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Merger Anzeiger Amtsblatt de« «gl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträche zu Freiberg, Sayda «. BraM Sonnabend, den 30. December Srschrtnt jtdm Wochmtag stuh 9 U. Inserat« werden bi« Nachm. Z Uh« für die nächste Nr. angenommen. Pret» vkrteljährl. ro Ngr. Inserat« wtrdrn dl« grspalten« Zellt oder derm Raum mit 8 Pf. berechn«». * Zum Neujahr 1866. Im offnen Sara, mit Blumen reich bekränzt, Trägt man im Süd' die Todten aus dem Hau« ; Ein Fest scheint es zu sein, der Himmel glänzt Und nimmt dem Tode seinen düstern Graus. So tragen wir das alte Jahr hinaus, Das langsam starb, am großen Herz der Zeit. Werft ihm hinab noch einen Blumenstrauß Und dann sink's in den Schooß der Ewigkeit. Doch nicht zu Boden richten wir den Blick, Schon dämmert uns ein neues Morgenroth; Mag Vieles auch zerbrechen das Geschick, Im Weltenleben gtebt eS keinen Tod. Und ewig bleibt der Menschheit höchstes Gut: „Der Sinn für Wahrheit, Tugend, Freiheit, Recht"; Hierfür allein rollt glühend unser Blut Und nimmer sinkt das Volk herab zum Knecht. „Durch Kampf zum Sieg, aus dunkler Nacht zum Licht", So flüstert tröstend uns das neue Jahr; Und was die Zukunft lächelnd uns verspricht, Das macht sie endlich, wenn auch langsam, tyM, Ein neues Leben, neue Hoffnung lacht, Ein frischer Hauch wird uns're Stirn umweh'n; So laßt uns muthig durch des Winters Nacht Des Frühlings Blüthentraum entgegen geh'n. An der Grenzmarkc des scheidenden Jahres angelangt, werfen wir noch einen Blick auf den Charakter der Bewegung, welcher dem Kampf der Geister in dem verflossenen Zeitabschnitte sein ei- genthümliches Gepräge gab. Die Völker ringen nun einmal nach ihrer nationalen Selbstständigkeit und nach dem gesicherten Genuß der ihrer Durchschnittsbildung und ihrem Selbstbewußtsein entspre chenden Freiheit durch staatliche Einrichtungen. Dieser Kampf währt schon Jahrzehnte und wird unser Jahrhundert ausfüllen. Bald tritt er heftiger hervor, bald scheint er zu ruhen — bald sehen wir jene Partei, bald diese sich des Sieges freuen. Aber sind auch Schlachten auf beiden Seiten verloren worden — der Feldzug ist noch lange nicht aus. Und prüfen wir, auf welcher Seite während des langen Kampfes der moralische Vortheil und die gerechte Hoff nung auf den endlichen Sieg liegt, so können wir getrost das Volk bezeichnen, dessen Selbstbewußtsein mehr und mehr erstarkt ist und dessen Streiter sich fort und fort vermehren. Das. vergangene Jahr ist freilich für die Sache der deutschen Volksbestrebungen, dem äußern Stand der Dinge nach, ein höchst ungünstiges zu nennen — es wird als eines der Prüfungsjahre der Nation betrachtet werden. Ausgehend von der preußischen Reaction, welche den errungenen Sieg mit der Leidenschaftlichkeit einer letzten Hoffnung, dem Rad der Weltgeschichte Stillstand und .Umkehr gebieten zu können, auszunutzen trachtet, sehen wir den Ver such, Grundsätze durchzuführen, welche denen der Volksbewegung todlfeindlich gegenüber stehen. Herr v. Bismarck sucht die Reac- , tioN.auf die Anbetung der großen Masse vor äußerem Erfolg zu basirm, zu der sie sich leicht Hinreißen läßt, wähnend, der Patrio« ti-mu- sei eS, welcher aus ihm juble, und dieser habe nicht darnach zu fragen, ob der Erfolg ein sittlicher oder ein nur durch die roh« Gewalt errungener sei. Kühn und energisch hat Graf BiSMarck sich solche Erfolge in dem schleswig-holsteinischen Kriege und gegen die freie Stadt Frankfurt verschafft. Ohne Gelegenheit, seinen Muth und seine Politik gegen einen Mächtigeren zu vertreten, hat er seinen Sieg über winzige Gegner mit großem Eclat gefeiert. Aber betet das Volk denn nun auch diese Erfolge an und giebt sie ihnen dadurch die Weihe und die practische Bedeutung für die Reaction? Wir sehen nur kleine Gruppen de» großen deutschen Volkes, die sich blenden ließen; im Großen und Ganzen hat die deutsche Nation die Erfolge des Grafen Bismarck mit dem rechten Namen verdammt und sieht „kühl bis an'S Herz hinan" den Expe rimenten des preußischen Junkergrafen zu. Eiä zweiter Grundsatz dieser ReactionSpolitik BiSmarckS ist, durch Mißachtung des BolkswillenS diesen zu lähmen und zu bre chen, durch Lahmlegung der parlamentarischen Thätigkeit die Ohn macht und Ueberflüssigkeit des ganzen konstitutionellen System« zu beweisen und die Geister zu verleiten, den Parlamentarismus al« eine Mittelmäßigkeit, als. eine verfehlte Idee zu betrachten, dadurch den Credit des cvnstitMionellen Systems zu schwächen und natur gemäß neue Sympathien für das persönliche Regiment des Fürsten, besser seiner Minister, im Volke zu erwecken. Graf Bismarck stellt deshalb ein solches Regiment zum Muster auf. Dieses Regiment handelt, ohne sich an die Beschlüsse der Volksvertretung zu kehre« eS verfolgt gefinnungstÜchtige Beamten, weil sie mit ihrer politi schen Haltung viel Einfluß auf'S Volk haben; e» unterdrückt die Opposition gegen sich in Vereinen und in der Presse, um sie zu entmuthigen und dadurch ihres Anhanges zu berauben; eS organt« sirt ein konservatives System, welches die apathischen Geister ein fangen und für die Unterstützung einer aristokratischen Herr schaft durch Stände dressiren soll. — Aber sollten alle diese großen Anstrengungen wirklich den gewünschten Erfolg gehabt haben? Wir wissen nur zu gut, daß unter der Ruhe und der scheinbaren Apa thie des Volkes, welches vor der Gewalt muthig einen Schritt zu rückweicht, das Gefühl für sein Recht lebendiger als je vorhanden ist und die Ueberzeugung von demselben gerade unter dem Drucke sich kräftigt. Und noch eins fließt aus dieser Queller die Feindseligkeit ge« - gen die nationale Bewegung für die deutsche Einheit, die natürliche Folge einer Politik, welche die dynastischen Interessen als die besten Staatsinteressen erkennt. Die preußischen Dynastie-Interessen sollen an Stelle der deutschen nationalen Interessen treten — sie sollen mit denselben identisch sein , weil Preußen als Herr von Deutsch land ja dann auch die Einheit desselben darstellte. Und daher die preußische Feindseligkeit sowohl gegen die nationale Bewegung, wie auch gegen die Dynastien der kleineren Staaten, insofern dieselben es in seinem Zweck nicht unterstützen. — Aber in ganz Deutschland hat dieser preußische CäsariSmuS nur Erbitterung und Abweisung gefunden und weniger als jemals will man Preußen jetzt al- die Hoffnung der EtnheitSwünsche Deutschland» gelten lassen. Aeußerlich freilich, da herrscht in Deutschland mit Ausnahme weniger Staaten eine volksfeindliche Reaction und die nationale