Volltext Seite (XML)
zwanzig Repräsentanten für eine halbe Million MwdhM ist eküe bloße Poste. Der Hof von Krähwinkel mit seinem Ministerium de» Auswärtigen, mit seinem diplomatischen Corps, mit seinen Noten und Protokollen, mit Marschallen, Generalen, Ober-Stall« «lüstern u. s. w. macht dem Beschauer den Eindruck einer albernen Parodie. Wie die große vergoldete Krone von Blech auf dem Dache des Palastes zu Stuttgart, die durch ihre Größe und ihr Scheingewicht den ganzen Palast erdrückt und ihren Schatten über da» ganze Land zu werfen scheint, so monströs sieht da« complicirte System einer großen Monarchie aus, wenn es auf eine kleine Gemeinschaft angewandt wird, und hat keine andere Wirkung, als die, seine eigene Unbedeutendheit recht sichtbar zu machen; das Auge wird beleidigt durch da- zu schreiende Mißverhältniß der Dinge: Hector's Helm auf dem Haupte des Säuglings Astyana;. Wahre persönliche Freiheit, unbeschränkte Meinungsäußerung sind ganz unverträglich mit der engen Sphäre des socialen Lebens in Kräh winkel. In einem Orte, wo Jedermann Jedermann kennt, wo man jeden Abend im Theater dieselben Gesichter sieht, denen man jeden Nachmittag begegnet, fühlt man sich, als wäre selbst die Luft, die man athmet, nicht die eigene. Eine lauernde, lauschende, klatschende Aufsicht wird nothwendiger Weise ausgeübt über jedes Mitglied der Gemeinschaft. Jeder wird unwissentlich und unwilleütlich, und wäre es nur, um die Zeit todtzuschlagen, mit seiner Nachbarn An gelegenheiten beschäftigt und dilettirt als Polizeispion. Der Des potismus einer kleinen Regierung mag nicht hart sein, aber er ist allgegenwärtig, er drängelt und molestirt euch, wohin ihr nur geht. Es ist nicht leicht, mit seinem Regenten en iumiUe zu leben, ohne ihm genaue Rechenschaft zu geben von jedem Schritte, jedem Worte, jeder Handlung und jedem Gedanken bei Tage und bei Nacht. Lange Gewohnheit kann den Menschen an Alles gewöhnen, aber der Mensch schwindet mit der beschränkten Umgebung, die Entwickelung wird gehemmt, die Gedanken werden gedrückt, die Aussichten beschränkt, und zu allem dem kommt ein überschwängliches Selbstbewußtsein von der eigenen Wichtigkeit und der des kleinen Staates, eine Selbst zufriedenheit aus der Abwesenheit einer Vergleichung im großen Ganzen und des Wetteifers, welche alle individuelle Kraft verzwergt, um Eitelkeit und Einbildung desto mehr auSzubtlden. Jeder echte Krähwinkler sieht sein Krähwinkel für das Centrum de« Universums an, um das sich die Welt dreht. Wir wissen Wohl, daß eS her kömmlich ist, von dem Einflüsse der kleinen deutschen Höfe auf die Fortschritte von Kunst und Literatur zu reden, Gewicht zu legen auf da» hochgebildete und doch anspruchslose, ja, gemüthliche geistige Leben, welche» sich in diesen abgeschlossenen und stillen, aber genialen Kreisen entwickelt hat. Versuche, das Talent zu unterstützen, es durch königliche Huld, durch höfische Gunst, durch sociale Auszeichnung zu heben, sind von einzelnen deutschen Fürsten in launenhaften An fällen gemacht worden; wir alle wissen, welch' ein Flor von Genie eine Zeit lang am weimarischen Hofe blühte, aber eS war die Klage eines der Weimarer Sterne, oder, besser gesagt, es rühmte sich Schiller selbst, daß „kein augustisch Alter blühte, keines Meditier» Güte lächelte der deutschen Kunst," daß der deutsche Genius wild aufwachsen mußte durch eigene Kraft, ohne fürstlicher Gunst etwas schuldig zu werden. Alles Wohlwollen und alle Freundschaft eines königlichen Mäcens kann ein wirkliches Genie mit der unaussprech lichen Langenweile dieser deutschen Residenzen schwerlich versöhnen. Außer Dresden und Wien giebt eö kaum eine deutsche Hauptstadt, die nicht eine verunglückte Anlage darstellte, wo nicht das Gras in den Straßen wüchse, welche nicht der Sitz unbeschreiblicher Ver simpelung wäre. Darmstadt, Karlsruhe, Kassel, Hannover und andere sind nur von Fürsten gemachte Städte, und doch giebt es kein Land in der Welt, wo vom Volke gemachte Städte, z. B Frankfurt oder Hamburg, Bremen oder Nürnberg oder Augsburg, und noch viele andere so aufgeblüht sind, wie in Deutschland. Der Kölner und der Straßburger Dom kann es wohl aufnehmen mit den Münchener Bauten: kostbare Gemälde-Sammlungen sind in den bayerischen und sächsischen Hauptstädten zusammengebracht, aber die Düsseldorfer Schule, welche ihre Blüthe keinem fürstlichen Schutze verdankt, wett eifert mit Erfolg mit denen von München und Dresden. „Aber nach Allem, was gesagt ist, würden wir doch die Letzten sein, zu läugnen, daß auch die kleinen deutschen Fürsten und Dy nastien ihre Mission gehabt haben mögen, eine dem öffentlichen Hützen förderliche Mission. Gleicher Weise hatten die Bettelmönche ihre Mission und die Päpste al« weltliche Herrscher und manche andere Institutionen, von welchen wir nie befreit sein würden, hätten wir warten sollen, bi» sie selbst eingestanden, daß sie die Zeit ihrer Nützlichkeit überlebt hätten, und daß die Welt auch ohne sie ganz gut fortkommen könne." Die kleinen deutschen Souveränitäten erliegen nach und nach jenem unwiderstehlichen Zuge der Zeit, demgemäß ihre Zahl seit 1789 schon von dreihundert auf dreißig yerabgeschmolzen war. Wir können uns al» Nätion nur dazu Glück wünschen. Aber wir wollen nicht ungerecht fein und gern anerkennen, daß unsere in Deutschland bk» jetzt souverän gebliebene hohe Aristokratie sich durch manche Tugenden auszeichnet. ' Neben Mißbräuchen der fürstlichen Allgewqst, die in diesem Jahrhunderte glücklicher Weise immer seltener geworden sind, erblicken wir in bedeutender Mehrzahl zwischen der fürstlichen Familie und dem von ihr beherrschten Volke ein Mildes, freundliches, wohlwollendes, oft sehr liebenswürdiges Der« hältniß. Die souveränen deutschen Fürsten schließen sich von ihren Unterthanen weit weniger ab, al« z. B. die stolze englische Aristo kratie von ihren Mitbürgern, Und der englische Reisende, von dem die „Times" spricht, hat vollkommen Recht, wenn er die humane Weise fürstlicher Geselligkeit in Deutschland vergleicht mit dem Hochmuth und der Ueberhebung eines hinter den hohen Mauern seines abgeschlossenen Parkes lebenden englischen Lords, der selbst die umwohnende Gentry ebenfalls zu seiner Tafel zieht, aber zu eingebildet ist, ihren Einladungen Folge zu leisten. Man kann unseren kleinen deutschen Fürstenhöfen noch Manches nachrühmen, nur ein großartiges politisches Leben der ganzen Nation wurde nicht durch sie gefördert. Das Schicksal der deutschen Dynastien ist um so weniger zu bedauern, als sie nur der Regierungssorgen ganz oder theilweise enthoben werden, ihre großen Reichthümer aber Niemand antasten will und selbst ihre sociale Stellung im Wesent lichen nicht verändert wird. Ihnen bleibt nach wie vor die höchste und ausgezeichnetste Stellung in ihrem Lande, und die europäischen Souveraine haben gute Gründe, nach wie vor ihre volle Eben bürtigkeit anzuerkennen. (K. Z.) Das „Dresdener Journal" vom 24. August enthält nachstehende Nachrichten: Dresden, 23. August. Sicherem Vernehmen nach ist da» Ministerium des Inner» bereits mit den Vorbereitungen zu den Parlamentswahlen, insbesondere der Bildung der Wahlbezirke be schäftigt. Berlin, 23. August. (Wolff'S T.-B.) In der Commission de« Abgeordnetenhauses für die Annexionsvorlagen stellten gestern in Anwesenheit des Ministerpräsidenten die Abgz. v. Kirchmann, Bockum-Dolsf'S rc. Amendements, bezweckend, die Personalunion in sofortige Realunion zu verwandeln. Graf BiSmack verspricht, da» Staatsministerium solle über die Commissionsvorschläge in Bera« thung treten. Nächste Sitzung unbestimmt. In der Ädreßangelegenheit ist durch Vermittelung des Präsi denten Forckenbeck ein neuer Adreßentwurf zu Stande gekommen, worin theils der Passus aus dem Entwürfe der Altliberalen, theilS ein neuer Schluß ausgenommen ist. Derselbe dürfte heute im Ab« gcordnetenhause fast debattenlos angenommen werben; die Com mission zieht ihren Entwurf zurück. Als Antragsteller fungiren beide Vicepräsidenten. Die Katholiken haben sich mehrentheil» dagegen erklärt, die Polen werden sich der Abstimmung enthalten. Wien, 23. August. (Wolffs T.-B.) Die „N. Fr. Pr." will wissen, der Finanzminister habe seinen Plan, 150 Mill. Staats« noten auszugeben, auf 90 Millionen reducirt. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Wolf. Nicchsiche Nachrichten. -rkdiger. l)am. XIII. p. IHnitat. Predigt-Texte. Vorm. : Röm. 7, 18-25; Nachm.: Luc. 10,25—37. Dom: früh 9 Uhr, Herr Superintendent Merbach. — Beichte und Communion früh 7 Uhr, Herr Viäe. Nr. pbil. Teichgräber. Petri: früh halb 9 Uhr, Herr Pastor Walter. — Nachm. 1 Uhr, Herr Niue. Reinhold. — Beichte und Communion früh halb 7 Uhr. Nicolai: früh halb 9 Uhr, Herr Pastor Sturm. — Beichte und Communion früh 7 Uhr. Jacobi: früh 8 Uhr, Herr Pastor Rosenkranz. — (Musik von Mendelssohn: „Wohl dem, der bö« Herrn fürchtet.*) — Beichte und Communion früh halb 7 Uhr. Katholische Kirche. Vormittags 9 Uhr: Predigt, h. M. — Nach mittags 2 Uhr: Segensandacht. ') Texte find an den Kirchthüren zu haben. Ort-kalender. Sparkasse täglich geöffnet Nachmittags von 2 bis S Uhr. Leihkaffe geöffnet Montags, Mittwochs, Freitag- und Sonnabend» in den Vormittagsstunden. lhermometerstand: heute Morgen 7 Uhr 12 Grad Wärme K.