Suche löschen...
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 30.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189905304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18990530
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18990530
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-30
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
— Nr. 122. - 1«»9. — Diese verbreitetste unparteiisch« Leitung erscheint Wochentags »beuds (mit Datum des nächsten Lager) und kostet mit den siins Wöchentlichen B eillätteru: Meine Botschaft, «Schsifcher Erzähler, Gerichts -Zeitung, Sächsisches Allerlei, Jllustrirtes Uuter- haltungsblatt, tei den Postanstalteu und bei den Ausgabestellen monatlich 10 Pfennig«. Postliste: 1.NachtragNr.2877. LNegrawm - ildretze: ci»k«eralauze»ger, SernIpreWtlle Nr. I»o. General- Dtenstaif, den 30. Mat. erg er «nzeigenpret«: «gespulte« Eorpii»ze!le(ca.S Silbm,faise«d> oder deren Raum 20Pfg (Preil- verzeichllisse ä Zeile SSPfg.) -» Bevorzugte Stelle («gespalten» Petit-Zeile circa 11 Silben fassend) 40 Pfg. — Anzeige, können nur bis Bormittag lO Uh, angenommen werden, da Druck und Verbreitung der große» Auslage längere Zeit erfordern. für Chemnitz und Umgegend. (Sächsischer L««»e»-Anieiger). - Gegründet 187« »»„Anzeiger« n« Verla« und «»tatiou-maschtuen-Dru« von Alexander Wied« in «hemnitz, »heaterftratz« Nr. S. Geschäftlich, Anzeiger-Inserat« finden für billigsten Preis» zugleich Verbreitung durch di« täglich erscheinende Themnitze» Eisenbahn-Zeitung. Frankreich nach dem Dreyfns-Prozeffe. Am 30. Mai soll nunmehr die Schlußverhandlung in dem Dreyfns-Prozessc beginnen. Ueber die Entscheidung kann kaum noch ein Zweifel herrschen: Dem Berurtheilten wird wohl jedenfalls Gerechtigkeit geschehen. Vielleicht wird, wie eine starke Partei unter den Rächen 'des Appellhvfes will» der ganze Prozeß einfach kassirt. Dann kehrt der Gefangene von der Teufelsinsel zurück und der Dreyfnshandel ist beendigt. Für den Politiker aber tritt nunmehr die Frage, wie die französischen Zustände nach dem Abschlüsse dieser Affäre zu beurtheilen sind, beherrschend in den Vordergrund. Der Drcysushan'oel hat, wie einer jener Scheinwerfer, die Plötzlich auftauchend die dichte Finsterniß jäh erhellen, auf die inneren Zustände des Landes ein grelles Licht geworfen. Er hat die Welt mit der Thatsache bekannt gemacht, daß in Frankreich zwei mächtige Parteien mit einander verbündet eifrig am Werke sind, um sich die Macht zu erringen. Diese Parteien sind die Militärpartei und der Klerikalismus. Daß der Klerikalismus eifrig bei der Arbeit und aus der ganzen Linie im Vordringen ist, hatte man schon in den Zeiten des Ministeriums Meline annehmen müssen; man weiß jetzt, daß die Jugend der höheren Stände zum ganz überwiegenden Theile uuhw seinem Einflüsse anfwächst. Was die Militärpartei angeht, so hat der Verlauf des Dreyfushandels gezeigt, welche außerordentliche Macht sie sich bereits im Lande zu verschaffen gewußt hat. Es wird in diesem klerikal, militaristischen Lager ein ganz bestimmtes Ideal aufgestellt, das des „französischen Frankreichs", wie man es auch aus den Schrift.n der sattsam bekannten Baronin de Märtel, genannt Gyp, ersehen kann; und dies französische Frankreich ist eifrig katholisch, antisemitisch, militärfrcundlich, um nicht zn sagen: kriegslustig; eS ist konservativ und knüpf» gern an das »gute alte Frankreich" an; es acceptlrt rückhaltlos und bewußt den französischen Natioualcharakter und will auch seine Schwächen, die Unbesonnenheit, die Eitelkeit, die Launenhaftigkeit nicht wissen. Es leuchtet ein, daß von dieser Auffassung bi» zur Wieder herstellung der Monarchie nur noch ein kleiner Schritt ist. Und zwar dürften diese »französischen Franzosen" für den Roy noch mehr Attachement besitzen, als für den Empereur. Andererseits haben die Bonapartes imnier durch den militärische» Ruhm ihres Hauses, sowie dadurch, daß der Bruder des Prätendenten russischer Oberst und bald wohl General ist, einen PaS voraus. Jndeß hat ja »och keiner der Thronbewerber sich als den Mann gezeigt, der seiner großen Aufgabe gewachsen wäre. Da» aber ist nach dem Verlaufe des Dreysushandels kaum zweifelhaft, daß die große Masse der republikanischen Politiker als im schlechten Sinne opportunistisch zu bezeichnen ist, und daß sie, der Energie wie der lebendige» Ideen baar, einem ernsthafte» Angriffe auf die Republik kaum einen starken Widerstand entgegen zu setzen vermöchte. So etwa steht es um die leitende» Kreise. Wie verhält sich nun hierzu die große Masse des französischen Volkes? Schon Wille brand hat den merkwürdige» Gegensatz hervvorgehoben, der zwischen dem Durchschnittsfranzosen und der traditionellen P olitik seines Landes besteht. Gerade jetzt hat allein Anscheine nach dies nüchterne, spar same, friedliche und durchaus praktisch verständige Frankreich, das man wohl jetzt im wesentlichen als ehrlich republikanisch ansehen kann, in Emil Lonbet einen berufenen Vertreter ans den Präsidenten stuhl der französische» Republik entsandt, und unmöglich wäre es nicht, daß dieser Mann auf das französische Staatsleben einen wohl- thätige» Einfluß ansübt. Im Allgemeine» aber ist es doch höchst merkwürdig, in wie geringe,» Maße sich der Einfluß des eigentlichen Kerns und der Masse der Bevölkerung auf das öffentliche Leben geltend macht. Es ist keine Frage, daß der französische Normal- bürge» streng an Gesetz und Recht hängt, und doch hat er jenen wilden Hexentanz der Nechlsbrüche und Gesetzesverletzungen, der in der Geschichte als die Dreyfusaffäre sortlcben wird, milgemacht, oder geschen lassen. Geschehen lassen ist aber wohl das zutreffendere Wort. Während des Krieges 1870/71 hat sich Bismarck den französischen Unterhändler», speziell Jules Favre, wiederholt offen ausgesprochen, daß der Krieg hauptsächlich von den Journalisten gemacht worden sei. Die allgemeine Wahrheit, die in dieser Beobachtung liegt, trifft noch heut auf Frankreich z». Noch heut besitzt dort die Presse im öffentlichen Leben eine Stellung verhängnißvoller Art. Sie hat die Berührung mit dem lebendigen Volke verloren und sich zwischen das Volk und die Regierenden als ein eigener Körper eingeschoben. Dadurch ist denn auch die unmitlelbare Beziehung zwischen den Regierenden und dem französischen Volke unterbrochen und die Presse hat sich der alleinigen Leitung des Volkes bemächtigt. Sv konnte es in der Panama-Angelegenheit g schehe», daß sie die Diebe deckte und ihnen ihre Opfer zntrieb; so hat sie — in ihrem überwiegenden Theile — die Meinung der gesunden Elemente Frankreichs in ler Treysus-Affaire nicht zn Worte kommen lassen. In dieser schroffen Theilnng des französischen Volkes in eine kleine Gruppe von Berufs politiker». die die Regierung führen, und in eine große, aber nicht zur Geltung kommende Masse der Bevölkerung, sowie in der Ab hängigkeit dieser beiden Faktoren von einer oft interessirten und jedenfalls dem gesunden Volksleben entwachsenden Interesse liegt so recht eigentlich jenes beunruhigende und uukvntrollirbare Moment der französischen Politik, das Fürst Bismarck mit Recht stets betont hat. In diesem demokratischen und republikanischen Lande ist das Volk eigentlich nichts; der Journalist, der Berufspolitiker und der Klerus machen Wind und Wctter. Das ist die Lehre des Dreysus- handels und das ist unseres Erachtens der Schlüssel für FrankreichsZuknnft. Politische Rundschau. Chemnitz, 29. Mai 1399. Deutsches Reich. — Der Gouverneur von Ne»-Gui»ea, von Bennigsen, tritt in den nächsten Tage» die Reise nach dem Neii-Guinea-Schntz euer sur gebiet an, der Lloyddampser geht am 29. Mai von Neapel nach Singapore ab. Da die Fahrt bis nach Kaiser WilhelmS-Land im Ganze» 4b Tage dauert, so wird er Mitte Juli auf seinem neuen Posten eingetroffen sein. Die Expedition, die bereits Anfang April vorausgefahre» ist, wird sich wohl schon im Bismarck-Archipel be finden und mit den Bauten zu Herbcrtshöhe an der Blamfa-Bai begonnen haben. — Der Kaiser hatte am Sonntag 80 Delegirte des Tuber kulose-Kongresses z» sich geladen. Im Allgemeinen waren mit dem Präsidenten je zwei Vertreter der einzelnen Staaten geladen. — Am Sonnabend Vormittag wurde die Hauptversamm lung der Deutschen KolonialgesellschaftdurchdenPräsidenten Herzog-Regenten Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin im RathhauS in Berlin eröffnet. Die nächste Hauptversammlung soll in Koblenz statlfinde». — Ueber die persönlichen Verhältnisse der wegen Ver brechen und Vergehen gegen das Reichsgesetz Berurtheilten finden sich in der jüngst erschienenen amtlichen Krimiualslatistik folgende Angaben: Unter de» im Jahre 1897 wegen Verbrechen nnd Vergehen gegen Reichs gesetze oerurtheilten 463,585 Personen befanden sich 387,054 (im Jahre 1806 382,432, in, Jahre 1805 377,214) männliche und 76,53» (74,567 und 76,977) w.itliche. Während hernach von >895 zu 1893 die Zahl der weiblichen Ver« nrcbeilcen ertcblich znriickgegangen war. ist sie von >896 zu 1397 viel stärker gestiegen als die der niännliche», nämlich um 2,7 vom Hundert gegen 1,2 bei den Männer». Ausfällig ist die starke Steigerung der vernrtheilien Aus länder. Es sind im Jahre 1897 6187 vernr.heilt gegen 5532 im Jahre 1896 »nd 5664 im Jahre 18»»5, so daß im letzten Jahre eine Zunahme von 1»,8 v. H. tat'gefmiden hat. Dem Lebensalter nach befanden sich unter den Vernrtheilien 14,>67 Personen unter >4 Jahren gegen >3,464 im Jahre 1896 und 13,500 im Jahre 1895. Die Zunahme war also auch hier mit 5.3 v. H. sehr erheblich, wobei hervorzuheben ist, daß besonders die weiblichen Personen unter 15 Jahren sich ain Verbrechcrthum sehr stark bcthejligt habe». Die Zahl betrug hier im Jahr« 1895 2210, sank 1896 ans 205? und schnellte dann im Jahre 189? aus 2489 empor, sodatz eine Zunahme um 21 v. H- statt..esuudcn hat. Personen von 15 bis unter 18 Jahren sind verurthcilt im Jahre 1897 25,649 (im Jahre 1896 25,541 und 1895 25,403) männllche nnd 55 »3 (5270 und 5481) weibliche. Auch hier sind also die weiblichen Berurtheilten im letzten Jahre stärker gestiegen als die. männlichen Personen; von >8 bis unter 2» Jahren sind vcrurtheilt 68.882 (38,415 und 66,861) männliche und 7 >31 (6 >71 nnd 7135) weibliche. Im Alter von 2 t bis 3o Jahren standen i 18,825 (»15,131 nnd 112,316) männliche und 18,231 (17,850 und l8,665) weibliche Ver- nrthcilte. 30 bis unter 40 Jahre alt waren 84,950 (83,883 nnd v 3,084) männlich« und 19,478 (18,8»4 »nd 19,>64 weibliche Personen. Die Zunahme der Verbrecher war also in diesem reiferen Lebensalter erheblich geringer als in dem von 2c bis 30 Jahren. 40 bis unter 50 Jahre alt waren 46,020 (45,719 und 46,66t.) männliche und 13,715 (13,488 und 14,108) weibliche. In höheren» Lebensalter zeigt sich eine nicht zu verkennende Abnahme des Bcrkwecherthuins. In» Alter von 50 bis 60 Jahren standen 29,009 (30,443 nnd 29,6>8) Personen, im Atter von 60 bis 70Jahren 9418(9393und9481) in, Alter von 70 Jahren und dartiber 1899 (S03S und 2004) Personen. Es scheint, als wenn es jetzt gelänge, das Berbrecherthnm im höheren Lebensalter etwas einzudämnieii, wogegen die Zahl der in» jugendlichen Alter Bestraften »och erhebt ch zunimmt. Ausland. Oesterreich-Un-arn. Aus Wien wird geineldet: Die Ent scheidung in der Aus gleich skrise erscheint neuerdings rertagt. Graf Thun erschien am Sonnabend zur Beralhung des Exekutiv komitees der Rechten und gab Aufschlüsse, worauf da- Exekutiv komitee die Berathungen bis Mittwoch vertagte. — An der am Sonnabend seiten- der preußischen Elb« schisffahrts-Kommissio» vorgenommenen Strom-Jn- spiziruug nahmen der sächsische Finaiizminister v. Watzdorf, Geh. Finanzrath Oegaer, Baurath Weber und der österreichische Bczirks- hauptman» Statlhaltereirath Hüttner theil. In Schönpriesen bei Aussig wurde auf dein Verdeck des Schiffes ein Diner eingenommen, bei der der Oberpräsident der Provinz Sachsen Staats»,inistcr v. Bötticher einen Toast auf den Kaiser Franz Josef ausbrachte, den Bezirkshauptmann Hütier mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser und d.n König von Sachse» erwiderte. Frankreich. Der „Figaro" veröffentlicht am Sonnabend Aufzeichnungen von Dreyfus, die dieser im Eefängniß während seiner Untersuchungshaft im November und Dezember 1894 ge schrieben hat. Dreyfus erzählt darin, wie er nach dem Kriegs- Ministerium berusen wurde, wie du Path de Clan» ihn durch die be kannten Diktate zu überführen suchte, und wie er verhaftet wurde. Nach der Verhaftung sei er dann vv» dem die Uiitersuchung führenden Offizier mehrfach verhört worden, der sich häufig in Beleidigungen gegen ihn ergangen. Dreyfus schrci.t wörtlich: „Ich verlangte immer Beweise für die gegen mich erhobene Anklage, doch weigerte ma» sich stets, mir sie zn zeige», indem man behauptete, daß das Beweisstück für mein angebliches Verbrechen ein Brief sei. Der die Untersuchung führende Offizier »nd Gerichtsschreiber ließen mich Silles sagen, was sie wollten, ich erkannte mich schließlich selbst nicht mehr." Drehfns erzählt daun eine Reihe von Einzelheiten. „Eines Tages", so schreibt er, „machte ich geltend, daß ich Elsässer sei »nd deshalb kein Verrälher sei» könne. Man antwortete mir hierauf, daß ich gerade dadurch mein angebliches Spiel besser verbergen könne. An einem anderen Tage sagte mir der die Untersuchung führende Offizier: „Man ist Ihren Mitschuldigen auf der Spur, cs stehen weitere Verhaftungen bevor, Ihre Verhaftung wird geheim gehalten!" — „Ich wollte mich entleibe», schreibt Dreyfus weiter, ich war »nie irrsinnig, in einem Fieberanfall nahm ich wein Betttuch, uni mich am Fenster zu erhängen. Ich sagte mir jedoch, daß, wenn ich sterbe, alle Welt glauben würde, daß ich schuldig sei, und daß ich leben müsse, um meine Unschuld beihcuern z» können." I» einer anderen Auszeichnung bekundet Dreyfus sei» Erstaunen über seine Verhaftnng und Entehrung, weil ein Sachverständiger erklärte, daß seine Schrift mit d.r ciucs Schurken Aehnlichkcit habe. Während der ganzen Dauer der Untersuchung habe »»an ihm gesagt, daß er verloren sei und daß nichts ihn retten könne. Schließlich theilte ihm der Negierm», skvmmissar mit, daß er vor das Kriegsgericht vcrwicsen worden, da der Verdacht genügend begründet sei. Dreyfus bemerkt in seinen Auszeichnungen weiter, er habe in den Belastungsmomenten nichts als Vermuthungen gesehen. Man habe ihin gegenüber eine ungeheure Infamie und unsagbare Feigheit begangen; er habe «» nicht mit Untersuchungsrichtern, sondern mit Henkern zu thun gehabt. — Der „Figaro" erzählt, ei» nationalistischer Deputirter habe sich gestern zum Justizminister begeben und denselben in großer Auf regung gefragt, ob es wahr sei» daß der Kassatioushof sich für die Revision aussprechen werde; er könne sich nicht an den Gedanke« gewöhnen. Der Minister habe erwidert: „Nun denn! Sie habe» acht Tage Zelt dazu." Türkei. Wie verlautet, haben die türkischen Delegirten der Friedenskonferenz den Auftrag erhalten, gegen die Abgabe eines Votums der bulgarische» Delegirten bei der Behandlung der Schiedsgcrichtsrage, sowie bei allen Fragen, di« völkerrechtliche An gelegenheiten berühren, ferner bei der Diskussion solcher Fragen, durch die das Vertragsbe»hälti>lß Bulgarien» zur Pforte verletzt werden könnte, Einspruch zu erheben. Amerika. In Washington verlautet, Admiral Kautz sei abberufen worden wegen seines jüngsten indiskielen Briefe» an einen Freund in Amerika, worin er auf die Schwierigkeiten hin- wies, auf die er auf Samoa gestoßen sei, und sagte, er glaube nicht, daß er indiskret handle, wenn er die Deutschen.wegen des Aus landes tadele. Der Kongretz zur Bekämpfung der Tuberkulose^ In der Svnnabcndsitzuiig des in Berlin stattfindenden Kongresse» zur Bekämpfung der Tuberkulose wurde das Thema der Heilstätten behandlung besprochen; es ist dies der Hauptzweck, welcher für die Einberufung des Kongresses maßgebend gewesen ist. Al» erster Redner betrat der Geh. Rath von Leyden das Podium, um einen kurzen Ueberblick über die Entwickelung der Heil- Mtenbestrebungrn zu geben. Dieser hervorragec.de Mediziner erklärte, daß diese Bestrebungen in England zuerst in Angriff genomme» worden seien; dort entstand da» erste Hospital sür unbemltlclt« Lungenkranke bere'tts im Jahre 1814. In säst allen europäische» Ländern regte es sich dann; ihre lebhafteste EntwUelung aber hätte« die Bestrebungen in Deutschland genommen. Hier sei die erste Anregung Anfang der achtziger Jahre von den Aerzten ausgegangen; in Berlin nahm der „Berein sür innere Medizin" die Sache in hie Hand. Leyden selbst hatte durch Vorträge das allgemeine Interesse z» er wecken gesucht. Es bildeten sich größere Vereine, der Berlin-Branden burger Heilstätteii-Berel'ii, das Zentral-Komi'ks zur Errichtung voa Heilstätten für Lungenkranke u. A. in., auch die Gemeinden^ Komiiilinalverbände und Kaffe,«Vereinigungen träte» der wichtige» Frage näher, und jetzt haben wir in Deutschland bereits S1 Bolks- hci'lslätlcn. Tie jüngsten Bestrebungen ans diesen» Gebiete gipfeln in der Einberufung des jetzigen Kongresses. Hierauf sprach Lan.esrath Meyer-Berlin über: „Finanzielle und rechtliche Träger der Heilstättenuiiternehmnngen." Statistische Erhebungen haben erwiesen, daß für mindesten- 0000- Mcnschcn Heilstätten zu errichten sind, welche eine Bausnmme von 100 Millionen und einen Kostenaufwand von 37 Millionen Mark erheischen würde». Stach Lage des gegenwärtig geltenden Rccht- können, Kommunaiv rbände und sozialpolitische Körperschaften zur Ausbringung solcher Summen verpflichtet werden. Es bedarf aber auch gar keines gesetzgcberischen Eingreifens; das gesunde, berechtigte Interesse, das die Gesammthcit an der Errichtung von Heilstätten hat, bildet ganz allein die stärkste Triebfeder für derartige Gründ ungen. Die Arbeitgeber, die Kranke »kaffen, die Jnvaliditäts- und Altersversicherungsanstaltcn sowie die Berussgenossenschaften, auch die kommunale» Korporationen haben ein eigenstes in Geldeswcrth ausdrück- barcs Interesse, durch rechtzeitige, geeignete Behandlung de». Erkrankten die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder sie ihnen wiederzngeben. Der Staat selbst, der zur Ansrottung anderer Seuchen schon soviel ge- tha» hat, ist an dieser Frage besonders interessirt, zur Mehrung der Volkswchrkraft und des Volkswohlstandes. Freilich bleibt bei alledem stets die ergänzendste Thcttigkeit gemeinnühiger Vereine unentbehrlich. Je inehr die Kvmmuncn freiwillig für die Lösung der Frage ein- trete», umsoweniger scheint es »öthig, auf gesetzgeberischem Wege einen 'Zwang auszuüben. Keiner der einzelnen Träger reicht aus, um alle, die nmfatzt werden sollen, zu tragen. Nur das gemeinsam« Wirken Aller nach dem Maße ihrer Kräfte vcrspricht Ersprießliches u»d verhütet eine unnütze Vergeudung der Mittel. Derjenige Stnaat wird allen anderen überlege» sein, der sich die gesundeste und leistu gs- fähigste Bevölkerung zu schassen weiß. Die Arbeiterbevolkeruug erkennt zwar die bisherigen Be strebungen der Negierung und der einzelnen Verbände auf dein Ge biete der Sch c indsnchtsbekänipsung vollkommen an, »nv sie ist willig, dabei mitzuarbeitc», allein sic verlangt, vor Allem eine durchgreifend, Aenderung ihrer matcriellen Verhältnisse. Die Tuberkulose ist vor wiegend eine Krankheit des arbeitende» Proletariats; fast jeder zweite Arbeiter, dessen Tod- in de» Krankenkassen gebucht wird, ist cm Tuberkulose gestorben. Den Kassen erwächst gerade durch den Auf wand für ihre luiigcnkranken Mitglieder eine ungeheure Last, die sie allein nicht tragen könne». Die Mitwirkung der Jnvaliditäts- und Altersversicheruttgsanstalten, die über reiche Mittel verfügen, ist des halb unbedingt erforderlich. In dieser Beziehung muß auf die An stalten ein gesetzlicher Zwang ausgeübt werden, das Heilverfahren auf Antrag des Kassenarztcs einznlcite». Die Krankenversicherung darf aber durch das Eingreifen d«r Anstalten in teiner Weise be rührt werden; die Versicherungsanstalt trägt die Kosten des Heil verfahrens, die Kaffe übernimmt die Fürsorge für die Familie de- Behandeite». Wichtig unter allen Umständen ist die verständnißvolle Mitwirkung der Kassenärzte, deren Aufgabe darin besteht, die ein schlägigen Fälle möglichst früh an die Heilstätten zu überweise«. Endlich muß aus die Aufklärung der Bevölkerung in geeigneter Weise hingewirkt werde». Dieser» Zwecke diene»» Vorträge in den Heil stätten sür deren Pfleglinge, Vorträge der Krankenkassenärzte i»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite