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1944 al- da« vergebliche Ankämpfen gegen Preußen hier und da zu der Ueberzeuguug führte, da- monarchische Priocip müsse in Deutschland immer mehr untergraben werden, wenn die Fürsten sich nicht ver ständigen. Ick glaube gut unterrichtet zu sein, wenn ich in diesem Punkte da- Wiener Cabinet in Uebereinstimmung weiß mit dem Grundsätze, daß man zunächst in Stuttgart und Hannover nicht ganz abgeneigt ist, auf den zwischen Berlin und Wien eingeleiteteu Ideenaustausch einzugehrn." Der Korrespondent fügt noch hinzu: ,Aer bevorstehende Winter dürfte unter allen Umständen für den deutschen Bund entscheidend werden: es hat eine Krisis begonnen, bei der Alles darauf ankommt,, ob und zu welcher Verständigung e« zwischen Oesterreich und Preußen kommen wird". Königsberg, 23. Oct. Das Stadtgericht verurtheilte heute den Polizeicommissar Schmidt zu drei Monaten Gefängnißhaft, weil er iu der Rächt des I I. Novembers v. I. den Musikdirektor Pabst, wie sich aus den Zeugenaussagen ergab, ohne Veranlassung arre- tirt hatte. Wien, 29. Oct. Die amtliche „Wiener Zeitung" publicirt ein Gesetz über die Cootrole der Staatsschulden folgenden Inhalts: Zur Ausübung der Controle wird eine dem Kaiser unmittelbar unterstehende Commission vom Kaiser berufen, welcher zur Aus übung ihrer Obliegenheiten alle diejenigen Rechte eingeräumt werden, welche die frühere StaatSschuldencontrolscommission besessen. Die Commission hat, so oft sie eS angemessen findet, mindestens aber jährlich einmal dem Kaiser Vertrag zu erstatten, welcher veröffent licht wird und in dem Halbjahrsausweise der Staatsschuld publicirt werden soll. Außerdem bleibt es der Commission unbenommen, bei der nächsten Versammlung der Reichsvertretung Bericht zu erstatten. Alle dermaligen Mitglieder der bisherigen Controlscommission werden wieder berufen. — 30. October. Preußen beharrt auf der Absicht, wenn der Frankfurter Senat nicht seinem Begehren willfahrt, sich durch „eigenes Eingreifen" Genugthuung zu verschaffen, während Oester reich die Vermittelung des Bundes anrufen will. Das Gerücht, Frankreich habe sich in diese Angelegenheit einzumischen versucht, ist unbegründet. — Es ist eine merkwürdige Thatsache, daß, während alle katholischen Staaten Europas die Zahl und den Einfluß der Klöster zu beschränken suchen, in Oesterreich allein in dieser Hinsicht noch nichts geschehen ist. Selbst der Kaiser von Mexico findet, daß er nur durch Beschränkung des Clerus seinem Volke zu Wohlstand und bürgerlicher Selbstständigkeit verhelfen kann. Der Großherr von Konstantinopel entzieht seinem mohamedanischen Clerus vor der Hand die Lehengüter, um freie Eigenthümer zu schaffen; in Spanien, dem zähesten Sitze eines unduldsamen finstern Pfaffen« thumS, werden die Kirchengüter „desamorlisirt". Die Prälaten von BurgoS, Saragossa, Valencia, Almeria, Cordova rc. haben sämmtlich die Abtretung ihrer liegenden Güter an die Regierung vollzogen und die meisten derselben find bereits zum Verkaufe aus gekündigt. Selbst der Erzbischof von Sevilla ist zur Abtretung der bedeutenden Güter, die unter seiner Verwaltung stehen, erbctig. Der österreichische CleruS hat in früheren Zeiten ter Regierung öfters durch Vorschüsse und freiwillige Spenden aus der Noth ge holfen, — in der gegenwärtigen Geldklemme Oesterreichs scheint er aber der Ansicht zu sein, er könne im ungestörten Genüsse seiner Güter forlbestehen, wenn auch Oesterreich zu Grunde gehe. Wir glauben im Gezenthril, daß nur durch eine bedeutende Beschränkung des Besitzes und des Einflusses der österreichischen GOstlickkeit der Staat die Mittel gewinnen kann zur Hebung der Industrie, der Bslkswchlfahrt und der Volksbildung. Prag. Der „Polizeianzeizer" enthält folgende Requisition: Bei der am 23. d. M. vorzenommenen Eröffnung der Regiments- cafir, welch« sich im OfficierS-Jnspectionszimmer der Ferdinands- Kaserne im Kareliueuchale (Prag) befindet, zeigte es sich, daß der Deckel durchbohrt und ausgeschnitten und der gesummte Inhalt ära- rifcher Berpflegsgelder per 15,202 Kl., bestehend aus 10,200 Fl. in Zehnern, 3000 Fl. iu Fünfern und 2002 Fl. in Eingulden- Banknoten, gestohlen wurde. Sämmtliche Banknoten waren, mit Lu-nahme von beiläufig 80 Fl., ganz neu und Packelirt, so wie sie ans der KriegScasse gefaßt wurden. Dieser That ist dringlichst der Uatrrlieutenant de« Regiments dir. 33, Alois Preßl, beinzichtigt, welcher vom 12. auf den 13. Oktober Jnspecttcn hatte und am 12. Oktober Nachmittags, an welchem Tage die Casse zum letzten Male geöffnet wurde, zugegen war, sich am 14. Oct. krank meldete, seit dieser Zeit aber spurlos verschwunden ist, was erst am 20. Oct. durch seinen Diener bekannt wurde. Preßl hat sich nach Angabe seines Dieners am 13. Oct. früh 4 Uhr in ganz neuer Uniform und Mantel mit dem Vergeben entfernt, sich in das Dampfbad zu verfügen und wurde fett dieser Zeit nicht mehr gesehen, war auch nach den am 20. Oct. vorgenvmmenen Nachforschungen nirgends zu erfragen. Alois Preßl ist auS Graz (Steiermark), im Jahre 1830 geboren und von mehr kleiner, untersetzter Statur. Er war im Jahre 1860 päpstlicher Officier und trägt die päpstliche Erin nerungsmedaille pro Petri seäe. Preßl dürfte sich möglicherweise nach Wien begeben haben oder sich noch hier aufhalten. Karlsruhe, In der badischen Staatskasse liegt ein Ueberschuß von nahezu 800,000 Gulden, obgleich die neue Einrichtung der Justiz und Verwaltung viel gekostet hat. Es können deshalb die Lehrergehalte ohne jede Vermehrung der Steuern erhöht werden. Darmstadt, 31. Oct. Ein von Bayern, Sachsen und Darm- stabt beabsichtigter Bundesantrag bezweckt die Einberufung der holsteinischen Stände nnd die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund, sowie die Uebernahme der ExecutionS- und Kriegskosten durch den Bund. Altenburg, 28. Oct. Die neueste Bekanntmachung über die Choleraerkrankungsfälle weist wiederum eine Zunahme derselben auf. Es wurden nämlich vom 25. bis 27. October Mittags 7 Erkrau- kungs- und 5 Todesfälle angemeldet. Bis jetzt sind im Ganzen 95 Erkrankungen vorgefallen, wovon 52 mit dem Tode, 35 dage gen mit Genesung endeten; 8 befinden sich noch in der Behand lung. Auffallend muß bleiben, daß die Krankheit an dem hiesigen Orte, der sonst von allen Epidemien nur sehr mäßig betroffen wor den ist, sich diesmal hartnäckig erweist. Frankfurt. Der Nationalvereinsausschuß eröffnete seine hie- sige Thätigkeit damit, daß er an die sämmtlichen Herren Bundestags- gesandten und an Herrn Polizeisenator vr. Jäger, sowie an die übrigen Polizeibeamten Frankfurts die Einladung ergehen ließ, der» Verhandlungen der Generalversammlung anzuwohnen. Die Mit- gliederzahl des Vereins ist auf 17,852 zurückgegangen, wovon 8385 in Preußen, dagegen nur 82 in Würtemberg und 264 in Baiern sind. Der Bermögensbestand des Vereins beziffert sich augenblick lich auf 24,487 Fl., der Stand des Flottencontos auf 117,911 FH Was den von Herrn v. Rochau verfaßten politischen Bericht de» Vereins anlangt, so besagt derselbe Folgendes: Die Herzogtümer seien aus dänischer in österreichisch-preußische Gewaltherrschaft ge- rathen, die von Landsleuten gegen Landsleute ausgeübt werde. Ws- der die verfassungsmäßigen Einrichtungen des Landes, noch die le bendigen Interessen und Rechtsüberzeugungen seiner Bevölkerung hätten bis jetzt irgendwelche Anerkennung gefunden ; ohne Scheu, > gestützt auf das Zeugniß eines „dienstfertigen Collegiums von Hof juristen", geberde man sich als Herr des Landes. Diese Gewalt herrschaft habe ihren Ausdruck in der Gasteiner Uebereinkunft er halten, welche aber nur als ein Nothbehelf betrachtet werden könne. Oesterreich spiele in der schleswig-holsteinischen Politik von Anfang an bis jetzt nur eine untergeordnete Rolle, seine Betheiligung habe, da es die Angelegenheit nicht zu seinem Staatsvortheil ausbeuten könne, keinen andern Zweck als den, Preußen zu verhindern, die Sache der Herzogthümer zum Nachtheil Oesterreichs zu wenden, z. B. einseitigen Nutzen, ohne entsprechende Entschädigung Oester reichs, daraus zu ziehen. So bereitwillig man auch zugestehen möge, daß Preußen durch „staatlichen Naturtrieb" dringend darauf hingewiesen werde, die Angelegenheit der Herzogthümer für sich auS- zubeuten, ebenso entschieden müsse man erklären, daß das Ziel Preu ßens in den Herzogtümern unter den Umständen, welche eS zum großen Theil selbst geschaffen und mit den Mitteln, welche es bis her angewendet, nicht erreicht werden könne. Die Bedingungen, welche Herr v. Bismarck in den sogenannten Februarforderungen ausgestellt, sollten die Herzogthümer in eine unerträgliche Vasallen« schäft bringen und seien darauf berechnet, die Einverleibung in Preußen als das geringere Uebel erscheinen zu lassen. Zur Ueber« nähme bindender staatlicher Verpflichtungen gegen Preußen habe Niemand in den Herzogthümern Befugniß; die von Dritten, Herzog Friedrich, erhobenen Einreden und Vorbehalte habe Preußen als eine förmliche Zurückweisung seiner Forderungen angesehen und stelle sich nun mit der Miene eines beleidigten WohlthäterS auf den Standpunkt offener Annexionspolitik. Die Stellung des National« Vereins zu dieser Frage lasse sich in folgende Sätze zufammenfassen: daß erstens die Slam, zustande der Herzogthümer nach Maßgabe der Rechtsüberzeugungen und des vernünftigen Selbstwillens der Bevölkerung geordnet und daß zweitens von Seite der Herzogthü mer diejenigen Zugeständnisse an Preußen gemacht werden, welche das Interesse Deutschlands und namentlich dessen maritime Zukunft gebieterisch fordern. Dies Programm sei von den Schleswig Hol steinern selbst angenommen worden, darauf hin sei mit den Vertre tern der schleswig-holsteinischen Vereine und den Vertretern der Fortschrittspartei im März d. I. in Berlin ein Compromiß zu Stande gekommen. Die Regelung der schwebenden Angelegenheit könne nur unter der freien Zustimmung des schleswig-holsteinischen Volkes geschehen. Die Annexion müsse dem Auslande um einen Preis abgekauft werden, welchen Graf Bismarck nicht zahlen könne,