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6 Academia Medicinae Dresdensis Wenn es - neben der dramatischen nationalen Entwicklung - im Jahr 1990 für Deutschlands Krankenhäuser ein vor herrschendes Thema gegeben hat, dann war es der Umweltschutz. Im Sommer 1990 veröffentlichte Zwi schenergebnisse eines vom Umweltbun desamt finanzierten und unter Federfüh rung der Deutschen Krankenhaus-Gesell schaft (DKG) durchgeführten Pilotprojek tes „Umweltverträgliche Beschaffung und Entsorgung im Krankenhaus" lösten eine monatelange Flut von Anfragen aus Kran kenhäusern und Kommunen sowie staatli che Umweltbehörden aus. Die immer wieder gestellte Frage lau tet: „Wo liegen praktikable Ansatzpunkte für Müllreduzierung und Abfallverwer tung? Welches sind die erfolgverspre chendsten Schritte zum Umweltschutz im Krankenhaus?" Kein Zweifel: Umweltschutz im Kran kenhaus wird ein beherrschendes Thema der 90er Jahre bleiben. Es wird vom We sten auf den Osten Deutschlands über greifen. Und es wird zunehmend ein in ternational interessantes Thema werden. Der universeller gewordene Erfahrungs austausch in einem Europa der offener gewordenen Grenzen wird sich zwangs läufig des Themas Umweltschutz im Krankenhaus bemächtigen. Die westdeut schen Krankenhäuser können hierbei fundierte und wertvolle Erkenntnisse und Praxiserfahrungen einbringen. Umwelt schutz im Krankenhaus ist nicht länger Theorie, Wunschvorstellung oder ein Thema für isolierte Einzelkämpfer, ver streut in den Kliniken, sondern ein hand festes Praxisthema mit nationalen und in ternationalen Dimensionen, dem sich auch die Industrie nicht entziehen kann und will. National, europa- und weltweit, wird sich die Industrie dem Streben der Kran kenhäuser nach umweit- und geldbeutel schonenden Wirtschaften stellen. Bereits jetzt beginnen kleine und große Indu striefirmen ernsthaft, über Alternativen zum ökologisch und wirtschaftlich frag würdigen Müll- und Abfallberg aus Pla stik, Papier und Glas nachzudenken. Der Weg vom PVC-haltigen zum kompostier baren Verpackungsmaterial ist keine reine Utopie mehr. Für umweltbewußte Krankenhäuser be ginnt die Realisierung des Umweltschut zes beim Einkauf. Je mehr Krankenhäuser Abfallverwertung und Recycling im Krankenhaus: Eine Aufgabe ersten Ranges Das umweltfreundliche Krankenhaus - keine utopische Vorstellung mehr diesen Weg beschreiten, desto mehr wird sich die Wirtschaft den gestellten ökologischen Anforderungen anpassen. Die Gesetze des Marktes arbeiten dann für und nicht gegen den Umweltschutz. Ein Umdenken bei Herstellern und An wendern sowie eine völlig neue „Verpak- kungslogistik" wurden von der Bundes vereinigung Verbandmittel und Medical- Produkte e. V. kürzlich offensiv propa giert. Verpackungen, so der Industriever band, sollen auf das unbedingt notwen dige Maß reduziert werden. Parallel hat der Industrieverband angekündigt, den Informationsaustausch mit den Kranken häusern zu intensivieren mit dem Ziel, die derzeitige Verpackungssituation kri tisch zu analysieren und möglichst bald konkrete Schritte zur Abschaffung unnö tiger Verpackungen einzuleiten. Ökonomie und Ökologie miteinander zu versöhnen und in Einklang zu bringen, ist der einzig erfolgversprechende Weg zum wirksamen Umweltschutz im Kran kenhaus. Dabei wird das vielgepriesene Einmal produkt in der Wunschliste von Klinikdi rektoren, Ärzten und Pflegekräften weiter an Boden verlieren. Es wird nicht mehr vorrangig um den Streit gehen, Einmal produkte zu resterilisieren und damit eine heute teilweise überholte Produktionsphi losophie zu unterlaufen, sondern in brei tem Maße Einmalprodukte durch origi näre Mehrwegprodukte zu ersetzen. Zwei Millionen Tonnen Abfall in Deutschlands Krankenhäusern haben das Einwegprodukt in Verruf gebracht. Seine Verwendung wird schrittweise auf das unbedingt nötige Maß reduziert werden, auch wenn dies in vielen Kliniken noch einen schmerzlichen Umdenkungspro- zeß erfordert. Bereits heute haben es einzelne bun desdeutsche Krankenhäuser mit ausge klügelten Beschaffungs- und Entsor gungsstrategien zu einer Abfall-Wieder verwertungsquote von 50 Prozent ge bracht und zugleich die Abfallmengen insgesamt sowie insbesondere PVC- und FCKW-haltige, infektiöse und chemische Abfälle deutlich reduziert. Ihre Vorge hensweisen sind erprobt, jedermann zu gänglich und werden zunehmend Nach ahmer finden. Die Berührungspunkte zwischen Öko logie und Krankenhaus sind zahlreich und bieten vielfältige Möglichkeiten des Umdenkens und Eingreifens. Neben der Abfall- und Müllproblematik sind Abwas ser, Immissionsschutz, Energieeinspa rung, Lärmschutz, Schutz vor Gefahrgü tern und -stoffen, Hygiene und Fragen der Arbeitssicherheit tangiert. Weitere Stichworte sind: Reinigung und Desinfek tion, Sterilgutaufbewahrung, Speisenver sorgung, Bürobedarf. Die Vielfältigkeit der Ansatzpunkte und Möglichkeiten des Umweltschutzes im Krankenhaus erfordert klare Zielsetzun gen, Aufgabenbeschreibungen, straffe Organisation, Information, Koordination und Führung. Wo der Umweltschutz nicht in den Unternehmenszahlen des Krankenhauses verankert ist und zur klar definierten Managementaufgabe der Krankenhausleitung zählt, hat er es schwer, sich im Dickicht der internen und externen Verknüpfungen und Abhän gigkeiten in angemessener Weise durch zusetzen. Umweltschutz im Krankenhaus ist des halb eine originäre Leitungs- und Füh rungsaufgabe. Er ist außerdem eine über greifende Aufgabe, die nicht einer Be rufsgruppe im Krankenhaus überlassen werden kann. Die routinemäßige Einbin dung von Umweltfragen in die Entschei dungsprozesse und Arbeitsabläufe des Krankenhauses muß organisatorisch ver ankert und mit nötigem Nachdruck von höchster Stelle versehen sein. Ansonsten ist es mit der Durchsetzung noch so gut gemeinter Pläne schlecht bestellt. Praktiker warnen nicht zu Unrecht vor zuviel Euphorie beim Umweltschutz im Krankenhaus und mahnen „Augenmaß" bei seiner Realisierung an. Dieser auf Kongressen und Veranstaltungen nach drücklich vorgetragene Einwand kann sich jedoch nicht auf die Ziele des Um weltschutzes beziehen. Bei den Bedin gungen seiner Um- und Durchsetzung ist er indes sehr angebracht. Eine naive und blauäugige Herangehensweise an das Thema Umweltschutz im Krankenhaus kann vieles an positiven Initiativen, Ener gien und Engagement einzelner auf den Stationen der Krankenhäuser letztlich verpuffen und ins Leere laufen lassen. Umweltschutz braucht Fachleute, erst recht im Krankenhaus. Gebraucht wer den Spezialkenntnisse, die eine systema tische Überprüfung der Betriebsabläufe und möglicher Alternativen, nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, erlauben. Die bereits vorliegenden Erfah rungen mit ökologischen Anforderungs profilen bei der Produktbeschaffung sind auf das jeweilige Krankenhaus und sein Spektrum zu konkretisieren. Eine aus allen Krankenhausbereichen zusammengesetzte Arbeitsgruppe er leichtert die Suche nach konkreten An satzpunkten für den Umweltschutz im Krankenhaus. Information und Beteili gung der betroffenen Mitarbeiter auf den Stationen, in der Verwaltung und in der Technik sollten soweit wie möglich prak tiziert werden. Richtlinien zur Produkt beschaffung und zur Abfallentsorgung einschließlich des nicht einfach zu lösen den Problems geeigneter Sammelgefäße und eine gut konzipierte Wertstoffsamm lung sind die ersten wichtigen prakti schen Schritte, die zu positiven Ergebnis sen in der „Umweltbilanz" des Kranken hauses führen. Das umweltfreundliche Krankenhaus sei heutzutage keine Utopie mehr. (Quelle: INTERHOSPITAL 91) Dem Müllberg zu Leibe gerückt 13 umweltfreundliche Maßnahmen im Krankenhaus, die sofort realisiert werden können • Gebrauchte Kanülen und Ampullen so wie sonstiges Bruchglas, ebenso Materia lien, von denen durch Spitzen oder scharfe Kanten eine Verletzungsgefahr ausgeht, müssen zum Schutze vor Verlet zungen bzw. Aufreißen der Müllsäcke unbedingt immer in geeigneten, stabilen Abwurfbehältnissen gesammelt werden. Dazu kann jedes Plastebehältnis, das eine genügend große Öffnung besitzt und mit einem Deckel verschlossen werden kann, verwendet werden (z. B. Bacillotox- Kanister). Keinesfalls sollten in der Mate rialwirtschaft Spezialabwurfbehältnisse für Kanülen eingekauft werden (unsin nige Ausgabe und Materialverschwen dung). Wenn nicht schon auf Station bzw. in anderen medizinischen Berei chen geeignete Plastebehälter anfallen, können über die Apotheke Bacillotox-Ka- nister bestellt werden. Die Apotheke stellt auf Anforderung Aufkleber (Kanü- len-Ampullen-Abwurf) zur Verfügung. Eine entsprechende Beschriftung der Be hältnisse als Abfall-Sammelbehältnis muß erfolgen. • Reinigungsmittel In Großgebinden (z. B. 5 I) bestellen und dann zum Ge brauch in praktische Mehrwegbehält nisse abfüllen. Die Vielzahl der kleinen Plastflaschen und Plastbehältnisse, die nach dem Gebrauch weggeworfen wer den, gilt es unbedingt zu verringern durch Wiederverwendung, d. h. Wieder befüllung. Reinigungsmittel sollten frei sein von Chlor und Phosphaten, APEO (Alkylphenolpolyetoxylat), EDTA (Ethylen diamintetraacetat), NTA (Nitrilotriacetat). Reinigungsmittel sollten genau (so viel wie nötig) dosiert werden (Dosierhilfen verwenden), insbesondere wenn Konzen trate genommen werden. Ökologische und ökonomische Vorteile bietet das Cle- anmaster-Reinigungssystem. • Desinfektionsmittel mit Wirkstoffen wie Alkohol, Aktivsauerstoffverbindun gen oder Aldehyden sind denen mit Wirkstoffen wie Phenolderivaten und Ak tivchlorabspalter vorzuziehen. Die Apo theke erarbeitet eine Rangfolge für be sonders empfehlenswerte, umwelt freundliche und kostengünstige Desinfek tionsmittel, die Sie (sobald vorliegend) bei Ihren Bestellungen beraten soll. • Rückbesinnung auf Peressigsäure (ko stengünstig und sehr wirksam, wenn Ver fallszeiten beachtet werden, dazu um weltfreundlich). Auch hierbei wieder das Abfüllen der Peressigsäure aus Großbe hältern in kleine, mehrfach zu benut zende Plastflaschen, 0,25 I, anwenden. Ökologisch und ökonomisch unsinnig ist die Verwendung der Sprayflaschen (z. B. Cutasept) als Einmalmaterial. Cutasept ist nur bedingt zu empfehlen, da sehr teuer und nicht chlorfrei. • Ultraschallkontaktgel kann in unserer Apotheke hergestellt und in Mehrwegbe hältnisse abgefüllt werden. Es ist preis wert, spart Transportkosten und vor al lem Verpackungsmüll (Vielzahl kleiner Wegwerfbehälter). • Infusionsflaschenrecycling: Infusions flaschen (Glas) können in Kürze in der ge samten Medizinischen Akademie recy celt werden. Zur Erarbeitung der organi satorisch besten Rückführmöglichkeit wurden vorerst, beginnend mit der Klinik für Innere Medizin, die leeren Infusiosfla- sehen auf Station in die Originalkartons zurückgestellt und diese Leergutkartons dann zur Apotheke zurückgeführt, von wo sie im Austausch vom Werk Bernburg zurückgenommen werden. Zu entfernen sind Aufhängung und Infusionssystem. Verbleiben kann der Gummistopfen mit dem Metallverschluß. Fortsetzung auf Seite 7