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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 18.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189901187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18990118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18990118
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-18
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Monat
1899-01
-
Jahr
1899
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Der Haushalt des deutschen Kaisers. Jungst brachte ei» Wiener Blatt die Meldung, der deutsche Kaiser habe den Kaiser Franz Joseph in einem eigenhiindlge» Schreiben um ein Darlehen von zwölf Millionen Gulden gebeten. Dieses Unsinnige Gerücht, dar nur Heiterkeit erregen konnte, macht i» den »Grenzboten* C. v. Massvw zum Gegenstände einer instruktiven Schilderung der kaiserlichen Finanzen, „Allerdings," schreibt der Er- zähle», „sind mit der Uebernahme der Kaiserwürde die Anforderungen bedeutend gestiegen. Das deutsche Reich zahlt keine» Pfennig für seine Repräsentation, die es dem König von Preuße» anferlegt; andererseits ist aber nicht allein di? preußische Krondotation erhöht worden, sondern es liegen auch andere Verhältnisse für den König und Kaiser Wilhelm II. sehr viel günstiger als für seine Vorgänger. ES wird den Allermeisten unbekannt sein, daß die preußischen Prinzen keinen Pfennig aus der Staatskasse beriebe»^. Soweit sie kein Privat vermögen besitzen, besteht ihr gesammteS Makrmmen aus einem Jahrgcld, das ihnen der König nach seinem Ermessen anssetzt, und aus dem nicht nur die persönlichen Ausgaben, sondern auch der ge säumte Aufwand für die Hofhaltung vom-Hofmarschall und der Ober-Hosmeisterin an bis zum geringste» Stallknecht und dem untersteh Küchenmädchen hinab bestritten werpen. Das tägliche Leben an unserem Kaiserhof liegt offen und klar zu Tage. Den größten Theil des Jahres ist das Hoflager im Neuen Palais in Sanssouci. Dort lebt Wilhelm II. in keiner Weise anders, ja in mancher Beziehung noch weit einfacher als ein reicher Privatmann. Magnaten aus dem Lande, höhere Provinzial-Beamte und Militärs, Fremde von Distinktiv» meldeten sich in früheren Zeiten, wenn sie nach Berlin kamen, beim Hose und erhelten eine Einladung zur Tafel. Unter Friedrich Wilhelm III. hatte der „Kämmerier" des Königs freien Tisch, zu dem er nach Belieben Gäste cinladen durfte. Alles das» ist weg gefallen. Das kaiserliche Paar Pflegt zwar einzelne Gäste zur Tafel zu ziehe», aber doch nur in einem sehr beschränkten Umfange und durchaus nicht jeden Tag. Auch die Zahl der großen Feste ist, wenn man den Vergleich mit der Vergangenheit zieht, auf das geringste Maß zusammengeschmolze». Wie Wilhelm II. überhaupt ein Freund der Kunst ist, so insbesondere der Architektur. Er scheint jedoch Anstand zu nehmen, große und prächtige Bauten auf Kosten der Privatschatulle ausführen zu lassen, wie seine Vorgänger dies gethan haben. Aber der Kaiser reist so viel, sagt man. Ja, haben seine Vorgänger an der Krone nicht dasselbe gethan? Die Reisen Friedrich Wilhelm's IV. erforderten sehr viel höhere Koste», als Kaiser Wilhelm II. anfwendet, der, abgesehen voll Besuchen an fürstlichen Höfen, entweder in seinem Hoszuge oder auf der „Hohenzollern" zu übernachte» Pflegt. So hat er bei seiner letzten mehrwöchentlichen Reise nach Neapel thatsächlich nur in der Hofburg zu Wien ei» Gastbett benützt. Allerdings brancheu Lokomotive und Schiss Kohlen, und auch rin Hofzng kostet mehr als die „fahrplanmäßige" Beförderung; aber war bedeutet das gegen über dem Auswande, der ans dem Aufenthalte fürstlicher Reisenden mit Gefolge in Gasthäusern erwächst! Wenn der Kaiser im Hofzuge wie auf dem Schiffe aus seiner Küche spcist, so wird ihm das schwerlich mehr kosten, als wenn er daheim residirt und repräsentirt. S vi, der einfache Privatmann, der eine längere Reise mit seiner aus mehreren Personen bestehenden Familie gemacht hat, weiß, was er für Logi», Beköstigung, Trinkgelder u. s. w. zu leisten hatte, auch wenn er noch so sparsam lebte. Uebersetzt man diese Preise in "solche, die einen, Fürsten und noch dazu einem Kaiser berechnet werden, so kommen ganz ungeheure Summen heraus. Große Hof jagden in Wusterhausen, Setzlingen, Springe n. s. w. hält der Kaiser nicht öfter ab als sei» Großvater. Besuche fremder Fürstlichkeiten am preußischen Hofe sind verhältnißmäßig selten und nicht häufiger, als durch das Staatsiutercsse geboten ist. Auch in dieser Beziehung ist im Vergleich gegen frühere Zeiten eine bedeutende Vermindernug zu verzeichnen. Kostspielige Passionen, wie man sie au» der Ge schichte anderer Fürsten kennt, liegen dem Kaiser ferne. Ja man könnte sogar sagen, unser Hof sei verhältnißmäßig zu einfach, er sollte länger in Berlin residiren, mehr Feste geben, dadurch Geld unter die Leute bringen, mehr sür das Theater aufwenden u. s. w. Vielleicht nimmt man gerade, weil das nicht geschieht, weil in mancher Beziehung eine große Sparsamkeit geübt wird, an, daß die finanzielle Lage nicht günstig sei. Selbstvirständlich entziehe» sich die Gründe für diese Sparsamkeit der Bcnrtheilung, aber man sollte meinen, sie wären leicht zu erkennen. Sicherlich denkt der Kaiser daran, daß in .nicht zu langer Zeit seine sechs Prinzen erwachsen sein, sich vermähle» und ihre eigenen Haushaltungen haben werde». Dann müssen — denn die Zahl evangelischer Prinzessinnen und ins besondere solcher» die eine cinigcrmasen bedeutende Mitgift besitze», ist sehr gering — die Anforderungen an die königliche Kasse recht groß werden, viel größer als heute, wo die kaiserlichen Kinder noch bei ihren Eltern oder, wie die drei ältesten Prinzen, in einfachster Weise in Plön wohnen. Somit kann jeder gute Preuße und Deutsche sicher sein, daß die Finanzen seines Königs und Kaisers so geordnet sind, wie cs die irgend eines reiche» Privatmannes im Staat oder Reich nur irgend sein können." Vermischtes. — Dev König dev Cocoö Insel». Einen interessanten Gast beherbergt London zur Zeit i» seinen Mauern. Es ist das Mr. Georg Clanies Roß, der König der Cocos-Jnseln im Indischen Ozean, südlich der Gumatraküste. Dieser originelle Herr, der seine „Ferien" in London verbringt, hat einem Interviewer gegenüber die "olgenden Aufsehen erregenden Schilderungen über Land und Leute eines Herrscherthums gemacht: Die kleine Besitzung der Korallen- Jnsel», über das Se. Majestät von Cocos das Szepter schwingt, ist die drolligste aller Besitzungen im englischen Reiche. Ein glückliches, zufriedenes, aber ein »Bischen" verschrobenes Land, so ein: Art Opcrettenländchen, wo die „dunkle" Königin an der Seite ihres Gatten regiert, wo die Weiber über die Männer herrschen, wo die Frau sür eine» Schildpattkamm gekauft werden kann, wo es keine Läden »nd darum auch keine Moden giebt, wo das Fischen frei steht und die Speisen nur vom Boden aufgehoben zu werden brauche», wo der Palmwein von den Bäumen fließt, wahrend oben in ihnen die Natten leben. Aus dieser »Insel der Seligen" kennt man kein Geld, keine Armuth, keine Polizei. Mr. George wird in der Regierung von seinen Brüdern, fein gebildeten Leuten, unterstützt, die ich mit Eingeborenen verheirathet haben. Mit eiserner Hand regieren hier die Frauen ihre Männer. Als Mr. George Rotz den Thron bestieg, war cs noch anders, und die Frauen wnrden von den Männern nach alter Sitte geschlagen. Mr. Roß zeigte sich hier aber nicht kon servativ, er besaht, mit jene» Gebräuchen zu brechen, heute bereut er es bitter: die schwarzen Ladies habe» die Männer völlig unterjocht sie weigern sich sogar mitunter, das Essen zu kochen. Es giebt keine „Kneipen" in diesem Lande und wozu auch, da der Wein doch von den Bäumen fließt: der Extrakt wird gesammelt und nach vlerund- ztvanzigstündigem Stehen ist er mundgerecht. Es soll dort auch ein guter JägdgrUnd für Anlalemjäger und schlechte Schütze» sein. Die Tauben sitzen auf den Bäumen und warten nur darauf, daß sie ge schossen werden. Die Bevölkerung hat ein gutes Leben in Mr. Roß Königreich, sie leben »nd arbeiten Alle gleichmäßig. Mr. Roß hat vier Töchter und vier Söhne, die sämmtlich in Schottland erzogen werden. Die Geschichte dieser merkwürdigen Inseln ist kurz folgende: Sie wurden 1609 vom Kapiiän Rieling entdeckt, wurden aber wenig Das wahre Glück. Roman von Heinrich Köhler. (39. Fortsetzung.). (Nachdruck verboten.) Eduard hatte seine Schritte nach dem Hause seines Vaters ge richtet. Er traf denselben, wie gewöhnlich, in, Lehnstuhl, mit der Zeitung i» der Hand. Tante Franziska befand sich ebenfalls im ^Zimmer. „Sally ist nicht ganz wohl," sagte er nach einigen gegenseitig gewechselten Worten. „Ich glaube, es wäre gut, Papa, wenn Du 'um Nachmittag zu ihr hinausfübrest, damit sie eine kleine Zerstrenng und Aufmunterung hat." „Du weißt, daß das für den Papa ein Opfer ist," bemerkte die Tanle. „Ich werde hinausgehen zu Sally, wenn es wirklich nöthig ist, daß sie eine Zerstreuung bekommt." Sie war erst am vorhergegangene» Tage dort gewesen, war überhaupt ein häufiger Gast im Fels'schen Hause und sehr intim mit dem Fabrikbesitzer. „Ich glaube aber, daß Sally gerade nach Papa verlangt," sagte Eduard ziemlich rücksichtslos. Die Tante machte ein sehr empfindliches Gesicht. „Es ist doch nichts Ernstliches?" fragte der Rentier. „Das wohl nicht," entgegnete Eduard. „Sie hat sich nur etwas alterirt bei einer »ns Alle nahestehenden Sache." Tante Franziska spitzle die Ohren; ihre Neugierde war sehr park erregt. Der Rentier machte eine Geberde des Unbehagens. „Was kan» das sein? Was ist geschehe» ? Sally's Gatten ist doch nichts zngestoßcn?" fragte seine Schwester. »Nein, der befindet sich vollkommen wohl, um den dürfen Sie »»besorgt sein," antwortete Eduard mit leisem Spott. »Die An gelegenheit betrifft Egon." „Den Herrn Leutnant?" fragte die Tante mit einem erleichtern den Athemzug. „Nun, das kann sie doch nicht so sehr alteriren?" „Was ist mit Egon?" fragte der alte Herr theilnehmend. „Es ist eine diskrete Angelegenheit," sagte Eduard, „von der nicht weiter gesprochen werden darf. Ihr dürft sie natürlich er fahren. Egon hat sich heule früh duellirt »nd ist verwundet worden, dem Himmel sei Dank, nicht lebensgefährlich. Die Ursache ist seine Frau gewesen. Melanie hat Egon die Treue gebrochen." Der Rentier zeigte ein erschrecktes Gesicht, Tante Franziska aber verlor ihr inneres und äußeres Gleichgewicht nicht. „Das ist ja eine sehr pikante Geschichte! Ein schöner Affront für de» Herrn Leutnant!" sagte sie. „Es kommt hier weniger auf den »Herrn Leutnant", als auf «nsern Vetter Egon an!" antwortete Eduard gereizt. „Ich hoffe, daß die Sache ohne Aufsehen abgemacht werden kann. Und wenn das Duell bekannt werden sollte, wird Egon schwerlich eine Straf« treffen, denn er konnte in diesem Falle nicht anders handeln. Das Mrengericht muß ihn frcisprechen. Ich bin selbst daran betyeiligt; Kh war sein Sekundant." Die Tante zog die Augenbrauen bedeutend in die Höhe und bekannt, bis Darwin sie 1836 besuchte. Der Großvater des Königs hat bis 1854 dort regiert. — Dev direkte sibirische Schnellzug. Das Riesenwerk der Erbauung der sibirischen Bahn, welche die längste Eisenbahn der Welt sein wird, schreitet trotz der bedeutenden technische» Schwierigkeiten stetig seiner Vollendung entgegen, »nd binnen wenigen Jahren wird eine durch die allen Welltheile Europa und Aste» ge legte Schieuenstraße ebenfalls den Atlantische» mit dem Stillen Ozean verbinden. Die erste amerikanische Ueberlandbah» New-Avrk —Chicago—San Francisco ist 5360 Kilometer lang »nd wird heute in etwa fünf Tagen durchfahren. Nach dem Fahrplan der sibirischen Bahn verläßt der direkte sibirische Schnellzug, von dem allerdings nicht gesagt wird, ob er, wie ursprünglich beabsichtigt war, nur zwei Mat des Monats verkehrt, Moskau »m 8 Uhr 15 Minute» Abends und erreicht Tomsk, eine Entfernung von 3933 Kilometern, nach einer Fahrt von 5 Tage» »nd 6 Stunden oder 126 Stunde», was einer miltleren Fahrgeschwindigkeit von 31,19 Kilometern per Stunde entspricht. ES ist dabei hervorzuleben, daß die Petersburger gegen die Tomsker Ortszeit um 3 Stunden 39 Minuten znrückbleibt, und daß auf der Strecke Moskau bis Kriwostschekolvo nach Petersburger, von da ab nach Tomsker Zeit gerechnet wird. Zieht man die Warte zeit in den Stationen, zusammen 5 Stunde» 28 Minuten, ab, so erhält man enzr reine Fahrzeit von 120,4 Stunde», beziehungsweise eine Fahrgeschwindigkeit.von 32,66 Kilometern per Stunde. Di« Fahrzeit in der umgekehrte» Richtung, da- ist Tomsk—Moskau, ist ni» rund eine Stunde kürzer. Diese SchnellzugSleistnng ist eine verhältnißmäßig bescheidene; nimmt man nun de» gleichen Maßstab für die ganze sibirische Bahn, das heißt Tscheljabinsk—Wladiwostok, beziehungsweise Port Arthur, mit rund 7600 Kilometern an» so er- giebt sich eine Gesammtfahrzeit ab Tscheljabinsk von mehr als zehn Tagen. — Ein neues Königreich Vev Mode ist, wir an» Paris geschrieben wird, soeben dort auf der Place Bendöme eröffnet worden, uno zwar ei» Magazin von seinem Luxus, wie er selbst sür die verwöhnten Pariser zu dem Außergewöhnlichen gehört, lieber eine Marmorlreppe, zwischen rosigen Marmorwänden hindurch, gelangt man an ei» vergoldetes Gitterlhor, das den Ausblick auf das Vestibüle und einen Salon gestattet, welche, im idealsten Stile Ludwigs XVI. gehalten, ein glanzvolles Ensemble von Seide, Teppichen, Nippes und Dekorationen in den verwischten Farbentöne» von zartrosa, nilgrün und mattblau bieten: Eine Flucht von kleinen weißen Atlassalons i zur Anprobe bestimmt, während sich links eine Reihe aus das Neichste ausgestatteter Gemächer öffnen, welche zur Ausstellung von Toiletten, als KonversatiouS- und Warteräume gedacht sind. 50 An gestellte, 300 Arbeiterinnen und ein viertel Hundert Zeichnerinnen widmen sich dem Dienste der Schönheit, wobei zum ersten Male die originelle Sitte geübt werden soll, daß eine Zeichnerin vor d-n Vnzen der bestellenden Kundin ein deren Intentionen entsprechendes Kostüm sqsort zeichnet» selbstverständlich, indem sie ihrem eigenen Chic und ihrer eigenen Phantasie den weitesten Spielraum läßt. — Ei»»e Morphinistin vrvhvattttt. In Fünskirchen in Ungarn ereignete sich ein entsetzlicher UnglückSsall. Der dem V.r- bande des dortigen Theaters angehvrig« bekannte Schauspieler Peter Andorffy ging Mittags mit seiner Frau zur Probe und ließ seine Schwiegermutter in ihrem Krankenbette allein zu Hause. Als da» Ehepaar zurückkehrte, fand cs die alle Dame vollständig verkohlt als Leiche im Bette liegen. Es wurde festgestellt, daß ein aus dem Nachtkästchen stehender Leuchter umgefallen tvav und die Bettdecke in Brand gesteckt hatte. Die i»,g ücktiche alte Frau, durch den täglichen Genuß von Morphium ganz entnervt, war derart entkräftet, daß sie das Bett nicht verlassen konnte und den Tod in de» Flammen fand. sagte in empörtem Tone: „Ist es möglich? In solche unsaubere I soiidern die sich i'innierlvähreiid abstoßen. Sie liebt Egon und er Gesellschaft hast Du Dich eingelassen?" I liebt sie, und die Verbindung der Beiden würde eine der glücklichsten „Das habe ick allerdings gelhau," antworte Eduard ironisch. /Ehen auf der Welt gewesen sein. Ich. habe keine Worte —" I Es war eine schwere Anklage für die Tante, die in diesen Worte» „Ist auch gar nicht nöthig!" unterbrach der junge Mann sie. „Ich weiß allein, was ich z» thiin habe!" Sie warf ihm einen bitterbösen Blick zu, aber sein energisches Wese» ließ sie keine Antwort tragen. „Der arme Egon!" sagte der Rentier. Das war ein Ausweg, sich Luft zu machen; sie wandte sich mit entrüsteter Miene und ebensolchem Tone an ihren Bruder. „Wie, D» kannst im Ernste den Herrn — »nsern Vetter Egon meine ich" — ein spitzer Seitenblick traf Eduard — „bedauern? Es ist seine eigene Schuld! So ein Träumer, so ei» Idealist, der ben Kopf voll lauter Allotria hat, ivie konnte es bei dem anders kommen? Es ist nichts weiter geschehen, als was ich längst voraus gesehen habe." „Wenn Du eine so starke Divinationsgabe besitzest," sagte Eduard, „warum hast Du sie dann nicht in einem anderen Falle zur Geltung gebracht?" „In welchem Falle? Was meinst Du?" fragte die Tante scharf. „Hm, ich dächte, sür sehende Augen liegt die Antwort ziemlich nahe." „Ich kann mich, Gott sei Dank, recht gut »och auf meine Augen verlassen," antwortete die Tante mit einer Stimme, scharf wie eine Messerschneide. „So sehe ich zum Beispiel, daß Du ein ungeschliffener, pietätloser Mensch geworden bist, der sich selbst der Achtung für seine opfernng er ihnen verdankt, und statt seiner Tante mit Achtung und Rücksicht zu begegnen, sie verspottet und auf alle mögliche Weise zu chikaniren sucht." „Kurz und gut, Du hast einen Neffen, der ein ganz entarteter und imgerathener Mensch ist!" vollendete Eduard spöttisch. Der Tante Inneres stand in Hellen Flammen. „Daraus erklärt sich auch das Fraternisircn mit Egon, mit diesem für die Welt untauglichen Menschen I Jetzt sehen wir ja nun, wie recht ich damals hatte," wandte sic sich zu dem Rentier, der bei dieser Kontroverse zwischen seiner Schwester und dem Sohne in pein licher Verlegenheit dasaß. „Was hätte daraus werden sollen, wenn ich dem Treiben damals hier im Hause nicht Einhalt gethan hätte! Welche Garantieeii konnte ein solcher Charakter für die Zukunst eines Mädchens bieten? Und wer weiß, ob Sally und er nicht schon jetzt ein Paar wären, wenn ich nicht zeitig genug vorgebeugt hätte!" „Wären sie es nur!" sprach Eduard mit starker Betonung. „Wa—a—as?I" Tanle Franzi'ska starrte ihren Neffen an, als ob sic erforschen müsse, ob er oder sie den Verstand verloren hätte. Es war ihr gar nicht denkbar, wie ein vernünftiger Mensch eine solche Ansicht änßern konnte. Aber Eduard fuhr unbeirrt fort: „Ja, wären Beide ein Paar geworden, es wäre besser! Es stände Alles gut! Sally ist rückhaltslos ausgesprochen wurde, und noch schwerer mußte dieselbe eigentlich Den treffen, dem für das Wohl Sally's zu sorgen die erste natürliche Pflicht oblag, — Sally's Vater. Sie verfehlte auch ihre Wirkung ans den Vater nicht. Der alte Man» befand sich in großer Unruhe; in seinem Gesicht zuckle es krampfhaft,- er machte verzweifelte Versuche zum Sprechen, konnte aber vor Aufregung kein Wort Her vordringen. Seine Blicke wichen verlegen jenen seines Sohnes ans nnd trafen wie i» geheimer Anklage seine Schwester, deren Mienen indeß alles Andere denn Reue vercielhe», solider» in denen cs viel mehr einzig wetterleuchtete wie vor einem Sturme, — einem Gc- witlersturme. Eduard sah wohl den Sturm, der bei der Tante im Anzüge war, aber diese Wahrnehmung ließ ihn völlig unberührt. „Meine Ansicht," sagte er, „ist die, daß das wahre Glück nicht im Besitz, im Neichthnm liegt, sondern in der Befriedigung de» Herzens. Was an Egon's Charakter viel zu weich, zu sensibel war, das würde das Bewußtsein, der Gatte eines über Alles geliebten Weibes zu sein, an ihm gekräftigt haben. Seine ideale Natur ist im Uebrigen kein Vorwurf für ihn. Gerade darin, daß Du sagst, daß er nicht für die Welt taugt, stellst Du selbst unbewußt ihm da» günstigste Zeugniß ans. Schwach ist er gewesen, das ist wahr, aber in dieser Schwäche lag auch wieder eine Stärke: — sein peinliches Ehrgefühl, seine Bescheidenheit. Und nun sind die Beiden uuglück- Erzieher, entschlagc» und der vergessen hat, welche Mühe und Aus-'llich. Egon's Ehe konnte allerdings nimmermehr aus die Dauer gut thnn. Und Sally, unsere Sally — es ist entsetzlich! Statt mit ihren achtzehn Jahre», ihrer Schönheit« ihrem cugelreinen Gcmnth einem Leben voller Glück entgegenznsehc», schon vollständig resignircn müssen, an einen brutalen, arroganten, herzlosen Mann geknüpft zu sein, dessen einziger Werth im Geldbeutel liegt, das ist unendlich traurig! Und da-, Tante," schloß er mit ruhig-ernstem Tone, „das ist Dein Werk. Sally wußte bei ihrer Jugend nicht, was sie that; die Konsequenzen eines solchen Schrilles waren ihr vollständig un bekannt. Du hast nur Werth auf die äußere, glänzende Seile gelegt, aber Sally ist eine Natur, die hauptsächlich mit ihrem Herzen lebt/ Das Geld — das Geld, dieser größte Götze der Welt, der hat Dich verblendet und in Deinen Augen auch jenen Mann vergoldet. Und als ich kam, war cS leider zu spät!" Die Taille lachte hysterisch auf. „Und da wir gerade bei diesem Thema sind," wandte Eduard sich gegen seinen Vater, „so möchte ich Dir eine Mittheilung mache», Papa, eine Mittheilnng, die meine Zukunft betrifft." Seine Stimm« hatte eine» warme» Klang angenommen. „Ich möchte Dich um Deine Einwilligung bitten zu einem Bunde, den ich mit einem Mäd chen geschlossen, welchem ich mich für'» Leben versprochen habe." In das Gesicht des alten Herrn kam wieder ein hellerer Aus druck. Die Tante blickte ihren Neffen erstaunt an und sagte: „Und unglücklich in ihrer Ehe mit Fels. Sie sind ein Paar grund-Ida- erfährt man so vn passant:, nachdem Alles schon abgemacht istl verschiedene Naturen, aber nicht solche, die sich gegenseitig ergänzen/Wer ist denn dieses Mädchen?" (Fortsetzung folgt.) 14. — 18SS. — Beilage zum Chemnitzer General-Anzeiger. Mittwoch, dm IS. Ja,ma§
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