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überschritten. In der preußischen Armee ist eine Meinung, daß die Sachsen die beste Truppe gewesen seien, die ihnen im österreichischen Kriege gegenüber gestanden, und daß ihre Infanterie die besten öster reichischen Regimenter übertroffen habe, solche, wie Hessen und Belgien, die einst die berühmte „eiserne Brigade" bildeten; in Wahr heit, Lie Sachsen waren das Oorps ä'eiite in der vereinigten Armee. Die Artillerie feuerte mit großer Ruhe und Präcrsion bei Gitschin sowohl, als bei Königgrätz und nur weit überlegene Kräfte brachten sie zum Schweigen; daß der beste Geist die sächsische Artillerie beseelte, kann mau daraus vbnehmen, daß sie ein einziges Geschütz zurückließ, während ihre österreichischen Kameraden bei Königgrätz allein 180 verloren. — Die sächsische Reiterei hatte keine Gelegenheit, in Action zu treten, doch wurde diese Truppe immer für eine sehr gute ge halten und e« liegt kein Grund vor, zu bezweifeln, daß, hätte sich Gelegenheit geboten, sie Thaten verrichtet haben würde, würdig ihrer Bäter in dem blutigen Kampfe bei Borodino 1812, wo das sächsische Regiment Zastrow - Cuirassiere die berühmten Rajewski- Schanzen im Ansturm nahm, nachdeni mehrfache Infanterie-Angriffe fehlgefchlagen waren. Sie werden gütigst entschuldigen, mein Herr, daß ich ihren kostbaren Raum so sehr in Anspruch genommen habe einzig von dem Wunsche beseelt, einer kleinen, aber tapfern Truppe Gerechtigkeit widerfahre» zu lassen, die durch unglückliche Umstände gezwungen, gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen, ihre mili tärische Ehre allerwärtS bewahrte. Ein preußischer Offizier a. D. Leipzig. Einem Briefe des Feldpropstes vr. Fricke, datirt Hetzendorf b. Wien, im sächsischen Hauptquartier, den 16. Aug. 1866, entnehmen die „L. N." Folgendes: Im Theresianum in Wien (sächsischen Hospital) liegen jetzt etwa 486 kranke oder verwundete Sachsen, in Mitterndorf, Station Grammat-Nensiedel (an der Raaber Bahn), in einem zum sächsischen Lazareth eingerichteten Fabrikgebäude gegen 600 Sachsen, in Heiligenkreuz bei Baden (Südbahn) etwa 125, außerdem sind Sachsen zerstreut durch die österreichischen Hospitäler in Wien und Pesth-Ofen etwa 170 Ferner schreibt vr. Fricke: „Außer guten Unterhaltungsschriften sind in Oesterreich, wo die Eigarren nicht gut sind, auch Zusendungen von Cigarren stets willkommen, und kaum etwas gehl in unsern Krankenhäusern so reißend ab, und wird so oft von den Verwundeten, oder den oft wechselnden ReconvaleScenten erbeten, al» kleine Tabakspfeifen. Die Liebe zu den Sachsen, die große freundliche Gastlichkeit der Oester reicher, die stramme, feste, ungebrochene Haltung unserer Soldaten kann ich Ihnen vollständig bestätigen, und wer, wie ich, den größten Theil der Strapazen in den keineswegs geringen Maßen seiner Stellung mit durchlebt, die doch nicht im Verhältnis stehen zu dem des gemeinen Soldaten, wer das Ungeheure, was diese Wochen vor Allem der sächsischen Armee seit ihrem Ausmarsche aus Sachsen gebracht haben, in nächster Nähe an sich vorübergehen sah, der darf daS allgemeine Uriheil des Freunde- und Feindes unter schreiben, daß die sächsische Armee auf den Märschen und in der Schlacht sich in der, wir dürfen sagen, überraschendsten Weise be währt hat. Gelitten hat die sächsische Armee viel weniger, als an genommen wurde. Die Wirkung des Schnellfeuer« der Zündnadel- gewehre ist vielleicht überhaupt fast mehr noch eine moralische als physische. Aber weitaus die meisten und schwersten Krankheiten, die ich in den Hospitälern an Typhus, Ruhr, Schmerzen durch den ganzen Leib, Lähmungen rc. gefunden habe, sind in den Zustand dadurch gekommen, daß sie nach der Schlacht bei Königgrätz, von dem Tageskampfe und dann der Retirade durchhitzt, zum Theil 6-8 Mal durchs Wasser mußten. Selbst diejenigen Nichtverwun deten, welche das Glück hatten, in die Festung Königgrätz gelassen zu werden, mußten zum entgegengesetzten Thore noch in derselben Nacht hinaus, und lagen in nassen Kleidern selbstverständlich unter freiem Himmel. Ueber die Köpfe der voranwatenden und schwim menden Infanterie und sinkenden Cavalerie hinweg sind, wie mir wiederholt Äetheiligte in den Lazarethen und sonst erzählt, die Nach stürmenden wie über Brücken weg zum andern Ufer gegangen. Es waren entweder keine Brücken da, oder sie waren den Soldaten nicht bekannt gemacht. Und obwohl nicht Militär und nicht wissend, daß dort eine Schlacht stattfinden sollte, habe ich selbst, zwei Tage vor der Schlacht, in Königgrätz tiefe Besorgniß ausge sprochen über den Zustand der Brücken, den ich vor mir sah. Die Oberleitung scheint den Fall de« Verlustes der Schlacht nicht in ausreichende ernste Erwägung gezogen zu haben. Auch die öster reichischen Lazarethe zeigen, welche ungeheure Verluste, namentlich an Kranken,'von diesem selbst dem Laien unbegreiflichen Verhalten die Folge sind. Eine katholische Kirche für unseren evangelischen MilitärgotteSbienst zu erlangen, hat bis jetzt nicht gelingen wollen. Wir sind auf daS freie Feld angewiesen, was bei dem Regen und Sturm und der Kälte der letzten Woche sein sehr Mißliche« hat. Nächsten Sonntag (den 19. Aug.) werden wir, da sächsische Trup pen nahe liegen, zum ersten Male Gottesdienst in der evangelischen Gumpendorfer-Vorstadtkirche zu Wien halten dürfen. Mit der lie benswürdigsten Liberalität ist un« diese schöne, allerdings nur etwa 3000 Mann fastende Kirche Sonntag« und Wochentags zur Ver fügung gestellt, soweit e« nur immer der Gemeindegottesdienst er laubt, ja selbst über diese Grenze hinaus. Leider liegen, nachdem jetzt auch die 12,000 Mann durch Ungarn glücklich nachgekommen sind, unsere Soldaten zum Theil weit davon. Und bis Wiener- Nenstadt hinunter, wo eine ganz kleine protestantische Kirche sich befindet, ist in der ganzen Umgegend Wiens kein evangelisches Gotteshaus " Pottschappel, 21. August. (Dr. I.) Bei Gelegenheit der Tanzmusik am letzten Sonntage auf der „Goldnen Höhe" bei Rip- pien wurden nach Beendigung der Tanzmusik auf dem Nachhause wege sechs Personen aus den nächsten Ortschaften von böhmischen Bergarbeitern, welche in Hänichen anfahren, lebensgefährlich Mit Messern überfallen und mehrere schwer verwundet. — Tag« darauf sind durch die Gendarmerie die Thäter entdeckt und sechs böhmische Bergarbeiter verhaftet und der Behörde zur Untersuchung und Be strafung überliefert worden. Die „Times" über die deutschen Kleinstaaten. Die „Times" widmet den kleinen deutschen Fürstenhöfen folgende Betrachtungen: „Das Leben auf dem Continent, wenn wir den meisten unserer empfindsamen Touristen glauben, wird die Hälfte seines Reizes ver lieren, wenn die billigen Lustbarkeiten und die leichte Gastfreundlich keit der kleinen Höfe aufhören werden. Nicht« ist ergrötzlicher, al« ein kleines Krähwinkel mit seinem zugänglichen Schlosse, seinem offenen Schloßgarten, mit seiner schönen Gemälde-Gallerie, Sonn tags ohne Entre zu besehen, seiner gutgeübten Blechmusik, die auf dem Paradcplatz Kraus concertirt, mit seinen billigen Wohnungey, billigen Opern, betreßten Hofbällen, Uniformen, Sternen und Kreuzen, goldenen Schlüsseln und silbernen Stäben und der kleinen Clique von wohlerzogenen, walzenden, courmachenden, galanten Attaches. Der gute, behagliche Tourist weiß von alle der Ehre nachzusagen, die ihm, seiner Frau und seinen Töchtern in Krähwinkel erwiesen wurde, als sie alle, auf nichts mehr als eine Vorstellung durch Ihrer Majestät küurK« ci'aikaires, zu der großen Reunion ins Schloß gingen, wo der Erbprinz mit all' der liebenswürdigen Höflichkeit und Herablassung, wodurch die Krähwinkeler Dynastie sich immer ausgezeichnet hat, „und welche, ich kann Ihnen sagen, ihres Gleichen nicht findet bei dem neugebackenen Adel einer gewissen Nebelinsel, deren Namen wir verschweigen wollen," des guten Touristen Frau Gemahlin zum Souper führte und wo die ver- wittwete Großherzogin, eine achtzigjährige Dame mit Silberhaaren Und hohen Absätzen unter den Schuhen, unserem ganz verwirrten, aber entzückten Touristen eine Prise aus höchstihrer eigenen Dose anbot. Sicherlich denkt der Tourist, noch ganz erfüllt von dem Glanze jenes denkwürdigen Abends: wenn Krähwinkel der Welt nichts nutzt, so thut es auch keinen Schaden. Da« Volk sah sorglos aus, wenn nicht glücklich, wohlgenährt, wenn auch nicht wohlgekleidet, und sie hatten ein leichtes Leben, die Männer rauchten und tranken und die Weiber zogen allerdings ihre Marklkarren an einem Gespann mit ihren Hunden. Sie zahlten ungefähr gar keine Steuern, dir ConscriptionSpflicht lastete nur leicht auf ihnen und ihre Gedanken gingen selten weiter, als die Grenze, welche sie von der übrigen Welt abschließt. Die kleineren deutschen Staaten zeigten in der That fast keine von den Lastern, welche einige italienische Höfe dem all gemeinen Abscheu Preis gaben und ihren Untergang herbeiführten. Mit Ausnahme jenes bösen Churfürsten von Hessen, und selbst der findet noch seine Vertheidiger, hatte Deutschland niemals solche Fürsten, wie den rohgrausamen Franz IV. von Modena, öder den wahnsinnigen Karl III. von Parma. Sie waren immer Leute von gutem Betragen, anständige Leute, die selten über den Leichtsinn einer Heirath an die linke Hand hinausgingen, oder aufs aller äußerste in halbkindischem Alter eine platonische Liebelei mit einer Dame äu ballet anfingen. Abgesehen von ein wenig Eigensinn und Widerspenstigkeit waren diese Fürsten niemals schlimm, sie waren nicht geneigt zum Zorn, noch zu Gewaltthätigkeiten, wenn sie ihren Willen behielten, sie lebten en kamille mit ihren Unterthanen, voll väterlicher Sorgfalt und patriarchalischer Liebe für sie, sie wahrten die Interessen ihres Volkes, wenn diese nicht zufällig mit ihren eigenen Vergnügen in Collision geriethen, und sie sorgten bei Zeiten für eine anständige Summe in der englischen Bank oder in holländischen Fonds al« Sicherheit für etwa kommende schlechte Zeiten. Wir sprechen von alle diesem im Präteritum, denn, mag kommen, was da will, die guten alten Zeiten der kleinen deutschen Höfe sind aller Wahrscheinlichkeit nach für immer dahin. E« sind gar Viele in Deutschland, wie in Italien, welche Herzoge und Großherzoge und alle die kleinen Fürsten für nicht mehr zeitgemäß ansehen. Eine Orgqnisatiott freier Institutionen ist unverträglich mit den beschränkten Verhält nissen kleiner Gemeinwesen. Ein Krähwinkeler Parlament mit