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—- — ----- rv48 die Physische Kraft den Abschlag gebe, da sie don -der Moralische n nur eine schwache oder gar keine Idee hatteii. Ein robuster Boll. blut-Altbayer mag eS im Ringkampf wohl mit einem Vierteldutzend der schlanken Berliner Kinder und ähnlichem Schlag in der preu ßischen Armee aufnehmen, aber sicher nicht, wo eS gilt, durch Ge wandtheit und Verschlagenheit zu siegen. Dagegen dachten die rasch und unangefochten überschritten zu haben. Wa» noch mehr Wunder nimmt, ist, daß sich nur einzelne dieser Herren mit Karten versehen hatten. Bei dem nun fühlbaren Mangel Und gewitzigt durch üble Erfahrungen, wurde bald eine wahre Jagd darauf ge macht, so daß man sogar Schulknaben aus irgend einem AtlaS Blätter abkaufte. Ein Hauswirth zeigte eine solche auf Wunsch den beiden ein quartierten Lieutenants vor, die sie sich ausbaten. Er überließ sie ihnen, und glücklich darüber, soll der eine zum andern gesagt haben: „Du, laß sie ja dem Major nicht sehen, sonst wir d'rum!" Ein anderer suchte auf der Karte herum und mit dem Finger auf einen Punkt zeigend, fragte er seinen Genossen: „WaS ist denn das Kalten da?' — „Das ist Kaltennordheim auf der Rhön." — „Ach so, das hab' ich gerad' g'sucht!" So war es auch. Der Name Kaltennordheim war auf der Karte durch das Zeichen de» dazwischen liegenden Ortes getrennt. So blieben denn auch bei größeren Truppenthrilen Verirrungen nicht au«, die, wenn auch auf verhältnißmäßig beschränktem Terrain, doch etwas an die lamentabeln Irrfahrten des Odysseus erinnern. Es kam vor, daß man von einem Orte zum andern, in einer Ent fernung von drei Stunden, die drei- und vierfache Zeit brauchte und statt auf der gerabey und guten Straße einen mächtigen und schlechten Umweg gemacht hatte. So wurden denn in der argen Hitze oder bei durchnässendem Regen die armen Leute nutzlos abge hetzt, daß sie Abendö hungrig und todtmüde in die Quartiere kamen. Durch mangelhafte Anordnung und Berechnung stopfte sich die Masse häufig so, daß ein längerer und unnützer Halt gemacht werden mußte; und um dann die verlorene Zeit wieder einzubringen, ging es um so rascher wieder vorwärts. So war hier und da bei anscheinender Gemächlichkeit in den Bewegungen wieder eine Hast bemerklich, welche die Kräfte der Mannschaften nutzlos aufrieb, und bei allem mitgeführten Vorrath darbten die armen Burschen. Eigenthümlich und nichts weniger als ansprechend war auch die Behandlung der Soldaten von selten ihrer Vorgesetzten. Die weltbekannten drastischen Flüche, Schimpfwörter und volkSthümlichen Redensarten des guten Bayerlande« kamen namentlich bei der Soldateska überreich in Anwendung, und was hier und da noch fehlte, ersetzte die erhitzte Phantasie. Aber damit war's noch nicht abgethan: es fetzte auch Ohrfeigen, Knüffe und Püffe nach rechts und links, was noch an die alte gute Zeit erinnerte, in der man seinem Zorne und der Galle noch uügenirt Luft machen konnte und nicht so viel Aerger, wie jetz', in sich Hineinfressen Müßte. Bei einer solchen nichts weniger al« liebevollen Behandlung konnte echte Kameradschaft und Herzlichkeit, sowie die Zuneigung der Untergebenen schwer gewonnen werden. So sprach sich denn auch ein gewisser Mißmuth, etwas GleichgiltigeS, zuweilen gar ein Nicktachtm oder etwa« Störrige« gegen die Anordnungen der Oberen in M enen und Gebilden und änveren Dingen ohne Worte au«, und es geschah, daß man sich bei Anordnungen und Weisungen keineswegs im Entgegenkommen und Ausführen überstürzte, man ließ es im Gegentheil erst an sich kommen. Daher fiel eS selbst Laien nicht wenig auf, wenn beim Stellen der Compagnien, selbst wo eS nach dem Signal eisig war, die Soldaten langsam und „drahnig", wenn wir un« dieses bezeichnenden VolkeauSdruckeS be. dienen dürfen, angewackelt kamen. Noch lange, lange nach dem Signal kamen Nachzügler, manche gar nicht. Nun hatte es wieder mit dem Rangiren seine Noth, da mancher im Dusel seinen Platz verfehlte. Da gah'S ein Eipschieben und Wiederherausnehmen, ein Hin- und Herstuppen, die Rotten voll zu machen, und weny man unten fertig war, so fehlte es wieder oben. So verging zuweilen eiqe Stunde, bis endlich die Compagnie zusammen spar. Hquswirthe erzählten, daß , weny sie Morgens heim Hören des Signals ihre noch fest schlafende Einquartierung mit vieler Mühe geweckt ge- habt hätten, diese unwirsch etwas gemurmelt und sich wieder aufs Ohr gelegt hätte, um unbesorgt fortzuouseln. Bei allen diesen Mängeln trat unverkennbar eine große Selbst überschätzung und mit dieser der ungereimteste Preußenhaß hervor, der ost in wahre Perblendung überging. Die Pich za Hs der stäm- migen Bursche mochten denken, daß bei einem Zusammenstoß nur Bayern den Preußen gegenüber nur an das veoi, viäi, vici, und, wie sie sich einbildeten, war ihr PodewilS'scheS Gewehr das beste von der Welt, mithin auch dem preußischen Zündnadelgewchr weit überlegen. Die Bayern hatten in allen Gefechten meist treffliche Posi tionen; überall wurden sie zurückgedrävgt und überall waren sie die Stärkeren. Die Stärke des preußischen Corps unter General v. Göben in dem Gefecht bei Roßdorf war etwa k—-7000 Mann, und e« kämpfte gegen die mindestens dreifache Zahl des Gegners. Im Ganzen sollen die nach Eisenach hin dirtgirten Colvnnen der Bayern die Stärke von fast 30,000 Mann erreicht haben. Aber die letzteren hatten wieder keine einheitlich« Leitung, keinen ordent lichen Verband, keine rechtzeitige Unterstützung. Wa« geschah denn eigentlich vom Hauptquartier au«? Man hat darüber bi» jetzt noch nicht« Rechtes veriiommen. Man sagt, daß es eben gemächlich beim Frühstück gesessen, als der Kampf schon längst begönnen. Einsichtigeren bayerischen Offizieren graute vor den RHSnpäs- sen, denn schon auf dem Marsche im Werräthal äußerten sie gegen Civilisten: Wir kennen das Terrain ganz und gar nicht und werden übel wegkommen. Sie meinten damit nicht allein sich, sondern auch ihre Oberen. Und der Kampfplatz lag nur ein paar Stunden von der bayerischen Grenze, von der Stadt und dem Schloß Tann, dem alten Stammsitze des Generalstabschefs, der hier einen Theil feiner Jugend verlebte und fast alljährlich noch dahin'kommt. In dem Briefe eines ehemaligen badischen Offizier», der pen- sionirt in jener Gegend lebt, ist unter Anderem gesagt: „Ich habe in neuester Zeit große Abtheilungen einer Armee gesehen, die ich freilich unter ganz anderen Verhältnissen gekannt habe. Rimmer hätte ich geglaubt, daß e» Wahrheit sein könnte, WaS ich hier ge sehen und gehört habe. Wie können Truppen so zurückkommen, wie diese bayerische Infanterie! Rohheit, Unwissenheit, Unordnung, Mangel an Achtung gegen ihre Führer, Mangel an allen Vorsichts maßregeln. Von diesem Allen könnte ich ein Buch schreiben, müßte aber befürchten, daß man diese Darstellung für eine geflissentliche Unwahrheit und Ucbertreibung halten würde. Und diese wollten die Preußen mit Haut und Haar aüffrefftn! — — Ich habe, nachdem ich diese Truppen von außen und innen betrachtet, keinen Augenblick an den Resultaten gezweifelt, wie sie gekommen find, ja Alle« wörtlich vorher gesagt. Emen solch wahnfinnigen Krieg in den Rhönbergen zu führen, au« solchen Positionen sich non einer Hand voll Feinde in ein paar Tagen und bis über den Main zu rückwerfen zu lassen! Eine Position, die man Mit 2000 schwarzwälder Bauern im Guerillakrieg dreiviertrl Jahr hätte hal ten und völlig unsicher machen können. — Doch genug!" — Die Caoallerie-Reservedivision unter dem General Fürsten Ta xis machte auch keine glänzenden Geschäfte, namentlich bei HÜnefeld und Hersfeld, wohin sie vorgerückt war. Der durchlauchtige Fühter soll e« verabsäumt haben, die nöthigen SicherheitSmäßregeln anzu wenden, Und namentlich zur Seitendeckung keine Pattouillen ent sendet haben. Unbesorgt ritt man in ein bewaldetes Defilä hinein, während ein Bauer durch unablässiges Hutschweüken da» WarnungS- zeichen zur Umkehr gab. Ais man nun stutzig wurde und wirklich umlenkte, nachdem schon ein Theil in« DeMhinein war, krachten die bishex versteckten preußischen Geschütze und entlüden einen När- tätschenhagel. Schon dadurch in Verwirrung gebracht, sprengte nun auch die preußische Cavallerie vor Und brachte so die bayerische ganz auseinander. Drei Schwadronen sollen dabei fast aufgerieben wor den sein. Die Versprengten langten einzeln und in Trapp« in Hammelburg, Carlstadt, Schweinfurt und Würzburg äbgemattet und zum Äheil verwundet und sonst arg zugeriHtet an. Der Comman- dant de« 5. Cheveauxlegers-Regimept«, Oberstleutnant v. Pochmann, war durch den Unfall so allerirt, daß ^sich erschöß. Ta Würz-