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- Sonntag, S. Juli 1SSS. — zum Chemnitzer General-Anzeiger Für die Familie. Die Nothbremse. Eine Humoreske von B. Rittweg er. (Nachdruck verboten.) „Frauenabtheil?" „Nichtraucher!" Sehr bestimmt kommt's aus de», Mund der jungen Dame. Der Schaffner öffnet eine Thür, und die Reisende versucht, sich in einer freien Ecke häuslich einzurichten, ohne scheinbar Notiz von dem Herrn zu nehmen, welcher den entgegengesetzten Platz einnimmt und belustigt dem Gebühren de- kaum dem Backfischalter entwachsenen Dämchens zuschaut. Es ist auch wirklich ein allerliebster Anblick, das frische rosige Geschöpf so eifrig mit ihrem Handgepäck und den Schirmen hantiren zu sehen, so voll Wichtigkeit! Nachdem Alle» glücklich unter gebracht ist, bleibt sie ein Weilchen still sitzen, aber lange hält sie das Nicht aus. Sie nestelt das leichte Matroseuhütchen vom Kopf, schüttelt die krause» Locken aus dem Gesicht, und dann gähnt sie ein paar Mal Hinte« der fein behandschuhten Rechten. Kurz darauf kommt ein rothgebundeneS Buch zum Vorschein; ei» Roman von Ossip Echubin. Aber das junge Mädchen liest nicht mit Aufmerksamkeit; sie fühlt, der Herr dort beobachtet sie und das empfindet sie peinlich. Sie bereut nun schon, entgegen dem strenge» Gebot der Mama, .Nichtraucher" gewählt zu haben, weil's ihr im Damenkoupee zu langweilig geschienen. Zwischen diesen Betrachtungeu läßt Fräulein Nelly ab und zu einen prüfenden Btick über ihren Reisegefährten gleiten. Was der Mensch für «in spöttische» Gesicht macht! Das braucht sie sich nicht gefallen zu lasten. War der sich wohl einbildet I Sieht aus wie ein ganz gewöhnlicher Sterblicher» durchaus nichts Besonderes ist an ihm. Nur — ungewöhnlich schöne braune Augen hat er und so hübsches, lockige», volles Haar. Auch sein Schlips ist nicht übel — marineblau mit weiße» Tupfen, aber im Uebrigen: nichts Besonderes, so resümirt Fräulein Nelly und beginnt entschiedenen Tones: „Sie wundern sich offenbar, mein Herr, daß ich „Nichtraucher" fahre, anstatt Damenkonpce —" „O, bitte sebr, mein Fräulein, wie —" „Sagen Sie Nichts — Sie wundern sich; ich sehe es Ihnen an. Aber das lasse ich mir nicht gefallen. Durchaus nicht. Es ist gar nichts zu wundern dabei. Ich bin schon sehr oft gereist, müssen Sie wisse», mit Mama, immer mit Mama, und da habe ich die Er» fahrung gemacht, daß es im Damenkoupee entsetzlich ist. Sind Sie vielleicht schon einmal im Damenkoupee gefahren?" Inquisitorisch schaut das junge Mädchen ihr Gegenüber an. „Doch, mein Fräulein, als kleiner Junge, mit meiner Mutter." „Als lleiner Junge!" Unendliche Verachtung spricht aus dem Ton. Als ob ein kleiner Junge so etwas bcurtheile» könnte! „Also Sie lönnen nicht aus Erfahrung sprechen, und deshalb erlaube ich Ihnen auch nicht, sich über mich zu moquiren; verstanden?" „Vielleicht erlauben Sie mir aber doch, mich gegen eine so un gerechte Anklage zu vertheidigen. Ich habe mich keineswegs moquirt, ich habe mich mir gefreut, daß es plötzlich in dem erst so düsteren Koupce hell und freundlich wurde durch Ihre Gegenwart, mein kleines Fräulein —" Nelly wird dunkelroth vor Zorn. „Was fällt Ihnen denn ein? Mir Komplimente zu schneiden und mich „kleines Fräulein" zu nennen! Wissen Sie was? Ich bin Ihnen böse, bitter-bitterböse! Sie machen sich lustig über mich, und ich, ich hatte mich so schrecklich auf diese selbstständige Reise ge freut, ja so schrecklich, aber ich bleibe nicht iu diesem Koupee, um keinen Preis der Welt —" „Es wird Ihnen nichts Anderes übrig bleibe», mein gnädiges Fräulein —" etwas spöttisch klingt die formelle Anrede — „dieser Zug hält bekanntlich erst in H. wieder. Zwei volle Stunden müssen Sie schon noch aushaltcn in meiner unerträglichen Gesellschaft." „Zwei Stunden? Entsetzlich! Aber es ist ganz gut so, ich verdiene es. Ich bin ja dumm gewesen, so dumm! Nun muß ich mich anslachen lassen. Aber nun spreche ich kein Wort mehr mit Ihnen. Fräulein Nelly drückt sich in die Ecke und thnt, als wolle sie schlafen. Ab und zu blinzelt sie ein wenig und mit einmal fährt sie auf. Der Herr hat einen Korb vom Netz heruntergenommen und aus einer Oesfnung des Deckels streckt ei» winziges Hündchen seinen weißbehaarle» Kopf heraus. Wie clektrisirt springt Nelly in die Höhe. „O, das entzückende Thierchen! O, darf ich's einmal streicheln? O, ich liebe die Hunde so, die ganz kleinen, so, so sehr!" „Pst, nicht so laut! 's ist ja eigentlich Kontrebande. Hunde im Koupee sind nicht gestattet. Er hat auch kein Bittet» der kleine Kerl, aber der Schaffner meinte, er dürfe es schon auf sich nehmen, so'» winziges Thierche» im Korb. Ich bringe es meiner Mutter mit, die eine große Hundeliebhaberin ist. Es ist ein Seidenpintscher, ganz reine Nasse." „O, wie süß und lieb! Ich hatte auch 'mal so'n kleines Hündchen, aber es ist gestorben, und da Hab' ich mich so gegrämt, daß ich nie wieder eins haben wollte. Es war zu schrecklich! Ein großer Schlächterhund hat mein süßes Mollychen todtgebissen. Ich hasse seitdem alle Schlächterhunde." Dicke Thränen schimmern in den blauen Augen, und der Reisende blickt wie gebannt auf das junge Mädchen, welches in seiner Ergriffenheit noch entzückender er scheint, als erst in der trotzige» Laune. Welch' ein reizendes, im pulsives Geschöpfchen! Aber unbesonnen, furchtbar unbesonnen! Der Schulmeister in ihm — Professor Möller war, ehe er sich der akademischen Laufbahn widmete, Gymnasiallehrer — beginnt sich zu rege». Er stellt behutsam das Körbchen i»it dem nur unwillig kläffenden Pinlscher auf das Netz zurück und beginnt in väterlich- lehrhaftem Ton: „Wollen Sie mir eine Bemerkung gestatten, mein liebes Fräulein? Wisse» Sie, daß Sie sehr unbesonnen und un vorsichtig sind mit Ihrer grenzenlosen Offenheit und — und — hm — fast möcht' ich cs Unweiblichkeit nennen. Sehen Sie, ich bin zufällig kein Mensch, der daraus Vortheil zu ziehe» vermöchte» aber ebenso gut könnte ich ein Anderer sein, Sie könnten die größten Un annehmlichkeiten haben. Ich meine es gut mit Ihnen, und ich bin so viel älter. Wolle» Sie mir verspreche», künftig nicht hinter de», Nücke» Ihrer Iran Mama so selbstständig zu Handel»?" Fräulein Nelly wird abwechselnd roth und blaß, und schon wsit sie i» des Fremden ausgestrecktc Hand einschlagen, als ihr plötzlich wieder die Selbstständigleitsideen der „neuen Frau", so wie sie die selbe» versteht, einfallen. Heftig ruft sie, die Hand zurückzicheud: „Ich danke sehr, mein Herr, aber ich brauche keine solchen guten Lehren; ich habe Ihne» schon gesagt, daß ich mir gelraue, allein durv die ganze Welt zu reise». Und das qetraue ich mir, ganz Dev Gouvevneuv dev deutsche,» Güdseevefitzungen. Die von Spanien erworbene» Karolinen-, Marianen- und Palau-Jnseln sind bekanntlich dem Schutzgebiet von Neu-Guinea in sofern angegliedert worden, als sie unter die Verwaltung de» deutschen Gouverneurs von Neu-Guinea gestellt wurden. Der Letztere ist be kanntlich Rudolf Bennigsen, bisher Finanzdirektor von Deutsch-Ost afrika, welcher am 1. April d. I. zum Gouverneur von Neu-Guinea ernannt wurde und sich gegenwärtig auf der Ausreise dorthin befindet. Von Bennigsen ist ein Sohn des ehemaligen Oberpräsidenlcn von Hannover. Er war, früher Landrath nnd hat in Ost-Afrika 5 Jahre in Reichsdiensten gestanden. Der Genannte, dessen Porträt wir vor stehend bringen, wird als ein tüchtiger Verwaltnngsbeamter von großer Befähigung in wirlhschaftlichen Dingen, welch letztere sür die Karolinen vor Allem wichtig sind, bezeichnet. auf meine Art, ohne gute» Rath von männlicher Seite, daß Sie's nur wissen." Verletzt, ohne ein weitere» Wort, zieht der Professor sich in eine Ecke zurück; Fräulein Nelly schweigt gleichfalls und es herrscht dauernde Stille. Der Roman von Ossip Schubin muß wieder herhalten, aber er vermag nicht, das Mädchens Aufmerksamkeit zu fesseln. Komisch, sonst liest sie so gern! Was soll sie beginnen? Zum Fenster hinansschauen? Der Regen, der klatschend an die Scheiben schlägt, benimmt jede Aussicht. Jetzt sireist ihr Blick das Plakat, welches die Reisende» über die Anwendung der Nothbremse unterrichtet; sie liest es erst, ohne etwas dabei zu denken, dann mit Aufmerksamkeit. So'n dnmmsr Mensch da! Sollte mir nur Einer nahe treten; hier giebt's ja Hülfe für jeden Reisenden. Ein Ruck, und der Zug steht I ganze Welt zu reisen, oder haben Sie eingesehen, daß männlichek Schutz doch nicht so ganz ohne ist? In dem Fall würde ich mich trösten über die Verleugnung der Wahrheit, die ich mir habe zu Schulden kommen lasten. Na, allzu schlimme Gewissensbisse fühle ich ohnedies nicht. Im äußersten Fall haiidelt es sich um eine Straf summe, welche der Verwaltung zu Gute kommt. Und nun wolle» wir gar nicht mehr von der alten Geschichte sprechen, nicht wahr?/ Erzählen Sie mir lieber, wo Ihre Weltreise endigt. Und gestatte» Sie mir, mich förmlich vorzustellen: Professor Doktor Möller aus G." „Ich bin Nelly Winter und wohne mit Mama auch ln G. Ich war bei Verwandten zu Besuch — in der Nähe von Berlin." Ein Wort giebt da» andere, und als der Zug in G. hält, da hat Nelly Winter dem Professor gestattet, sehr bald bei ihrer Mama vvrznspreche» und sich deren Dank zu holen für den dem Töchtercheu geleisteten Dienst und vielleicht noch etwa» mehr. Denn Fräuleiu Nelly's Glaube an die Selbstständigkeit der Frau hat eine» bedenk lichen Stoß erlitten durch — die Nothbremse. Das Schulkind in Veit Ferien. Eine hygienische Betrachtung von vr. weck. H. E. Brendel. (Nachdruck verboten.) Die Zeit der großen Schulferien naht, eine Zeit, herbeigesehn» von der gesammten Schuljugend, von der ersten bis zur letzten Klasse, doch auch eine Zeit, deren Nahen die Eltern — seien wir ehrlich — mit einem gewissen Bangen kommen sehen. Es Ist weniger die Furcht vor der starken Unruhe, die namentlich in kinderreiche« Familien die kleinen und großen Plagegeister heraufbeschwören» sondern daS schwere Gefühl der Verantwortlichkeit: wie soll »»an in den vielen Wochen die Kinder so beschäftigen, daß sie gleichzeitig Behagen empfinden und doch auch geistigen »ud körperlichen Gewinn haben. Darüber sind sich ja jetzt zum Glück die Pädagogen und Hygieniker, die Ersteren freilich erst seit einigen Jahrenr-einig, daß die Ferien vor Allem eine Zeit geistiger Ruhe sein sollen, find daß iu einer große» Menge umfangreicher Ferienaufgaben, wie sie früher allgemein üblich waren, eine wirkliche unbestreitbare „Ueberbttrdung" der Schuljugend liegt. Auch davon ist man pädagogisch wie hygienisch längst zurückgekommen, daß etwa die Zeit, in der keine offiziellen Aufgaben zu erledigen sind, von zurückgebliebenen Schul kindern dazu benutzt wird, die Lücken in ihrem Wissen auSznfüllem Wenn dieser Zweck vielleicht auch im günstigste» Falle erreicht wird, wenn auch die Schulkinder daun »ach den Ferien vielleicht dieselbe Wifsenshöhe erklommen haben, wie die vordem weitergeschrittenen Mitschüler, so werden sie doch weiterhin sofort wieder zurückfallcn und mit den Anderen nicht gleichen Schritt halten, um so weniger, als ihnen die Zeit geistiger Erholung geraubt worden ist. Mir fällt bei dem hygienischen Werthe der Schulferien für die GehirnMigkeit immer ein ungemein drastischer Vergleich ein, den man zunächst wohl aus dem Munde einer tüchtigen Hausfrau er, warten würde, den aber vor Jahren ein sehr namhafter UniversiM- lehre« in seinem ^physiologischen Kolleg anstellte. Der betreffende Professor pflegte nämlich bei dem Kapitel von den, thätigen und dem ruhenden Gehirn Folgendes zu sagen: „Sehen Sie, meine Herren, Herrliche Einrichtung! Und in dem lebhaften Köpfchen beginnt es, . . .... zu arbeiten. Nelly denkt sich alle möglichen Situationen ans, die ordentliche Wohnung wird tagtäglich von Schmutz und Staub zur Benutzung der Nothbremse berechtigen könnten. Und cs zuckt üchaubert; ^einmal wöchentlich, meist am Freitag oder Sonnabend ihr ordentlich in den Fingern, sie fühlt brennendes Verlangen, die Gabel zu fassen und „in der Pfeilrichtuug" zu drehen. Dann hielte der Zug, dann wäre sie erlöst von dem Zusammensein mit dem ent. schlichen Menschen dort, der es gewagt, sie zu schnliueistern, den sie haßt — o wie sehr, und der ihr doch so — so gefällt! Solche Angen hat sie ja »och niemals gesehen. Und sie ist doch schon acht zehn Jahre alt. ES ist eigentlich komisch, daß sie noch »iemals ge liebt hat. Wie das wohl sein mag, wenn man liebt? Bah, sie will nicht liebe», sie will ja als ein freies, selbstständiges Weib dnrch's Leben gehen. Ach! Wäre nur H. erst erreicht, ihr Reiseziel! Wäre sie erst befreit von dem Menschen dort! Es ist zu peinlich, wenn man in so engem Raum vermeiden muß, sich anznschcn. Deshalb starrt sie nun immer auf die Nothbremse. Die Nothbremse. Wie heißt's in dem bekannten Gedicht: „Der Glockenguß zu Breslau?" „Es zieht in alle» Finger» ihn nach dem Hahne hin." Wie gut sie das jetzt versteht! Ihr kribbelt's auch in alle» Fingern nach dem Hebel. Es wäre doch 'mal etwas ganz BcsondercS! Und sic hat das Recht, es zu thun. Sie kann ja nicht länger mit dem abscheu lichen Menschen in einem Raum verweilen. Sie zieht ihre Uhr. Noch eine und eine viertel Stunde. Fürchterlich! Aber am Ende darf sie's doch nicht. „Nur in Fällen dringender Gefahr." So steht's zu lesen. Und auf den Mißbrauch steht Strafe. Nein, sie wird's nicht thnn. Oder doch? Es muß auch höchst interessant sein, so einen langen, langen Zug plötzlich zum Stehen zu bringen. Ob sie es überhaupt könnte? Ach, sie will nicht mehr Hinsehen, sie will lese». Als sie nach dem Buch greift, streift ihr Blick den bösen Reisegefährten. Lächelte er nicht wieder spöttisch? Unerträglich! Da — sie springt auf nnd ergreift den Hebel — ein Ruck — der Zug steht und tödttich erschrocken, halb von Sinnen sinkt sie aus ihren Platz zurück, während der Herr entsetzt aufspringt. Sie stammelt: O du lieber Himmel, was Hab' ich gelhan, o lieber Himmel, was fang' ich nur an. Helfen Sie mir, bitte, bitte! Was soll ich thun?" „Zu Allem schweigen, was auch komme» mag. Verstehen Sie mich? Sie haben geschlafen und wisse» von Nichts." Was nun folgt, erlebt Nelly wie im Halbtraum. Sie hört Stimme», Rufe, Geschrei, am Fenster erscheint der Zugführer, und sie vcrisimmt ihres Reisegefährten Wort: „Hier ist meine Legitimation, ich hatte Plötzlich ein furchtbares Angstgefühl, einen heftigen Schwindel, und da, ich weiß selbst nicht, wie cs kam, da zog ich die Bremse an. ES ist mir nun wieder ganz wohl. Ich bin natürlich bereit, mich in H. sofort zur Verfügung zu stellen." Der Beamte wirft einen Blick auf die Karte nnd spricht in höflichem Ton: „Unter diesen Umsländen wird es wohl nicht so schlimm ansfalle». Die junge Dame ist wohl auch bereit zu zeugen?" „Nein, die Dame hat geschlafen; nicht wahr, gnädiges Fräulein?" Nelly nickt mechanisch; der Beamte verschwindet und nach ganz kurzer Weile rast der Zug weiter. Das junge Mädchen ergreift in übcrströmendem Dankgefühl die Hände ihres Retters: „Was haben Sie gethan, oh, wie soll ich Ihnen danken, mein Herr? Verzeihen Sie mir, bitte, bitte, ich that's aus Uebermnth, pnd Sie, Sie nehmen die Schuld auf sich." Strömende Thränen verhindern sic, weiter zu spreche», und sie kann nun hören: milde, beschwichtigende Worte und ermuthigendes Zureden, und zuletzt muß sie unter Thränen lachen, als ihr Gesährle neckend fragt: „Würden Sie sich auch jetzt »och getraue», selbstständig durch die wird die Reinigung etwas gründlicher vorgenommen, es werden Teppiche geklopft, auch die Treppe» gescheuert u. s. w. Trotzdem sammelt sich immer noch Staub und Schmutz an; deswegen Pflegen tüchtige Hanssranen ein paar Mal im Jahre, vielleicht im Frühjahr nnd im Herbst, die vielgerühmtcn Schenerfeste, das große Reiumacheu zu veranstalte», bei denen auch das Ilcinstc Wittkelchen wieder blitz blank gesäubert wird. So einer Wohn»eg gleicht das Gehirn. Der täglichen, unbedingt »ölhigen Reinigung gleicht die Zeit des Schlafe», cie das Gehirn im Wesentlichen wieder frisch macht; der wöchentliche» Säuberung entspricht der Sonntag; nun, und dem großen Nein- machen entsprechen die großen Ferien, die für alle geistigen Arbeiter alljährlich nöthig sind, ob diese geistigen Arbeiter nun noch auf der Schulbank sitzen, oder ob sie Univcrsitätsprofessoren sind." Wie gesagt, der Vergleich ist drastisch, aber er trifft den Nagel aus den Kopf. Für das Gehirn der Schüler ist ein gründliche» Reiumacheu, ein Ausscgeiz/ und Durchlüften unbedingt nöthig. Natürlich soll damit nicht gesagt sei», daß die Kinder geistig völlig * unlhätig sein solle». Die Ruhe braucht nicht soweit zu gehen, daß man nach beliebter Weise „Ferien" mit „t'airo rieu" idcnlifizirt. Es ist sogar ganz gut, wenn die Schulkinder in den Ferien ab und zu ein gutes Buch lese»; besonders wen» sie sich für bestimmte Disziplinen stark interessir n, z. B. Botanik oder Physik, werde» ihnen auch einige halbwissenschaftliche Bücher gut ihn». Ferner ist es gut, wenn sie wenigstens ein- oder zweimal wöchentlich, und wäre es nur auf eine Viertelstunde, einen Blick in die Schulbücher werfen; das ist keinerlei Anstrengung, und erleichtert es den Kindern, . sich nach Ablauf der Ferien wieder in den fremd gewordenen Materien des SchnlunlerichtS zurechtzusiuden. Noch besser, als dieser Blick in die Schulbücher, ist es, wenn die Eltern in der Lage sind, gelegentlich, vielleicht in halb scherzender Form, die Kinder nach ein paar Vokabeln oder einer Konstruktion zu fragen. Mit der einen Vokabel, die gefragt wird, tauchen hundert andere dem Kinde unbe wußt durch Jdccnassoziativn im Gehirn wieder auf. Natürlich ist auch dabei von geistiger Anstrengung nicht die Rede. Eine mindestens ebenso wichtige und schwerwiegende Bedeutung der Ferien, wie die geistige Erholung, liegt aber in der Möglichkeit körperlicher Kräftigung. Der alle Satz, daß nur in einem gesunden Körper sich ein gesunder Geist zu entwickeln nnd zu erhalten ver mag, gilt sür das Kindcsalter doppelt wnhr. Und man mag über die Frage der geistigen lteberbürdung der Schuljugend denken wie man will, dies ist wohl sicher, daß die Schüler, namentlich der höhere» Lehranstalten, neben der Schulzeit nnd den Stunden, die den Schularbeiten gewidmet (sind, nicht genügend Zeit für eine rationelle körperliche Ausbildung nnd Körperpflege finden. Von dem Gleichmaaß geistiger »nd körperlicher Ausbildung, wie es im alten Griechenland und in ähnlicher Weise in den höhere» englischen Schule» üblich, ist bei uns in Deutschland noch wenig zu in rken. Es soll nicht geleugnet werden, daß es in den letzten Jahre» vielfach bester geworden ist, daß man nach verschiedenen Richtungen hin auch der körperlichen Entwickelung der Schuljugend ihr Recht zu lassen sucht, aber es fehlt doch noch sehr viel zu zufriedenstellenden Zuständen. Hier können nun die Eltern bei ihren Kinder» in der Ferien zeit viel »achholen. Der erste Grundsatz muß heißen: Hinaus au» dem Zimmer! Ganz gleich, ob das Wetter gut oder schlecht ist. Ich verkenne nicht die Gefahr, die darin liegt, daß die Kinder viel«