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Tageblatt. . 1 Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. .4» 242. Erscheint jeden Wochentag früh S U. Inserate werden bi« Nachm. 3 Uhr für die nächste Nr. angenommen. Dienstag, den 16. October Prei« vierteljährl. LV Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1866. Freiberg, 1S. October 1866. Die jetzt im Süden Deutschlands tagenden Kammern geben zu mancherlei Betrachtungen Anlaß. Wir haben die Theilung Deutsch lands nach der Main-Linie nie für ein Glück angesehen, wenn man aber die politischen Grundsätze der Abgeordneten Württembergs hört, da muß man sich aufrichtig Glück wünschen, daß jenen Männern noch etwas Muse gegeben ist, in deutscher Gesinnung sich zu üben, ehe sie zum Aufbau des neuen Deutschlands mit zugelassen werden. Es genügt, einen Moment hervorzuheben, der die ganze württem- bergische Kammer characterisirt. In der Adreß-Debatte hob der Referent Schölt hervor, er habe ursprünglich im Adreß-Entwurf sagen wollen: „Württemberg werde sich bei jedem Angriff auf Deutschland stets auf Seite Desjenigen stellen, der in der Ver- theidigung begriffen sei". Jndeß, da Oesterreich Nicht mehr zu Deutschland gehöre, also auch bei einem Angriff auf Deutschland nicht in der Verthetdigung sein könne, sei ihm dieser Ausdruck zu weit gehend gewesen, zumal sich nicht Vorausbestimmen lasse, ob Württemberg bei einem etwaigen Angriff Frankreichs nicht gemein schaftliche Sache mit dem Angreifer mache. Diese elende Gesin nungslosigkeit, die jedem ehrlichen Deutschen die Schamröthe ins Gesicht treiben muß, unterstützte die Majorität der Kammer durch beifälliges Kopfnicken. Was kann man aber auch von der republi kanisch-ultramontanen Allianz der Herren Mohl und Genossen Anderes verlangen, wenn man von ihnen den Grundsatz proclamiren hört: „Wie im Familienleben, so müsse auch in der Politik das Herz die Directive geben". So lange die Welt steht, ist Politik immer Sache des kalt berechnenden Verstandes gewesen; wer sie in das Bereich der Gefühlswelt verpflanzt, liefert nur den Beweis eigener politischer Unfähigkeit. Zum Glück scheinen nur die Würt temberger den Standpunkt der Gefühlsduselei in Pacht zu haben, denn die bayerischen und badischen Abgeordneten tragen den realen Verhältnissen Rechnung und erstreben vor Allem den Anschluß an den Norden Deutschlands. Interessant sind die Enthüllungen, welche in Baden der Minister des Auswärtigen, Herr v. Freydorf, über geheime Abmachungen Oesterreichs und Bayern« vor Ausbruch des letzten Krieges ge geben. Die officiöse „Bayer. Ztg." dementirt zwar die Angaben des Herrn v. Freydorf, aber dieselben sind so positiv, daß sie durch jenes Dementi nicht hinweggewischt werden können. „Ich habe beim Antritt meines Amtes", sagte der Minister in der zweiten Kammer, „ein Aktenstück gefunden, welches einen zwischen Oesterreich und Bayern am 14. Juni, also vor dem Kriege, abgeschlossenen Vertrag enthält, dessen Artikel 7 lautet: „Für den Fall, daß die nicht vor herzusehenden Wechselfälle des Krieges e« unvermeidlich machen sollten, daß bei dem Friedensschluß Territorialveränderungen in Frage kämen, verpflichtet sich die k. k. österreichische Regierung, aus allen Kräften dahin zu wirken, daß Bayern vor Verlusten bewahrt werde, jedenfalls aber nur im gleichen Verhältniß zu allen ver bündeten Staaten mit solchen belastet und für etwaige Abtre tungen demgemäß entschädigt werde". Wenn man diesen , Artikel liest, fuhr der Minister fort, kommt man unwillkürlich auf den Gedanken, daß diese Entschädigungen nicht in einem fremden Welttheil, oder in Deutschland weit von Bayerns Grenze, sondern daß sie in bequemer Lage, in unmittelbarer Nachbarschaft gesucht worden wären, daß vielleicht Bayern die Einschiebung eines Keils zwischen seinem GebietStheil ebenso unangenehm empfand, als Preußen die Existenz von Kurhessen und Hannover und daß man die Correctur der Karte Deutschlands vielleicht in dieser Richtung vorgenommen hätte. Der Verdacht gegen diesen Vertrag und den Art. 7 desselben steigert sich, wenn man erfährt, daß auch dieser Vertrag hinter dem Rücken der Bundesgenossen abgeschlossen, trotz den vielen und täglichen Beziehungen, in die man damals eintrat, verheimlicht, und erst Mitte Juli auf Nachfrage bei der österreich^ schen Gesandtschaft in Stuttgart und hier von dieser übergeben wurde. An beiden Orten erklärte der österreichische Vertreter, nach dem Grund der Zurückhaltung befragt, es sei der königl. bayerischen Regierung überlassen worden, den Vertrag den anderen Regierungen mitzutheilen. Und konnte nicht neben dem offenen, nur vor un- geheim gehaltenen Vertrag noch ein geheimer Vertrag bestehen, der die Wünsche der bayerischen Regierung bezüglich der eventuellen Gebietsabtretung näher bezeichnete? Und konnten nicht mit ande ren Staaten ähnliche Verträge bestehen? Der Himmel, der schon viele kluge Berechnungen zu Nichte gemacht, hat gewollt, daß nicht unsere Verbündeten, sondern unsere Gegner siegten, und "weder Oesterreich noch Bayern die Macht behielt, den Art. 7 zur Geltung zu bringen. Meine Herren! Die deutsche Frage ist noch nicht erledigt; ich wünsche in Frieden und Eintracht zu bleiben mit allen deutschen Stämmen und Regierungen. Ich will namentlich in gutem Ein- verständniß bleiben mit Regierungen und Bevölkerungen, die heute in derselben Lage sind wie wir, und die, wie ich Grund habe zu glauben, auch im Großen und Ganzen nun dieselben Ziele verfolgen ober in dieselbe Richtung wie wir gedrängt werden. Ich will nur so viel sagen, als zur Rechtfertigung unserer eigenen, vielfach und hämisch angefeindeten Haltung gehört. Ich will auch da- Miß trauen nicht zu weit treiben und die ferneren Betrachtungen über jenen Artikel 7 Ihrer eigenen Phantasie überlassen. Aber Da- kann ich sagen, daß auch der Abschluß und die Verheimlichung die ses Vertrage« zu unserem großen Nachtheil gereichte. Denn e« ist eine große Verantwortung, die Blüthe der männlichen Jugend eine- Landes fremder Führung anzuvertrauen, und man kann annehmen, daß das vorige Ministerium, hätte es diesen, wenigstens eventuell gegen die Integrität unseres Landes gerichteten Vertrag gekannt, so wenig dem Bundesbeschluß vom 16. Juni, als demjenigen vom 27. Juni zugestimmt hätte, wodurch das 8. Armeecorps und 'damit das badische Contingent unter da« Commando von Generalen der beiden Staaten gestellt wurde, welche den Vertrag vom 14. Juni abgeschlossen hatten. Als wir bei unserem Eintritt in's Amt diese Vorgänge und Papiere fanden, hatten wir die Empfindung von düpirten Leuten. Der Bund bestand, nachdem Preußen und die meisten norddeutschen Staaten ausgetreten waren, noch aus Oester reich, das im Nicolsburger Vertrag seinen Austritt zugesagt hatte, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Nassau, Sachsen-Meiningen, Reuß ältere Linie, Liechtenstein und Frankfurt. Ich will die Frage unerörtert lassen, ob der Bund, nachdem sich Preußen und Oesterreich ent schlossen hatten, die deutsche Frage auszufechten, und jeder dieser Großstaaten die Hälft« der Bundesglieder auf seine Seite gezogen hatte, überhaupt rechtlich noch bestand. Wir hatten die Wahl, ent weder bei dem Rest des Bundes zu bleiben, sofort aber durch Ein leitung von Separatverhandlungen die wesentlichsten Bestimmungen der Bundesgesetze zu verletzen, oder aus dem Bund auszutreten und ehrlich unserer Wege zu gehen. Wir wählten das Letztere mit an der Rücksicht, weil wir nach den gemachten Erfahrungen keine Nei gung hatten, den begonnenen Auflösungsproceß des Bundestages bis zu Ende mitzumachen. Es genügte, den noch in Augsburg tagen den Bundestagsgesandten formell zu erklären, was thatsächlich ge schehen war, nämlich daß der deutsche Bund aufgehört habe zu be stehen." Politische Nachrichten von Bedeutung liegen aus dem übrigen Deutschland nicht vor. Der Act der Einverleibungen in Preußen ist überall zwar ohne Begeisterung, aber auch ohne Störung vor sich gegangen. Die meisten Organe in den annectirten Ländern sprechen die Hoffnung aus, daß die neue Gestaltung der Dinge bei den Theilen zu Nutz und Frommen sein werde.