Volltext Seite (XML)
von M0!MWMO Da» Bimmelbähnchen. auS besten Abteil fenster Han» Romeik ber nahenden Heimat «ntgegenschaute, stieß «inen grellen GiegeSpftff an», da eS Berg« und Hügel glücklich über wunden, und dann hielt eS auf ber Endstation, gut ein« Meile vor Han» Romeik» Heimatdorf. Han» überlegte, ob er «in«n Wagen nehme, doch er verwarf den Gedanken, drückte die graue Reisemüde auf» wellige Blondhaar, straffte die schlanke Gestalt, nahm Mantel und Koffer, verließ die kleine Station, von nie mand erkannt, und schritt rüstig au». Rühr seligkeit war sonst nicht sein Fall. Fe näher er aber dem Heimatdorfe kam, um so mehr mußte er sich Gewalt antun, da» Kribbeln in der energischen Nase zu unterdrücken; denn Heimatluft ist «in starke» Fluid und packt da» Her- an, so -aß bte Tränen, bi« Wasser de» Her-enS, sich in die Augen -rängen. Han» mußte über die Augen wischen, «m wieder schauen zu könne«. Und nun sah er da» Dörf. chen in paradiesischem Frieden zum Greifen nahe. Die Arme ber nahenden Windmühle, die sich hinter einem Waldstreifen erhob, wink- ten ihm zu, al» stehe sein Vater, von Mehl- staub geweißt, wie «in« von Blütenstand über- pudert« Arbeitsbiene auf dem Hügel. Wie würde der alte Vater ihn wohl mit seinen Plänen empfangen? Die Romeik» waren Dickschädel und knorrige Stämme. Er wußte eS gut aus der Fugen- und wußte e» auch von sich selbst. Sie konnten wohl brechen, aber sie bogen sich nicht. Noch rüstiger auSschrettend, versetzt« er sich noch einmal zurück in die Tag« de» Knaben. Und da war «S ihm wieder, als sei «r gar nicht -er Architekt Han» Romeik, heimkehrend mit mancher Erfahrung sondern der fröhliche Han», -a» Herz und den Kopf voll von harm losen Streichen. Da» Hetmatdürfchen, -a» noch mächtiger an sein Herz griff, je näher er ihm kam, bewahrte ihm neben den Eltern, viel schöner Erinnerung und manchem Lieben auch di« blonde Liesel, die Jüngst« 'de» Dorf. Magister» und Organisten Brenkel. mit -er er vor Fahren manch liebe» Gtün-lein verlebt, un- mit der er geschwärmt hatte für groß« Dinge. Diese Dinge waren zum Teil nun Wahr- hett geworden. Han» kam als begüterter Mann auS der Fremde heim. Große un- stolz« Pläne erfüllten sein« Brust, unü dies« Pläne richteten seine Blick« auf da» nun auS ber Tiefe aufsteigende Haus mit der Liesel. Der Schornstein darauf schmauchte behaglich bte Pa- trizierpfeife und HanS war «S, al» habe ihm Liesel «in« Fahne auSgefteckt, die in den licht- blauen Himmel wehte. Graublau und weiß, un- «in wenig schwarz, wie Fahre -er Sehn- sucht, der bangenden Hoffnung, der Traurig- keit und des halben Bergeisens. Ein weitere» Wölkchen löste sich von dem Dache ab un- schwebte in- Blau. Herr Adebar war'-. Er kreist« un- setzt« sich wieder zu seiner Frau auf das Nest, ihr etwas vorplappern- von Reisen, durch die man klug w«r-e, wenn man da» Herz un- bi« Augen wett öffne, um Gutes und Schlechte» zu schauen. Hohe- unü Tiefe», und daran» Erfahrung zu nehmen. Und er plappert« auch von der Hetmatsehnsucht. -i« einem da» Herz schier zerbreche. Han» warf die Mütze -och in di« Lust und tuchzte einen Jo-ler so laut dem Dorf« «nt- gegen, daß ein Alter, der in Halbstiefeln den Pfad beging, ihn lächelnd ansprach: .Grüß Gott, junger Herr! Wenn- Herz voll ist, fließt -er Mund über. Vor einem Herrgotts, werk darf man -i« Mütze vom Kopfe wohl heben. Nur hoch mit der Mütze, damit all die vielen Gedanken -avonfliegen. Li« matt sich macht, wenn -i« Sehnsucht sucht. Sehnsucht, ach lieber Gott, ich habe sie immer sogleich, wenn ich nur einen Tag weg muß von hier. Aber Sie sinL hier wohl fremd? Hier werden St« heimisch. Da» Dörfchen hat grab der Herrgott erschaffen, al» er bet fröhlichster Laune war. Ihr kommt zu Besuch? Ganz recht, junger Herr. ES kommen nicht gerade viel Fremd« nach hier. Schön ist «» aber." »Schön? O Herr des Himmels! Herrlich ist's" -rängt« es sich Hans Romeik auf die Zunge. Doch er hatte e» tn ber Fremde ge- lernt, seine Gefühl« zu beherrschen, obschon er sich noch soeben ganz gründlich vergab. »Zu schön, als daß e» unerkannt bleiben sollte", erwiderte er. »Die Zett des Bergessenseins ist halb zu Ende. LS werden Gäste und dann neue Zuzügler kommen." Un- da ber Alte ungläubig fragte, wie ber junge Herr sich baS denke, lachte der Architekt fröhlich auf: »Sie kennen den Hans Romeik wohl nicht mehr, Herr Lehrer Brenkel? Fst er «in anderer ge worden, ein Fremder?" Der Lehrer, der die Sechzig auf dem schon ein wenig gebeugten Rücken trug, nrtch stn- nterend über den grauen, zwetzipfltgen Bart, indem er den jungen Herrn prüfend beschaute. »Schau an!" stieß «r nach einer Weile hervor, »der HanS Romeik, wie er leibt un- lebt! Aber du hast was au» -tr gemacht, HanS. So fein wi« du bist, ist noch keiner von allen heimge- kommen, die davongtngen. Un- andere bringst du auch mit?" HanS dachte an s«ine Pläne, schritt mit dem Lehrer aus und schmunzelte das Lächeln de» SiegerS: »Ich habe mein Glück in ber Fremde gemacht. Mein Vermögen lege ich hier gewinn- bringen- an. Und was macht Lie Liese?" »Gott", zuckte -er Alte die Achseln, »waS soll sie so machen. Gut an di« fünf Fahr« bist -u wohl weg gewesen. Die Lies« hat jetzt die Zwetundzwanzig erreicht. Seitdem mir di« Anne gestorben ist, versieht sie mirS HauS- wesen. Zwei Fahr« sind'» her, seitdem di« Ann« dahinging, wohin wir auch gehen zu unserer Stunde. Noch immer tut'S weh in -er Brust, und ich kann'S nicht verwinden. Sie schläft nah beim Kirchlein, -t« Anne. Aber du hast dich herausgemacht, HanS. Ich sag eS noch einmal. Stolz bin ich auf dich." Und er lud ihn ein, zum Abend zu kommen. »Um sechse, wenn's paßt." »Gern! Aber die Liese braucht's noch nicht zu wissen." »Versteh ich schon recht", lächelt« -er Lehrer. »Willst sie überraschen. Na gut, denn um sechse." Nach wenigen Minuten stand HanS ergrtf- fen am Hügel seine- Vater- am Fuße der alten Mühl«. Der Müller war vor einem Jahre gestorben. Auf den Herbstastern und Dahlien, den Reseden un- Spätrosen lag grauer Mehlstaub und bedeckte auch wie ein hauchdünner Geidenschleier den gepflegten Hügel. Hier empfing die greise Mutter den hcimgekomm«nen Sohn. Trotz ihrer Sechzig schaffte st« «msig mit einem Gehilfen. Di« war in Schürze und Arbeitskleid, die schweren Holzschuhe an den Füßen, daran sie ManneS- socken trug. »Ach Gott, steh, der HanS!" Mehr wußte der faltige Mund nicht zu sagen. Bor Freude die feuchten Augen wischend, nahm sie seinen Blondkopf in beide Hände, küßt« ihm Mund, Stirn un- Backen, rief die Mag- und -en Ge- Hilfen herbei und brachte -en Sohn in die gut« Stube. Al- wär« er noch «in kleines Bübchen, nötigte sie ihn auf LaS Sosa hinter dem blank gescheuerten Etchentisch, streichelte ihm Haar und Backen un- gab der Magd Len Auftrag, noch einig« Kartoffeln mehr zu reiben. »Ein halbe- Pfund Bauchspeck tue auch in die Pfanne." HanS konnte nicht schnell genug sein Er leben erzählen. Während die Klöße mit Speck auf den Tisch kamen, sprach er von seinen Plä. nen. Doch als er sagte, -aß er hier «ine sehr vornehme Gartenstadt bau«, und -aß sie, s«ine Mutter, bald nicht mehr zu schaffen brauch«, sondern sich sonnen könne in friedlicher Ruhe, da die Gesellschaft die Mühl« für schweres Gel- kaufe, trat tn -le seelenvollen, soeben noch leuchtenden Augen der Alten ein jähe» Erschrecken. »Hans!" kam «S gequält auS der alten Brust. »Das kann dein Ernst nicht sein, Kind! Die Mühle meinst du, kommt weg, iveil sie nicht schön genug ist für eine Gartenstadt? Sag, sind die Alten nicht schön genug für die Jugend? Und das Grab des Baters kommt weg? O lieber Gott. Kind!" Di« Gabel, die nach den Klößen zielte, fiel auf daS Tisch tuch, und die Hände übereinander reibend, be wegte sie abwehrend, verneinend -aS schön« Haupt, da er sagt«, sie solle daS doch nicht so tragisch nehmen, sondern sich freuen, -aß e» so komme. Die Gesellschaft wird dir bedtngung». loS fünfzigtausend Mark zahlen. Für die Hälfte bekommst du hier eine prächtig« Villa mit schönem Garten. De« Sarg de» Vater» lassen wir heben . . ." In der Seele der Alten schrie «» laut auf, un- sie wehrte mit beiden Hän-cn ab: »Bet Gott nicht, nein, Kind! Wo der Vater begra ben liegt, ist heiliges Land. Gein Grab tst gesegnet« Stätte. Er hat sich bet Lebzetten so Sie war in Schürze und ArbeitSNeid. plagen müssen, -er arm« Vater, un- jetzt soll er weg von hier, wo -er HerrgottSodem ft» den Flügeln singt, und wo eS sich anhvrt, al» wär'S gra- -ie Stimme -eS Vater»? Kind, Kin-, da» wäre mein Tod! Da» stößt mir -a» Herz ab. DaS darfst du nicht gntheißen, Han». Der Vater hätt's um di« Million nicht ge- g«b«n. Nicht um ein Königreich, HanS. Und wi« ich keinen Mann mehr nehme, denn ein« Frau, die einem Manne alles gab, -ie bleibt ihm für immer, weil ihre Seele doch ganz ft» ihm ist, so bin ich auch mit ihm im Tode. Ich sterb' doch dem Vater tnS Grab. Un- den vo-en, di« Er-e, -ie um ihn ist. un- darin ich denn schlafen will bet ihm, um bei ihm zu blei- den, soll einer entweihen. So lang« ich lebe, geb' ich » nicht zu." /ot-«-