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Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. V 286. Erscheint jeden Wochentag such 9 U. Inserate werden bi« Nachm. 3 Uhr für die nächste Nr. angenommen. Dienstag, den 4. September Prei« vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit S Pf. berechnet. 1886. -i- Freiberg, I. September 1866. Der deutsche Bund ist aufgelöst! In Trümmern liegt der Bau, au- einer blutigen Vergangenheit stammend und einer blutigen Gegenwart erlegen, der Deutschlands Wiedergeburt nach den Frei heitskämpfen beschirmen, beschützen und befördern sollte. WaS er gethan und was er verschuldet, lebt zu frisch im Bewußtsein der Zeitgenossen, als daß wir dabei verweilen sollten. Ein neues Leben will über uns aufgehen, ein neuer Himmel sich über dem deutschen Vaterlande wölben. Betrachten wir darum heute Vie Zeit, in der wir leben und welche — mahnend an die Größe des Augenblicks — mit gewaltigen Schlägen an unser Herz pocht. In so stürmisch bewegten Wettern muß Jeder seinen Compaß bei sich führen, soll er dem Schiffbruch nicht entgegentreiben. Darum aber auch ein offene« Wort, mag es flugs nicht an jeder Thüre Eingang finden. In unserem engeren HeimathSlande sind augenblicklich drei Strömungen wahrnehmbar: Die eine geht auf Einverlei bung Sachsens in Preußen, die andere auf Anschluß an den norddeutschen Bund und die dritte auf Wiederherstellung der staatlichen Verhältnisse vor dem Kriege. Mit letzterer ist nicht mehr zu rechten, denn seit der Bundestag selbst seine Auflösung erklärt hat, bleibt die Herstellung des »tatus gno -mto ein leeres Phantom. Wjr haben es also nur mit den ersten beiden Strö mungen zu thun. Die AnnexionS-Partei in Sachsen, welche sich trotz der unserem Lative in den Nikolsburger Friedens - Präliminarien und später im Prager Frieden gewahrten Territorial-Integrität gebildet hat, führt unter ihren Gründen besonders häufig an, daß auch gegenwärtig, wie im Jahre 1815, der Uebertritt in eine andere, eine großstaatliche Organisation, leicht und ohne Bedenken auszu führen sei. Diese doctrinären Politiker verrathen dabei aber doch eine merkwürdige Kurzsichtigkeit und fast scheint e«, als gehe durch ihre Philosophie der Sinn für die practischen Lebensverhältnisse ihnen verloren. Die leichte Borussificirung der im Jahre 1815 abgetretenen Provinzen gehört einer Zeit an, wo man an dergleichen Zerreißungen gewöhnt und der Volksgeist noch nicht zu der rechten Stärkd eines politischen Selbstbewußtseins gelangt war. Ganz anders verhält es sich in der Gegenwart. Nach den überaus großen Verlusten, welche damals Sachsen erlitten hatte, raffte sich da« sächsische Volk mit einer Kraft und einem Erfolge empor, der in ihm ein hohe« Selbstbewußtsein schuf und dieses ward noch wesentlich durch eine Regierungsweise erhöht, die daS Wohl des Volkes nach allen Seiten hin in« Auge faßte und allmählich einen schönen Einklang zwischen Volk und Regierung erzeugte. Die allgemeine Handels freiheit wirkte mächtig auf Handel und Gewerbe und befestigte mehr und mehr das materielle Wohlbefinden. Die Preßgesetze waren milder und milder geworden und wurden mit Schonung gehandhabt. Kurz, Sachsen gelangte zu Zuständen, die für Jeden das Land sehr wohnlich machten. Das Vertrauen in diese Zustänve hatte sich dermaßen gestärkt, daß eine politische Stimmung Wurzel faßte, welche weitaus noch heute die meisten Gemülher beseelt und im entschiedenen Gegensatz zu den Bestrebungen einer Partei steht, die für die Einverleibung unsere« Lande« in eine größere StaatSorgani- sation agitirt. Nennt man da« Festhalten an erprobten Institutionen Partikulari«muS, gut — so wollen wir Partikularisten sein und blechen. Aber bet aller Kraft eine« berechtigten VolkSbewußi- sein« ist uns nie das Wohl des Gesammtvaterlande« aus den Augen geschwunden und ein PartikulariSmuS, der gern und willig jedes Opfer der Einheit Deutschland« zu bringen fähig ist, dem gebührt sicherlich mehr der Name Patriotismus, als jenen Leuten, die da« Vaterland wechseln können, wie — Handschuhe. Mit dieser Strömung haben wir also nicht« gemein! Wie aber stellen wir un« zur Anschlußfrage an den norddeutschen Bund? Scheinbar ist Deutschland in Folge de« Kriege- und in Folge deS Frieden« zerrissener, uneiniger und zerklüfteter denn je: Oester reichs deutsche Bewohner sind de» Vaterlandes gewissermaßen ver wiesen und den Gelüsten der Slaven und Ungarn preisgegeben; die süddeutschen Staaten drängen sich aneinander, um einigermaßen ihrer Ohnmacht als „besonderes Deutschland" zu entgehen; im Norden wird Deutschland ein rein preußischer und unstreitig mächtiger Begriff, gegen den noch lange die übrigen Theile de« deutschen Volkes feindselige Proteste einlegen werden. Aber die Situation ist nicht so trostlos für „das übrige Deutsch land", wie eS scheinen mag. Einige Zeit der Abklärung und ruhiger Erwägung und überall in Deutschland, im Norden wie im Süden, wird man erkennen, daß daö Eine Ziel des deutschen Volke«: die Einheit seines Vaterlandes, geblieben ist. Die Nebel» nicht nur der Pulverrauch, die es verhüllten, werden mehr und mehr fallen. Der Krieg wie der Friede haben überall in Deutsch land die Nation au« ihren Idealen gerissen und auf die practische Natur der Dinge verwiesen. Lernen wir Alle wenigsten« so viel daraus, um auch mit der Wirklichkeit zu rechnen und nicht wieder unfruchtbaren GemüthSschwärmereien zu verfallen. Unzweifelhaft liegen dem unter Preußen sich constituirenden norddeutschen Bunde die Ziele klarer und näher vor Augen, al« irgend einer andern staatlichen Formation in Deutschland. E« ist nicht anzunehmen, daß dieser norddeutsche Bund nicht eine feste Gestalt gewinne und damit zwar noch kein einige« Deutschland darstelle, aber doch einen höchst bedeutenden Theil eines solchen und einen gewaltigen Kern, an den das übrige Deutschland sich au« Logik der wirklichen Dinge und aus Nalurnothwendigkeit nach und nach anschließen wird. Es wäre thöricht und undeutsch, wenn da« nicht zum norddeutschen Bunde gehörige deutsche Element seine Zukunftspolitik darin sähe, mit dem vorläufig geeinten Norddeutsch land nichts zu thun haben zu wollen, oder gar auf eine Zertrüm merung dieses ersten K-Ystalls deutscher Einheit zu hoffen. Schließlich wird Preußen doch nichts weiter sein, al« das im Norden geeinte Deutschland und die übrige Hälfte der deutschen Nation muß darnach streben, sich mit dieser festen Verwirklichung ihres Ideal« auf eine gute Manier abzufinden, indem sie die Einheit vollständig macht durch den Anschluß an die vorhandene staatliche Organisation. Man kann allerdings sagen: auf solche Art habe man sich die Verwirklichung der nationalen Idee nicht gedacht, mit solchen Mitteln — Blut und Eisen — dieselbe nicht gewünscht. Jndeß — jetzt wäre e« thöricht, der Wirklichkeit, den einmal vollendeten Thatsachen, nicht Rechnung tragen zu wollen. Mit Lamentos wird mchtS ge wonnen. Ist die Einheit Deutschland« auf dem erhofften Wege friedlicher Entwickelung nicht möglich gewesen, so bleibt sie nicht« desto weniger al« das hehre Ziel de« deutschen Volke« bestehen und e« muß rüstig auf dasselbe lvSschreiten, nun sich ein Weg dahin aufgethan hat: ob durch Preußen, ob durch Sachsen, das ist Neben sache. Je mehr man sich die« aller Orten bewußt wird, desto festeren Schrittes wird das Volk in allen deutschen Gauen diese» Ziel zu erreichen wissen. Darum mit Muth und Vertrauen der Zukunft entgegen gegangen; wir erfüllen damit da« Gebot unser« Königs Johann: „auf ein ehrliches und freundliche« Zusammengehen mit Preußen Bedacht zu nehmen!' Ueber die Friedenöverhandlungen mit Sachsen schwebt noch tiefe« Dunkel; alle Gerüchte, die darüber auftauchen, beruhen meist nur auf Vermuthungen und verdienen daher keine Berücksichtigung. In Bayern hat die Landesvertretung sowohl dem Friedens- Verträge mit Preußen als auch dem Anleihegesetze die Ge- nehmigung ertheilt. Die zweite Kammer fügte der Anleihe-Be- willigung einen Antrag bet, der dahin geht, daß der enge Anschluß