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— Nr. 34. — 1»SS. — Seilkge zum Chemnitzer General-Anzeiger. Freitag, de,» 10. Fedruar. Die Dorf-Komödianten. Bunte Bilder aus der Viihnenwelt. Von Julius Theiß-Chemnitz. (t. Fortsetzung.) flk-ichdruck verbot,».) Endlich fand der alte Komödiant zuerst die Sprache wieder. »Ja, seh' ich recht?" rief er, immer noch zweifelnd nach dem Fenster blickend; „seh' ich recht oder täuscht mich eine Luftspiegelung? Cornelius! Herzensjuuge! Bist Du es wirklich?* Der To», mit welchem der Alte die letzten Worte sprach, drückte eine so lebhafte Gemttthsbcweguiig aus, daß nicht nur Kaspar und Hanne den Sprecher mit große» Augen ansahen, sondern auch der in die Höhe geschossene Bursche seinen Wandergesährten erstaunt betrachtete. Solche warmempsundenc Worte hatte er von diesem »och nie vernommen. Der mit Cornelius angeredete junge Schauspieler oben am Fenster halte inzwischen die Arme mit unverkennbarer Herzlichkeit nach dem alten Kollegen aasgestreckt und rief nun, nicht minder be wegt wie dieser: „Ja, ich bin's, Langhof, alter, lieber Freund, und heiße Dich herzlich willkommen!* - „Ja, was machst Du denn hier, mein Sohn?* frug der Alt« Wieder, dem der herzliche Ton des jungen Mannes offenbar wohl that. »Ich gastire hier, alter Freund, in Gottes schöner, herrlicher Natur!" antwortete der junge Künstler. „Wer zählt die Völker, »»mit die Namen, die gastlich hier zu sammen kamen?" warf der Thespis-Jünger mit dem lyrischen Timbre ein. Ter mite Laughof sah etwas zweifelhaft zum Fenster hinauf. „Du gastirst hier?" frag er dann mit leichtem Kopfschüttcl». „Das heißt —" „Das heißt,* unterbrach Cornelius de» Frager, „ich bringe hier auf diesem herrlichen Fleckchen Erde meine Sommerferien zu. Aber das läßt sich Alles besser bei einem Glase Bier oder Wein bespreche». Ihr sucht, wie ich hörte, den Gasthof auf, wo Ihr die lieben Falkeuburger mit den Klassikern aller Nationen bekannt machen wollt —* „Ja," unterbrach ihn Langhof, „das beabsichtigten wir, sobald die ganze Bande da ist. O, wir haben ein treffliches, gewähltes Repertoire „Die Blinde von Paris," „Der Lastträger von Lissabon," „Genoveva," „Ter Mann mit der eisernen Maske* und ähnliche klassische Wecke." „Nun liegt Euch aber hauptsächlich daran," fuhr der oben im Fenster fort, „die müden Glieder zu stärke» und den knurrenden Magen zu befriedigen.* „O, wie wahr!" flötete der Lange in melodischem Falsett. „Wenn Ihr diese Straße hinuutergcht," erklärte Cornelius, den Beiden die Richtung mit der Rechten andeutend, während er seine Worte direkt au den alten Laughof richtete, „dann kommt Ihr auf einen weiten Platz, den sogenannte» Anger, wendet Euch daun linker Hand und wandert fort, bis Ihr a» den Brunnen kommt; dem Brunnen gerade gegenüber befindet sich der „Koblenzer Hof," der Ort Eurer zukünftigen Thaten, Vorläufig könnt Ihr immer vorausgehen, aller Freund, und Euch diesen Abend — der Herr Kollege, den Ihr da bei Euch habt, natürlich auch! — als meine Gäste bct>a<^' . " „Heil dem friedlichen Flnrenbewohuer!" rief der Blonde mit Emphase, das Hütchen schwenkend und einen Schritt rückwärts thuend, wobei er Kaspare» auf den Fuß trat. „O, Dunnerwcerl* schrie dieser und hob im Schmerze den ge tretene» Fuß in die Höhe, während sr sich gleichzeitig mit der rechten Hand hinter dem Ohre kratzte. „Sie Han g'wiß Eise» an die Slicwel!" Ei» menschenfreundlicher Schuhmacher hat mir allerdings die Absätze bepanzert," bestätigte dep Lange; „aber im Allgemeinen ist mein Tritt zierlich und leicht, wie Sie sich in dem schönen Stücke: „Lydia, die Waldfee" überzeugen können, worin ich einen Elfenkönig darstelle.* .Der holden Jungfrau hier," unterbrach Langhof den Schwätzer, indem er sich an Hanne wandte, „verdanke ich dies freudige Wieder sehen. Möge Zeus Dich beschützen, liebliche Maid, und Amor Dein Gefährte sein!" „Die neue Bekanntschaft verspricht auch für mich günstige Folgen zu haben," nahm der hagere Jüngling wieder das Wort. „Aus Er kenntlichkeit dafür iverde ich Ihnen zu meinem Benefiz eine Eintritts karte senden." Bei den letzten Worten sah der Sprecher schmachtend auf Hanne, die sich mit einem Anflug von Unbehagen die wirren Haare aus der Stirne strich. „Nun haltet Euch nicht länger auf!" mahnte Cornelius die Beiden zum Aufbruch. „Ich will mich nur schnell umkleiden und komme Euch dann nach." Die beiden Gefährten nickten Cornelius verständnißvoll zu, ver abschiedete» sich alsdann mit einigen Höflichkcitsphrasen von dem Liebespärchen und schritten hierauf die Dorfstraße hinunter nach dem Anger zu. * «° * Das Zusammentreffen mit Laughof hüte bei Cornelius die widersprechendsten Empfindungen hervorgerufen. Thesis freute er sich über das Wiedersehen des alte» Kollegen, dem er seinerzeit als An fänger, manche Anregung zu verdanken halte; andererseits wieder be klagte er das Geschick des alten Komödianten, das diesen, wie er sich eben überzeugt hatte, auf eine so holperige Bah» geworfen hatte. Während sich der junge Künstler umzog, gedachte er der selt same» Umstände, die ihn selbst zur Bühne gebracht und niit Langhos znsammengcführt halten. Cornelius gehörte der Familie eines höhere» Staatsbeamten an. Sein Vater hatte ihn gleichfalls für die juristische Laufbahn be stimmt. Es lag nun freilich nicht ganz im Sinne des junge» «Cornelius, sich der Nechtsgelehrsamkesi zu widmen, allein er fügte sich schließlich de», Wille» seines gestrengen Vaters und bezog nach Absolvirnng des Gymnasiums die Universität in Heidclberg. Nach sonders aber fesselte ihn das Burgthcalcr mit seine» damaligen Koryphäen: Ludwig Löwe, La Roche, Meixuer, Fritz Beckmann; insbesondere war es der in jener Zeit »och jugendliche Sonnenthal, für den er geradezu schwärmte. Er wurde von der Darstellnngs- weise dieser Künstler dermaßen hingerissen, daß sein lang gehegter Wunsch, sich der Bühne zu widmen, entschieden zum Durchbruch kam. Durch cinen Bekannte» wurde Cornelius bei Ludwig Löwe ein- geführt und diesem gefiel der junge Mann mit seiner Begeisterung für die dramalische Kunst so sehr, daß er sich entschloß, dessen Lehrer zu werden. Cornelius Mutter billigte, wenn auch widerstrebend, das Vorhaben ihres Sohnes und so wurde dieser alsbald ein Schüler des berühmten Tragöde». Nach zweijährigem Studium hielt eS Meister Löwe für gerathe», daß sein Schützling die Bretter, welche die Welt bedeuten, betreten solle. Damit dieser sich jedoch zuvor die nöthige Routine aneigne, vcranlaßte Löwe seinen Schüler, ein Engage ment a» einer kleinen Bühne in Deutschland anzunehmen. So kam Cornelius durch Vermittelung seines Lehrers zunächst nach Bernburg. Hier nun war es, wo er zuerst mit Langhof zusammen- traf, der sich in seiner Eigenschaft als Regisseur des Anfänger- in der uneigennützigsten Weise annahni. Langhof, dessen Familienname eigentlich Labary lautete — den Namen Labary hatte er auch, bevor ihn das widrige Geschick auf ein abschüssiges Niveau drängte, an der Bühne geführt — also Labary-Langhof stammle vo» einer Emigrantenfamilie ab, die i» der Zeit der ersten französischen Revolution gezwungen wurde, Frankreich zu verlassen, sich nach Deutschland flüchtete «nd dann in Berlin ein Asyl gesunde» hatte. Als Coruelius ihn kennen lernte, war sein Stern schon im Sinke» begriffen, allein er war immer noch ein tüchtiger Schauspieler und vor alle» Dingen ein vortrefflicher Regisseur. Dabei war Langhof ein ausgezeichneter Gesellschafter, außerordentlich witzig und uner schöpflich Im Erzähle» vo» allerlei Schnurre» und Anekdoten. Was Cornelius hierbei am wohlthueudsten berührte, war der Umstand, daß Langhof nie zotig oder frivol wurde, es vielmehr mit feinem Takte vermied, das Zartgefühl des Jünglings zu verletze». WaS Wunder also, daß sich Cornelius mit der ganzen Innigkeit seines Wesens an den ältere» Kollegen anschloß. Die herzliche Zuneigung, die Beide für einander gefaßt hatten, sollte sich durch einen Zwischenfall nur »och inniger gestalte». Langhof hatte eines Abends in dem bekannten Hahn'schcn Einakter: Im Vorzimmer Sr. Excellcuz* den alten Diälistcn Jeremias Ehre- golt Knabe gespielt. Es war eine Mcisterleistung, die nicht nur vom Publikum, sondern auch von den Kollegen anerkannt wurde. Nament lich wurde die Schlußszene, in welcher der alte, arme Schreiber seine Pflegetochter wiederfindct, von Langhof so erschütternd dargestcllt, daß im ganzen Znschauerranm kein Auge thränenlccr blieb. Auch de ? Ms ^ Jahre la^ Glissen die buchtet hatte, war gewidmet halte, starb sein Vater, und nur die Bitten der Mutter!^" d°r DarEcngzwecse Langhos's dermaßen hmgercsien, daß er vermochten es, den jugendlichen Idealisten noch fernerhin bei den! ^ allen Genossen znesite und Pandekten festzuhalten. Da unternahm Cornelius einst während deri^" ^ bewegt m die Arme schloß. Ferien eine Reise nach Wien und die- sollte für seine ganze fernere! (Fortsetzung folgt.) Lebenszeit bedeutungsvoll werden. Der Aufenthalt in der lebens-! lnstjgen Kaiserstadt bot ihm eine Fülle neuer Eindrücke; ganz be-I -Humoristisches Atterter. Anch ein Znschlag-Lillet. Angeklagter: „Ja. wissen's, Herr Amts« richter, im Wage», wo ich g'fahren bin, hals noch Schlägerei gegeben, und weil ich a Zuschlag- Villet g'habt Hab', so war ich doch berechtigt, auch a bisl zuzuschlagen!" Faschings-Poesie. „Jch bitt' Sic,Doktor, sehau'n Sie nur, Wie 's Mädel sich verändert, Vo» Lustigkeit fast keine Spur, Das Ange trüb nmräudert. Mau hat mit Karten molcstirt Zu einem Ball mich heute, Doch habe ich sie retvurnirt, Weil ich die Kosten scheute - . ." Der Doktor prüft den schwere» Fall, Liest in des Mädchens Herzen Und spricht; „Dem Fräulein fehlt— der Ball. Sonst hat sie keine Schmerzen." Wenn Einer, der nicht tanzen kann, Tanzlorbeern auf dem Ball such«, Daun hüte Dich vor diesem Mann, Er leidet an der „Fallsucht". Der Zweite auch, der stnrmesschuell Dich sorlzuwirbclu, Kind, sucht, Ist ein gefährlicher Gesell' — Er hat die „Tanzgcschniudsncht". Nur Jener, der nicht vlump, nicht wild Benützt der Tänze Buntheit, Besitzt— und dieser Grundsatz gilt — Die rechte „Ballgcsuudhcit*. Kin-ermtlnd. Ein Lehrer hat folgenden kleinen Strauß kindlicher Aussprüche gesammelt: Die Ohren der Katze sind aufrichtig. — „Wo kommt die Eidechse zumeist vor?" „,,J»i Spiritus!** — Dem kleinen Felix wird die erste Jndianer- gcschichte vorgelescn, die von schauerlichen Urwalddurchwauderuiigeu berichtet. „Gott", sagt er, „die Leut' sind dumm. Warum geh'» sie denn durch den Urwald? Ich ginge um ihn einfach herum!* —Ei» ander Mal erklärt man ihm de» Nutzen und Vorthcil einer Festung. tz,Sind die Mauern dazu da, daß die Soldaten Nicht herausfallcn?" fragt der kleine Kerl. L,n Dusel. s Betrunkener (der mit dem Kopfe im CLasserlümpcl liegt, sich schüttelnd): „Brr, hat -das Bier heute wieder einen schlechten Nach geschmack!" Äbgefiihrt. Der geckenhafte Sohn eines reiche» Mannes nahm sich die Freiheit, bei einer Gesellschaft im Hause seines Vaters einen Gast mit „Papa Meyer" anznredcn. Dieser bemerkte ihm freundlich: „Nennen Sie mich, bitte, nicht Papa! Es ist mir nicht deshalb unangenehm, weil man mich etwa für so alt halten möchte, sondern weil ich fürchte, daß man mich als „Papa" für Ihre schlechte Erziehung vcrant- wörtlich machen könnte!" Illik Ü6 81661«. Mama: „Aber Kind, Du liest ein Buch über Kindererziehung? Was soll den» da- heiße»?* Lieschen: „Weißt Du. Mama, ich lese nur nach, ob Du und der Papa mich a»ch richtig erziehen thut." Nr. 6. Beiblatt zinn „Chcninttzer Geiirral-Aiizelger" und zum „Sächsische» Landnöte»". 189». Am Waldquell. In der stillen Dämmerstunde Sind die Sterne aufgewacht, Hoch vom blauen Himmoksrnnds Dringt ihr Leuchten durch die Nacht. Tief im Wald schwillt eine Csnelle Ans der Erde dunklem Schooß; Fluchend drängt die junge Welle Sich durch's eisumstarrte Moos. Und nun blinkt zum Tuell, dem dunkeln, Sanftes Sternenlicht herein: Sieh', die reinen Fluchen funkeln Leuchtend auf im Himmelsschein! Ludwig «Zrimm. Redaktion. Druck und Vcrkaa: Al er ander Wiede in Chemnitz. Ein „Millionär"! Der Karneval zeitigt allerhand Ulk. Be sonders auch i»> Jnscralcntheil der Zeitungen kan» man viel Lustiges lesen. So ist kürzlich ei» netter Spaß vorgekomme». Steht da in einer Zeitung: !! Million!! Millionär sucht ein hübsches Weibchen. Briefe befördert die Expedition. Es kann sich Jeder denken, wie's i» der Expedition zugcgangcn ist. Am ersten Tag haben sie schon dreimal das Schiebefenster ein gedrückt und am zweiten Tag hat die Straße für den Fnhrwcrksverkehr gesperrt werden müssen. Der Expeditor war ganz blau und icoth und wär' bald erstickt in den Bricslawincn und am Abend ist ihm gar eine ganz Emanzipirtc uachgclaufe», hat ihm ein Papier« Messer auf die Brust gesetzt und hat so von ihm de» Namen des Millionärs heransgnetschcn wolle», den er aber zum Glück selber nicht gewußt hat. Seitdem dieses Inserat erschienen Ivar, hat sich unser Nachbarstöchtcrl — die Mathilde — ganz merkwürdig verändert. Sic Ivar zwar mit einem Zuschneider — einem sehr ordentliche» Menschen — schon so gui wie versprochen; aber vo» der Stund' an habe» sich die Beziehungen ihrerseits sehr erkältet und der arme Zuschneider ist ganz närrisch 'rum- gclaufen, wie wenn er de» schönsten Frack zer schnitten hätte. Sie u»d ihre Angehörigen haben allerhand gchcimmßvvlle Andeutungen falten lasse». „Wer weiß", hat ihre Mutter beim Metzger gesagt, wie ihr der nicht anderlhalo Psnnd Fleisch hat pumpen wolle», „vielleicht komm' ich bald vierspännig angcfahreu zum Fleisch- hvlen!" Und die Mathilde selber hat gegenüber dem Bäckerburschen gemeint: „Jetzt werde» höchstens noch 14 Tag' Dreierbrövchc» zum Kaffee und Kommisbrot am Abend gegessen — daun giebt's nur mehr das feinste Bist-gusit!" Die Nachbarschaft hat sich den Kopf zer brach n und die Mäuler schier ausgespcrrt vor Neugier. Haben sic eine Erbschaft gemacht oder gar bankerott oder haben sie das große Loos gewonnen oder was ist den» sonst de» Leutchen so in den Kopf gestiegen? Aber Niemand ivar ans de» dunkle» An deutungen recht klar geworden. Mit einem Schlag war cs aber wieder richtig. Die Mutter hat wieder Knttclflccke geholt und erklärt, daß ihr Mann diese leidenschaft lich gec» und lieber ißt, wie das beste Bcfstcck, und Mcithildchcu hat in der Früh' wieder dem Bäcker seine» ganze» Korb auf» und abge drückt, bis sie das schärfste Dreicrbrödchcu ge sunden hat. Sogar der Zuschneider wäre wieder zu Ehren gekommen. Aber der Mann hat sich die schändliche Behandlung so zu Herzen ge nommen, daß er sich die Mathilde aus dein Kopf geschlagen und seinem Meister sein« Tochter hineingesetzt hat.