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- Nr. 14. - 18SS. — Diese verbreitetste unparteiische Zeitung erscheint Wochentag- Abends (mit Datum de» nächsten Tages) und lostet mit den sitns wöchentlichen B ciblöttern: Kleine Botschaft, Sächsischer Erzähler» Gerichts-Zeitung, Sächsisches Allerlei, Jllustrirtes Unter« Haltungsblatt, -ei de» Postanstaltc» und bei den Ausgabestellen 5 monatlich 40 Pfennige. 18VS. Postlisle: Nr. 2877. Telegramm - Adresse! «eneralmizesger. genisM «rmelle Nr. >gü. General- Mittwoch, -err 18. Januar. für Chemnitz und Umgegend. (Sächsischer LandeS-An-et-eri, — Gegründet 1»7S als „Anzeiger" »e. vertna «nd Notationsmaschinen-Druck von Alexander Wied« in Ehernnih, Theaterstraße Nr. 8. Anzeige »preis: Sgespalten» Corpnszeile(ca.SS!lbe»sasse»d1 oder deren Naitin l KPfg. (Preis« Verzeichnisse tr Zeile 20 Pfg.) -» Bevorzugte Stelle (Sgespalten» Petit-Zeile circa lt Silben fasse»-) 30 Pfg. — Anzeigen können nur bis Bormittag > 3 tlh« angenommen werden, da Druck und Berbreltnng der großen Auslage längere Zeit erfordern. Geschäftliche Anzeiger-Inserat« finden für billigsten Preis zugleich Verbreitung durch di« täglich erscheinende Chemnitzer Msellbahli-Zeitttllg. ' Politische Rundschau. Chemnitz, 17. Januar 1899. Deutsches Reich. — Am Montag Bormittag um 12 Uhr fand im Weißen Saale de- königlichen Schlosse- in Berlin die feierliche Eröffnung de ppen ßi sch e» Landtags statt. Nachdem die überaus zahlreich erschienenen Mitglieder beider Häuser de- Landtag- im Weiße» Saale versammelt waren, zog die Schloßgarde auf. Hierauf erschien der Kaiser in der Uniform- der Garde du Korps und trat unter den Baldachin, der, mit der Königskcone in de» preußischen Farbe» ge» schmückt, über dem Thronsessel sich erhob. Die anwesenden Prinzen und Offiziere stellten sich rechts, die Staatsminister links vom Throne ans. In der Loge nahm die Kaiserin mit dem jüngsten Prinzen und der Prinzessin Platz. Fürst zu Wied brachte ei» Hoch auf den Kaiser aus. Hierauf überreicht« der Ministerpräsident Fürst zu Hohenlohe die Thronrede. Ter Kaiser bedeckte das Haupt und ver« las die Rede mit lauter Stimme. Die Stelle» der Thronrede, welche die Waarenhäuscr-Vorlage, die Kanal-Vorlage und den Schutz der Landwirihschast betreffen, wurde» mit lautem Beifall ausgenommen; ebenso ertönte nach dem Schlüsse der Thronrede Beifall. Der Ministerpräsident erklärte den Landtag für eröffnet, worauf der Alterspräsident des Abgeordnetenhauses Geh. Regierungsralh v. Voß ein zweites Hoch auf dn, Kaiser ausbrachle. — Die „Kölnische Zeitung" erörtert die Möglichkeit, daß die Karolinen durch Deutschland angekauft würden und be fürwortet einen d.rartigen Ankauf unter Hinweis darauf, daß diese Inselgruppe in diu Rahmen der heutigen deutschen Besitzungen in dieser Weltgegend gehöre, und daß es thöricht und unpassend wäre, wenn man euglischerfeits gegen eine solche Erwerbung Einspruch er heben wollte. — Ei» Bund der Arbeitgeber Berlin- zur Bekämpsung der Streiks nach dem Muster Hamburg- wird, einer Lokalkorrespondenz zufolge, in nächster Zeit gegründet werden. Der Statutenentwurf ist ber.itS fertig gestellt. Der Bund wird sowohl Groß- wie Klein gewerbetreibende aller Branchen »msassen. Bezweckt wird die Unter drücknng frivoler Streiks und Gründung einer allgemeinen Streik kasse, a s welcher die von frivolen Streiks betroffene» Arbeitgeber unterstützt werden sollen. Ausland. Oesterreich-Ungarn. Am Sonntag fand in Wien eine von Schvenerer einberufene Bertrauensmänner-Versammlung statt, welcher über den Austritt aus der katholische» Kirche berathe» wurde. Erichicne» waren 800 Personen aus fast allen Kronländern, insbe sondere stark war Böhmen vertreten, die Abgeordneten Wolf und Ir», Vertreter des evangelischen Bundes, des Altdeutsche» Berbandes, sowie viele Frauen. Auf de» Vorschlag Schoenerers wurde gleich zu Beginn der Versammlung einstimmig der grundsätzliche Beschluß des Austrittes gefaßt, va die Störung der Versammlung durch die Polizei vorauszusehen war. Der Austritt erfolgt, wenn sich zehn tausend Personen hierzu bereit erklärt haben. Hierauf folgte eine Debatte. Arbeiterführer Stein aus Eger befürwortete den Uebcrtritt zum Lutherthum. Der Obmann des österreichischen Altkatholiken- Vereines sprach seine Zustimmung zy dem Uebertritt aus und will für die Altkatholiken nicht Stimmung machen. Der Austritt sei überhaupt die Hauptsache. Der Anwalt Eisenkolb aus Karbitz be richtete über die Bewegung in Deutschböhmen. Während der Rede desselben erschien ein Polizeikommissar und verlangte die Präsenzliste. Di se Forderung wurde für ungesetzlich erklärt, worauf der Kommissar, offenbar auf höhere Weisung, die Bcrsamnflmig untersagte. Stürmische Rufe: „Los von Rom", „Heil Alldeutschlund*, „Nieder mit Thun". Unter Absingung von „Deutschland, Deutschland über Alles" leerte sich der Saal. Am Nachmittag fand eine vertrauliche Besprechung über die Organisation der Uebertrittsbewegung statt. ES wurden einschlägige Beschlüsse gefaßt. Frankreich. In der Deputirtenkammer bea»tragten die Dcputirten Mesureux und Dupuy-Dutemps, daß die Kammer sofort in die Beraihung des Budgets eintrete. (Beifall.) Der antisemitische Deputirte Faure wünschte, die Regierung über die Ver zögerung zu interpelliren, welche die Verhandlung des Kriegsgerichts gegen Picquart erfahren habe. Ministerpräsident Dupuy beantragte die Verschiebung der Interpellation um einen Monat. Dies wurde mit 422 gegen 74 Stimmen beschlossen. Die Kammer begann so dann mit der Berathung des Budgets. Der Anwalt Esterhazys hat am Montag srüh rin Schreiben des Staatsanwalts erhallen, wonach Esterhazy ohne Ve lästizung vor dem Kassationrhos erscheinen könne. Der Anwalt hat daraus an Esterhazy telegraphirt, der jedoch von Holland nach London abgereist ist. ES wird daher unmöglich sein, daß Esterhazy am l7. Januar vor dem Kassationshof erscheinen kann. Spanien. Die Madrider Blätter theilen mit, daß sie von den Philippinen keine Drahtnachrichten erhalten haben. Die Wa,m beginnt es? Ueber die gegenwärtig viel umstriltene Frage hinsichtlich des Beginnes des neuen Jahrhunderts bringt die „Neue Freie Presse" folgende amüsante Plauderei: Es ist noch nicht da, und schon beschäftigt eS unseren Sinn, schon spielen wir mit ihm, schon neckt es uns ei» wenig. Viele, die das neue Jahrhundert nicht erleben werden, quälen sich jetzt mit der Frage, wann cs eigentlich beginne. Das sind offenbar glückliche Menschen, Jeder ei» kleiner Archimedcs, der mitten im WaffengelöS seine Kreise nachdcntlich im Sande beschreibt. Sei die Zeit noch so ernst, der Himmel schwarz, die Erde trauervoll, sie lassen sich, die Beiieidenswerthen, in ihrer Rechnung nicht stören. Man muß doch wissen, wie man sich am letzten Tage des gegenwärtigen Jahres be nehmen soll, man muß cs womöglich heute schon wissen, sonst läuft mau Gefahr, vom Gott der Zeiten wie ein Schuljunge ausgelacht zu werden. Das wäre zu ärgerlich, wenn wir das neue Jahrhundert feierte», bevor cs angekommen oder nachdem es längst ei'ngelrofsen, entweder zu früh oder zu spät! Deshalb muß man heranskriegen, wohin man seine» Anfang zu setzen hat, in's Jahr 1900 oder in's Jahr 1901. So kieinlich sie scheinen möge», für den sterbliche» Menschen habe» solcherlei Fragen immerhin einige Wichtigkeit. Ohne tiefere Zeitcinschnitle bliebe ihm die Geschichte kaum faßbar, würde er die Ueversicht über das eigene Leben vertieren. Nur der Zcitgott selber ist kalt und gleichgil ig gegen die Zeit. Gedankenlos, in unwandelbar gemessenem Rhythmus haspelt er seine Un endlichkeit herunter und weiß nichts vom Wechsel der Jahr hunderte und zählt nicht die Jahrtausende. Scheidet ei» Säkulnm, so steht auch schon die Wiege des neue» vor unsere» Augen, und zwischen Kvmmci, und Gehen ist nicht Raum für ei» Härchen, nicht Zeit für einen Athemzug, und das Schnellste, was es hienieden giebt, der Gedanke, vermöchte auss diescm Scheitel nicht Anfang und Ende zu finden. Anders stellt sich der Mensch die Sache vor. Es ist doch eine Art Schauspiel für ihn, wenn ein neues Jahrhundert daher« kommt, ein Schauspiel, das ihm freilich nur in seiner Phantasie er scheint. Zwischen Jahr und Jahr sieht er eine Schwelle, die er mit Rosen bestreut, vor dem angehenden Säkulnm wölbt sich ihm hoch und feierlich eine Pforte, durch welche seine Wünsche und Hoffnungen iin Jnbelreigen ihren Einzug halten. Harfe» und Cymbel» müssen eriönen, alle Glocken müssen läuten, wenn ein solcher Zeitabschnitt beginnt. „Feste dieser Art sind die Poesie des Lebens," schreibt Körner aus Dresden nach Weimar an seinen Freund Schiller, indem er ihm erzählt, wie er i» seinem Hause den Eintritt eines neuen Jahrhunderts gefeiert habe. Beim ersten Glvckenschlage der Mittcr- «achisstunde ertönte sanfte Musik, und allen Anwesende» wurden rasch die Augen verbunden. Als dann unter Gesang die Binde» ab- genommen wurden, sah man drei liebliche Frauen, welche, bluinen- geschmückt nnd halb verschleiert, eine Hebe kränzten, die Göttin der Jugend. Und das Datum des kleinen Fcimilienfistcs, das in Aus der Geschichte des schwarzer» Udlerordens. Eine Skizze zum Ordcnsfeste, 18. Januar. Von Otfried Meckert. (Nachdruck verboten.) Im alten KönigSschlosse a» der Spree wird alljährlich eint, , eremonie begangen, die an großartigem nnd eigeuthümlichem Pomp« n Deutschland ihres Gleichen sucht. In ihren prächtigen, blau ge- ütterten rolhen Sammetmänteln schreiten dann feierlichen Zuges die iitter de- Schwarzen Adlerorden- in das seit Alter» dafür bestimmt« Gemach zu dem Ordens-Souverän und halten gemeinsam »nt ihm hinter verschlossenen Thüren das Kapitel des Ordens ab. Dann aber öffnen sich die Thüren wieder, und es erfolgt die Investitur der neu ernannten Ritter, die, von ihren Parrains geleitet, sich vor den OrdeiiSsonverän begebe» und, nachdem sie in seine Hand feierlich gelobt haben, den Statute» des Orden» treu zu sein, seine Insignien von ihm empfangen. » Wenn diese höfische Feier mehr Beachtung findet, als andere ihrer Art, so kommt das unzweifelhaft auf die Rechnung de» historischen Interesses, das sich mit ihr verbindet. Kan» sich auch der Schwarze Adlerorden an Alter mit Orden, wie dem ehrwürdige» Goldenen Vließe, dem Hosenband- und dem Elephantcnvrdeu von Dänemark nicht messen, so steht er doch an Ansehen nicht hinter ihnen zurück. Mit Preußen-De»t,chland selbst steigend, ist er unser vornehmster Orden geworden, und es spiegelt seine Geschichte in engem Rahmen auch von unserer allgemeinen Geschichte ein gute» Stück wieder; es treten in ihr Fürste»charaktere und Fürstenintcressen, Zeiten und Menschen, Größe und Verfall in interessanter Weis« hervor. Vor zwei Jahrhunderten waren die Ideen der alten Ritterorden noch nicht vollkommen verblichen. Noch fühlten sich die Orden als eine zusammengehörige Gesellschaft AuSerwählter und es bestand ein« Neigung zu solchen Gründungen, wie man ans der Geschichte der bekannten, sener Zeit ungehörigen littrrarischen Orden erkennen kann. Hattensabrr die Ritterorden den Boden ihrer Wirksamkeit längst eiugebützt, so bot ihnen in veränderter Gestalt da» nach Ausprägung und Er höhung seiner Würde begierige Jürstenthum einen ueuen Spielraum. Amerikaner lassen keine chiff'rirte» Telegramme durch, und General l Niemand erkannte das besser, als der mit einem starken Sinne für Rio» ist gezwungen, seine Drahtmeldnngen mittels Schiffs nach Hongkong zu senden. Hernsr wi'rd berichtet, dastdje Aufständischen Manila von der Landseite aus völlig einschließen. Schweden. Wegen Unwohlseins des Königs wird, wie aus Stockholm gemeldet wird, der Reichstag kommenden Mittwoch nicht vom Könige, sondern vom Staatsmiuister Boström eröffnet werden. Der herkömmliche Hofball an dem Geburtstage de- Königs, den» 21. Januar, ist aufgegeben, nnd der beabsichtigte Besuch des dänischen Kronprinzen Paares am gleichen Tage aufgeschoben worden. seiner flüchtigen Schilderung wie eines von den hübschen Miniatur- bildern jener Tage aninuthct, zart auf Elfenbein gestrichen? Es war am 1. Januar 1801. Diese Ziffer führt uns mitte» unter die Kämpfenden. Darüber wurde ja auch schon vor hundert Jahren gestritten, ob 1800 od.r 1801, und zweifellos wird sich der Streit bei jeder Jahrhundert wende erneuern, denn es handelt sich um einen Zwiespalt zwischen Begriff und Anschauung, zwischen dem, was unser Verstand gntheißt, und dem, was unsere Augen sehen. Da kommt eines Tages eine stolze runde Ziffer herbeigerollt, 1300, 1900. schließlich gar 2000; sie bilde! den Anfang einer neue» Zifferreihe, und Nichts ist natür licher, als daß man sie auch für das Anfangszeichen eines neuen Sälulums halte. Sofort rührt sich aber der Verstand und belehrt uns über diese optische Täuschung: nicht de» Anfang, sonder» das Ende des Säkuluws bedeute vie stolze runde Ziffer, sie beginne nicht, sic schließe ab. Das Auge gewöhnt sich aber sehr schwer an diesen Widerspruch zwischen Zahlenwerth und Zahlenbild, und der gestrenge Rechenmeister mag es ihn, an den zehn Fingern vvrrechnen, daß 1900 keinen Anfang bedeutet, das Auge wird doch immer wieder in den alten Fehler zurück fallen. Es ist ein Sieg der Sinne über de» Jniellekt, ein Jrrthum sicherlich, doch einer von denen, welche» die bedeutendsten Menschen ausgesetzt sind. Wer dieser Täuschung sich hingiebt, befindet sich in sehr guter Gesellschaft. In Weimar, Deutschlands geistiger Haupt- stadt, nannten sich Alle, welche das Jahr 1799 für das letzte des Jahrhunderts hielten, Neumindneuuziger, und selbst Goethe und Schiller galten als Führer dieser cjgenthümlichcn Menschensorte. Die Olympier Ware». Neunmidneunziger, Goethe zumal, der große Mann der Wissenschaft, indessen alle nüchternen, vernünstigen Leute, alle Gescheite» und Gerechten ohne Zweifel als Hunderter verehrt wurden. Diese triumphirlen ja auch zum Schluffe, und Schiller ging mi! Sack und Pack zu ihnen über. Schon im November 1800 schreibt er an Körner von den Festlichkeiten, mit welchen inan in Weimar den Jahrhundertwechsel lustig zu feiern gedachte. Er war die Seele des Unternehmens. Volksfeste, Galavorstellungen im Theater, Bälle, Konzerte sollten im Januar stattfindc», berühmte Sänger »nd Schauspieler hatte man aus Berlin verschriebe». Dies scheint die Eifersucht der schönen Jagemann erregt zn haben, welche die Geliebte des Herzogs mar. Die Feier wurde untersagt; die Zeit tauge nicht für Festtichk.lten. Im Grunde hatte Kurl Augckst Recht. Ganz Deutschland befand sich in größter Bedrängnis;, als das neue Säkulnm nahte. In Wien sah inan es unter Angst und Bangen herankomme». Seit Ende November donnerten wieder die Kanonen. Am 3. Dezember wurde die unglückliche Schlacht bei Hohenlinden geschlagen. Die Franzose» hielt?» Salzburg besetzt und rückten gegen Linz vor; in wenigen Tagen konnte der Feind vor den Thoren Wiens sich befinden; im Süden wurde» die Oesterceichcr am 1. Januar über die Etsch zurnckgcwvrfen. Nvly und Drangsal, wohin man sich wcndclc. Die Wiener fühlten sich wahrlich nicht aufgelegt, ei» Jahrbunbert i» Frohsinn zu begrüßen, das so kläglich «»sing, als bas alte geschloffen Halle. all«- Repräsentative begabte Kurprinz Friedrich, der di« feierlichen Formen, die Zeremonien, die höfischen Sitten liebte. Scho» im Aller von 10 Jahren halt« er (ähnlich wie später Friedrich der Große in seiner Rhtinsberger Zeit) «inen Ritterorden gestiftet und die große Freude, die er über die Aufnahme in den Elcphanten- und und später in den Hosenbandorden empfand und bezeigte, beweist, welchen Respekt ihn, diese exklusivsten und vornehmsten aller Orden einflößte». So war es natürlich, daß er als Herrscher an die Aus führung des Planes schritt, auch seinen Thron durch eine erwählte Ganz Deutschland theiltc diese Stimmung. In seine» „Künstlern" (1788 bis 1789) hatte Schiller gesungen: „Wie schön, o Mensch, mit Deinem Palinenzwei'ge — stehst Du an des Jahrhunderts Neige!" Seither ivar der grüne Zweig elendiglich verwelkt, nnd nun ertönte des Dichters Klege: „Edier Freund! Wo öffnet sich dem Frieden — wo cer Freiheit sich ein Zufluchtsort? — Dos Jahrhundert ist im Sturm geschieden — und ons neue öffnet sich mit Mord." Trotz der „säkularischen Festlichkeiten", bei welchen er milthnn wollte ist eine Seele auf den Grnndlon des düstersten Pessimismus gestimmt: .Endlos liegt die Welt vor Deinen Blicke», — und die Schifffahrt elbst vermißt sie kaum, — doch ans ihrem uncrmess'nen Rücken — ist sür zehen Glückliche nicht Raum". Weimar begnügte sich daher mit eilier ziemlich bescheidenen Jahrhundertfeier. „Am Nenjahrs- abend," heißt es in einem Briefe Schiller's an Körner, „wurde die „Schöpfung" von Haydn anfgeführt, an der ich aber wenig Freude hatte, weil sie ein charakterloser Mischmasch ist." Um so größeren Genuß gewährte ihm Tags dacauf Glnck's „Jphigcnia auf Tauris": „eine Welt der Harmonie, die gerade zur Seele dringt »nd in süßer hoher Wehmuth auflüst". Recht traurige Folgen hatte die Wiegen- eiec des Jahrhunderts sür Goethe, den Neunundneunziger. Er erkrankte in dessen crsten Taz.n a» einer Blatterrose, nnd eine Zeit lang fürchtete man sür sein Leben. Alle.» der starke Mann vermocht« noch dem Tode den Herrn zu zeigen, nnd von der Schwelle der Ewigkeit kehrte er bald in diese Welt zurück, um unter den paar Glück.ichen, von welchen der Freund gesungen, seinen weichgepolsterte», mit Blumen verzierten Sitz einzunchmen. Begreiflich war es, daß in den hart bedrängten deutschen Landen die Festesstimmung nur schüchtern nnd zaghaft sich rührte. Wie aber stand cs damit jeiijeits des Rheines, in Frankreih, im Lande des Siegers? Dort gab es wohl Jubel über Jubel, herrschte Freude in Hütte und Palast, wurde ohne Zweifel der heiligt Sylvester niemals in so fröhlicher, ausgela,sener Nachtwache gefeiert, als an jenem Tage, da er die Menjcyc» aus einem Jahrhundert in's andece geleitete? Wer sich Achnlichcs einbildet, vergißt nur, daß cs damals bei den Franzosen gar keinen Jahrhiindertmcchsel gab. Man rechnete die Zeit nach öcm republikanischen Kalender. Am 1. Januar 1801 schrieb man der, 1l. Nirose des Jahres IX. Der Mann, welcher das neue Säknln», zu beherrsch.» sich aiischicklc, der mit gezücktem Schwert drohend unter der Einfahrt stand, Bonapnrle, der erste Konsul, bald der Regent des Jahrhunderts, er jührte an diesem Tage den Vorsitz einer StncitsrathSsitzung, in welcher nur gewaltsame Maßregeln, Kerker, Schassvt, Proskription und Deportation beschlossen wurden. Wenige Tage zuvor war der Goltähnliche a» seine Sterblichkeit gemahnt worden. Als er am 24. Dezember 1800 zur Oper fuhr, flog unter seinem Wege eine Höllenmaschine in die Lust, und nur dem Geschick und der Kaltblütigkeit seincS deutschen Kutschers hatte, er sein» Retluug zu danken. In der Oper zeigt« er sich dennoch. Hahdn's „Schönung" wurde nnftzefuhrt, welche damals die Rund« durch Europa machte. Die Sänger beglückwünschten ihn zum Schluff«. „Ich oaute Ihne»,' sagte der Gewaltige, „Sie haben w e d!«