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^reilierger Anzeiger und Tageblatt Amtsblatt des Kgl. Bezirksgericht- zu Freiberg, sowie der Kgl. Gelichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. 247 18«3 Montag, den 23. October Ncscheint jeden Wochentag früh 9 U. Inserate werden bi« Nachm. 3 Uhr für die nächste Nr. angenommen. Preil vierrellähri. 29 Ngr. Jnferat« werden die gespalten« Zeile oder deren Raum mit st Pf. berechnet. -l- Die ungarischen Wahlen. Wer sich der Wahlkämpfe früherer Zeit in Ungarn erinnert, der wundert sich nicht mit Unrecht, daß diesmal, wo doch ein so wichtiger Landtag nach Jahren wieder zusammentreten soll, die Wahlen ohne Aufregung und tumultuöse Scenen vorüber zu gehen scheinen. Die Ursache dieser auffallenden Erscheinung ist nicht etwa in einer Gleichgiltigkeit und Nichtbetheiligung des ungarischen Volks zu suchen — diese ist nirgends zu spüren; vielmehr liegt sie in dem politischen Tact der Magyaren, die auf die Parole ihrer Füh rer, namentlich Deaks, ihre inner» Parteiprincipien haben fallen lassen, um vor Allem das Princip der Nationalität zum Ausdruck zu bringen. In Wahrheit haben die alten Parteiunterschiede der Magyaren aufgehört; neue haben sich bei der langen politischen Niederhaltung Ungarns noch nicht herausbilden können. Jene Fragen, um welche bis zum Jahre 1848 -- denn weiter geht die constitutionelle Zeit rechnung Ungarns nicht — die Parteien sich gruppirt hatten, sind entweder inzwischen definitiv gelöst oder haben ihre Bedeutung für die Gegenwart verloren; neue Fragen werden an ihrer Stelle auf- tauchen und zu politischen Parteiungen führen; allein diese Fragen sind noch nicht gestellt und werden erst in Zukunft Gegenstand des Kampfes sein. Wer also heute von politischen Parteien in Un garn spricht, greift entweder in die Vergangenheit zurück öder er greift der Zukunft vor; weder das eine, noch das andere ist Sache des practischen Politikers, der den Anforderungen der Gegenwart Rechnung zu tragen hat. Für den Augenblick kann es sich also nur darum handeln, in den ungarischen Landtag Männer zu wäh len, welche für die großen Fragen der Gegenwart überhaupt ge nügendes Verständniß, zu deren nüchterner Besprechung die erfor derliche Ruhe und Mäßigung und zu deren schleuniger und befrie digender Lösung ehrlichen und guten Willen mitbringen. Nutzlose Proteste über Vorfälle der Vergangenheit, mit welcher Nichts mehr anzufangen ist, hochtrabende Deklamationen über Dinge, die keiner weiteren Erörterung bedürfen, würden den Gang der Berathungen nur aufhalten und möglicherweise sogar den Erfolg derselben ge fährden können. Da ersichtlich unter solchem Gesichtspunkte die Wahlen in Un garn vorgehen, so ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß die Führer der Hauptparteien sich untereinander verständigt und eine Verschmelzung der aus der Vergangenheit verbliebenen drei großen Parteien zu Stande gebracht haben. Nach dieser Fusion ist es frei lich natürlich, daß bei den stattfindenden Wahlen in Ungarn die Rücksicht auf die frühere Parteistellung der Candidaten nicht mehr maßgebend ist. Nachdem sich die Führer zur Verfolgung des glei chen Zieles die Hand gereicht, können Diejenigen, welche ihrer Fahne folgen, einander nicht mehr bekriegen, und darin liegt der Grund, daß die Wahlen in Ungarn mit so ungewöhnlicher Ruhe vor sich gehen. Parteileidenschaften können die Gemüther erhitzen^ und zu Conflicten führen; allein wo kein Parteiinteresse mehr in'S Spiel kommt, da kann es sich, nur noch um die individuelle Mei nung des einzelnen Wählers über die allgemeine Befähigung des einen oder des andern Candidaten handeln. Solche Meinungsver schiedenheiten lassen sich ruhig und friedlich austragen, wenn man im Uebrigen einig ist. Und daß die Ungarn alle ungarisch denken, daran zweifelt wohl Niemand; daß sie von einem Parteistreit unter sich im Landtag, nichts wissen wollen, das ist sehr vernünftig. Tagesgeschichle. Aus Berlin, 13. October, schreibt man der „Zeitung für Norddeutschland" über das Wegbleiben der preußischen Abgeordneten vom Frankfurter Abgeordnetentage: „Der Gründe sind mannich- faltige, und alle zusammen wirkten mit zu dem ablehnenden Be schlusse, der in einer hiesigen Versammlung, nicht von demokratischen Abgeordneten, sondern von zufällig zusammengekommenen etwa 20 Personen, unter denen sich auch einige Abgeordnete der Fort schrittspartei befanden,. gefaßt wurde. Es fehlte in derselben auch nicht an Solchen, die eine Beschickung des Abgeordnetentags ver langten, insbesondere traten ein namhafter Abgeordneter (Löwe-Kalbe') und ein Redacteur einer hiesigen Zeitung (Zabel) für die Beschickung ein, allerdings aber unter der Voraussetzung, daß die Abgeordneten vor Allem über ein in Frankfurt aufzrMlleiides Programm einig würden. Von andern Anwesenden nahm Niemand das Wort in gleichem Sinne, aber vier oder fünfAhgeordnete sprachen sich gegen die Beschickung aus, und zwar alle aus andern Gründen. Bei dem einen war es die Art der Einladung, welche nicht gefiel, bei dem andern die Furcht vor zu erwartenden extremen Schritten, bei noch andern die weite Entfernung und die Unkosten, ja auch die Furcht vor dem Staatsanwalt wirkte mit und bei Allen das Gefühl, daß sich bei ihnen eine große Verschiedenheit der Ansichten über die schleswig-holsteinische Frage herausstellte. Als daher versuchsweise jeder einzelne anwesende Abgeordnete gefragt wurde, ob er nach Frankfurt gehen wolle, ward von jedem einzelnen die Frage ver neint. Darin waren sie alle einig; als es aber nun sich um eine gemeinschaftliche, die Ablehnung motivirende Erklärung handelte, da gingen die Meinungen wieder auseinander, und es kam auch in einer spätern, nur aus Abgeordneten bestehenden Versammlung zu keiner Einigung darüber." — 19. October. Den „Regierungsamtsblättern" scheinen jetzt wieder regelmäßige Leitartikel geboten zu werden. Das neueste der artige Opus ist betitelt „Die Erfolge der preußischen Politik und das Abgeordnetenhaus" und sucht den Nachweis zu führen, daß die Erfolge der Regierung lediglich aus der Ursache herrühren, daß dieselbe das Gegentheil von Dem gethan hat, was das Abgeordneten- " Haus wollte! — Nachdem einer Mittheilung der Postverwaltung der Vereinigten Staaten von Nordamerika zufolge die regelmäßigen Postverbindungen nach den Südstaaten der nordamerikanischen Union, in denen der Postdienst zeitweise eingestellt war, wieder hergestellt worden sind, sind die Postanstalten angewiesen, Correspondenz wieder nach allen Staaten und Territorien der gedachten Union sowohl zur Beförderung vermittelst der preußisch-amerikanischen Post, als auch für die Routen über Hamburg, Bremen, Frankreich oder England anzunehmen und abzusenden. — Die Gräfin von Bismarck ist, wie man aus Biarritz er fährt, wiederholt von der Kaiserin Eugenie empfangen worden. Was Er und ER nicht machen können, das macht Sie und SIE. Wien, 19. Oct. Sicherm Vernehmen nach hat die StaatS- schuldencontrolcommission iu ihren jüngsten Berathungen beschlossen, ihre Functionen fortzusetzen, falls die gegen ihren rechtSgiltigen Fortbestand vorherrschenden Bedenken durch einen kaiserlichen Aus spruch behoben würden. Der diesfallfige Vortrag der Cvmmissiöu