Eine Frau in der Alexanderstraße bemerkte am Vor mittag des ersten Feiertags, daß zwei fremde Männer aus einem gegenüberliegenden Hause mit Bündeln kamen, fick in sehr ver dächtiger Weise benahmen und eilig nach der Lilchnstraße -jn gingen. Sie vermuthete mit Recht Diebe, unterrichtete; den gegefi- uberwöhnenden Schankwirth von dem Vorgänge, und dieser schickte seinen erwachsenen Sohn hinter den Verdächtigen her. Diesem sah, daß sie in der Linienstraße eine Droschke nahmen und in raschem Trabe.davonfuhren. Sofort erscholl der bekannte Ruf: „Haket den Dieb!" und eine schnell wachsende Menge eilte dem Wagen nach. Aber der Kutscher hörte nicht auf den Ruf, er fuhr so rasch weiter, daß die Verfolger bald zurückbleiben mußten, und schon glaubten sich die Diebe gesichert und berathschlagten vielleicht LbKr ein Wra-Douceur für den hilfreichen Droschkier, als dieser in der Prenzlauerstraße plötzlich in den Hof de» Grundstück« einbög, i» dem sich das Revier-Polizeibureau befindet, und unter den Fenster« der Schutzmannswache stillhielt, wo die beiden Insassen dcS Wä gens alsdann dingfest gemacht wurden". * Eine Neue Sorte von Weihnachtsgeschenken ist in^ambW aufgekommen. Ein Delicatessenhändler verkauft vollständige Gabel frühstücke nebst dazu gehörigen Weinen — alles bestens -in eist Kistchen verpackt. ES giedt solche Frühstücke für 2—12 Personen. Suppenessenzen, Kohl, Trüffel, Wildpret, Geflügel, Süße», Bittere» und Saueres, alles in bester Güte vorhanden und wird kalt ge nossen oder rasch-aufgewärMt. Die Welt wird vollkommener überall. b Vermischtes. * Aus Halberstadt vom 23. Dec. berichtet die „ Halberstädter Zeitung": „Vor kaum 14 Tagen hatte sich die Wittwe Roloff (Vie selbst keine Soldatenhunde iüehr in Kost-' nehmen durfte) in einem eigenhändigen Schreibe», welches von der Redacuon Ler „Halberstädter Zeitung" befürwortet wurde, an die Unterzeichner Le» Aufrufs vvm 24. Oct. d. I. zur Gründung eines National fonds gewandt, worauf hier am 21. December chitt, einem durch Regierungsrath v. Unruh unterzeichneten und an die Rebaction gerichteten Schreiben 50 Thlr. für Frau Roloff eingegangen und heule derselben übergeben worben sind." schreibt heim, Kaiserin Eugenie brauche für ihren Putz Woche mehr als Königin Victoria in einem Jahre. D Kaiser >ei läßt sie gewähren; denn der LuxuS der Reichen gehört zt seinem * Die böse Welt sagt, die Kaiserin Eugenie treibe hohe Politik und prvtegire de» Papst; ihre Kammerfrauen dagegen sagen, bas sei nicht wahr; denn sie habe dazu keine Zeit. Niemand könne glauben, wie die Kaiserin ihre Zeil zu Rathe halten müsse, um sich täglich dreimal umzukleiden. Die täglichen drei Anzüge müssen doch täglich ausgewählt, besprochen, anprobirt, angezogen rc. werden'; wie viel geheime- Audienzen, Conferenzen mit Putzmacherinnen Kammerfrauen u. s. w. gehören dazu! — Nein, Eugenie treibt keine Politik, höchstens gelegentlich, sie ist aber unumschränkte Herrscherin im Reiche der Mode und Erfinderin der Crinoline. Sie zieht z. B. i» Compiegne nie ein Kleid zweimal an und höchste Regel ist ihr, sich so kostbar zu kleiden als möglich. An die Stelle der künstlichen Blumen sind jetzt edle Steine getreten; die Kleiber werden mit Diamanten aufgesteckt und besprengt, Diamanten werden im Haar verwendet; aus kostbaren Steinen verfertigte HqlSbänder, Ohrringe, Armbänder rc. werden so groß getragen kaß sie mehr- blendend als wohlthuend sind; dicke Schmetterlinge, Heuschrecken, Vögel aus Steinen werben auf dem Kopfe getragen. Die Um gebungen der Kaiserin müssen wohl oder übel dem Beispiele der Gebieterin nachfolgen, sich ruiniren oder vom Hof zurückziehen. Das Beispiel steckt au, die übertriebene Putzsucht gehl dtrch alle Kreise und hat viele . Laster im Gefolge. Ein englischer Bericht erstatter, der die Kaiserin bei den jüngsten Hoffesten beobachtete, " n einer Systeme. * Herr Kupka, der unermüdlich gefällige Kanzlei-Director Le» Abgeordnetenhauses in Wien, erhielt von den Heuen, als sie heimreisten, ein Kistchen Cigarren zum Weihnachtsgeschenk. Da» Kistchen war von Ebenholz und obendrauf sein Name in Silbk. Herr Kupka hatte eine große Freude, obgleich die Frau Kanzleidirector sagte, die Herren hätten etwa« Gescheckteres thun können.. Nach der Beschecrung wollte sich Herr Kupka eine Ha vanna anzünden; der tausend waren die Cigarren fein, jede in ein Papier eingewickelt, aber die Papierchen noch kostbarer al» die Ligarren; Pen» es waren lauter 10-Guldennoten. Zum ersten * (Die Polizeischrift.) Die Gauner haben eine Geheim sprache, die Polizei und Diplomatie haben ihre Geheimschrift. ' Frankreich ist die Hximath der letztere» und Cardinal Richelieu, der berühmte Staatsmann, hat sie am höchsten ausgebildet. In dem Folgenden geben wir Mittheilungen der „Europa" in Leipzig. Der Gras von Vergeunes, Minister unter Louis XVI., führte die Geheimschrift in der Diplomatie ein und ließ sie von den Ge sandten bei allen Empfehlungskarten benutzen, welche nach Pari- gehenden Fremden mitgegeben wurden. Der Reisende, der froh wie ein König war, mit der warmen Empfehlung eines Gesandten in Paris austreten zu können, besaß oft thalsächiich einen Urias- bries und war nicht empfohlen, sondern denunzirt. — Diese höllische Schrift heißt die decorative, weil auf die eigentliche Schrift gar nichts, aus die Lesezeichen wenig ankam, alles was gesagt werden sollte, wurde durch die Verzierung der Empfehlungskarte ausge- - sprachen. Da war kein Zug, Strich und Punkt, keine Figur, Linie und Ziffer ohne' Bedeutung. Diese geheimen Zeichen enthielten eine genaue Personalbeschreibung des Fremden, bezeichneten seine Fami lienverhältnisse, seine Fähigkeiten und Kenntnisse, seinen Character und sein Vermögen, gaben den Zweck seiner Reise an und deuteten besonders an, ob und weshalb er politisch ober polizeilich verdächtig sei. Mancher, der eine solche Empfehlungskarte in Paris übergab, überreichte seinen eigenen 'Steckbrief. Die abgefeimtesten Gauner gingen in die Falle. Dadurch erklären sich viele fabelhafte Erfolge der Pariser Polizei, die überall ausposaunt wurden. Solche Karten waren noch 1806 im Gebrauch. Die decorative Geheimschrift machte viel Mühe und nöthigte in jedem einzelnen Falle einen iZeichner zuzuziehen. Da diese Noth wendigkeit das Geheimniß gefährdete, so ging man zur chiffrirten Polizeischrift über. Die geheimen Zeichen derselben bestehen in Zahlen und gewöhnlichen Linien, und können von jedem Polizei- beamten eingetragen werden. Ein Beispiel dieser Schrift ist da» Folgende: (/tve-Dallemaut Th. 4) Z „M" „5672" A. von Sprinthal: Der Inhaber dieses Passes wird nicht ahnen, wie viel jene Zahlen, Buchstaben und Lesezeichen, die er für gewöhnliche Bestand theile eines PaßsormulareS hält, von ihm erzählen. Sie sagen nämlich: „Herr v. Sprinthal aus Pfalzbayern, zwischen 50—5S Jahr; alt, katholisch, schön von Gestalt und von angenehmer Ge- fichtSbildung, nicht unbemittelt und von gesetztem Benehmen, klug, verschwiegen, in der Staatskunde, in der Mathematik und in Sprache« wohlbewandert, ist Soldat und sucht Kriegsdienste; er ist ein Spieler und Betrüger." Die chiffrirte Polizeischrift ist noch heute gebräuchlich. Mancher arme Handwerksbursche trägt einen Paß durch Deutschland, auf dem ein krummer Strich andcutet, daß er irgendwo ausgewiesen ist, vielleicht nur deshalb, wer! er den Groschen für die Nacht auf der Herberge nicht hatte. Das „Dcmokratenhäkchen" ist wohl abgeschafft, da zu allgemein bekannt geworden ist, daß dieses Zeichen die poli tische Verdächtigkeit de« Paßinhaber» bezeichnen soll. DerauwoM. Redaclmr: 3. d. Wolf,