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Sonnabend, den 14. Oktober t an Gegel. Erscheint jeden Wochentag früh 9 U. Inserate werden bt» Nachm. 3 Uhr für die nichste Nr. angenommen. Pret« vterteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechnet. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. einem dritten alle Lust an der Politik verleidet, ein vierter fügt sich in Geduld und ordnet seine bescheidene Meinung den Thatsachen und der Leitung von oben unter. Recht deutlich beweist Schleswig- Holstein, daß es nicht eine ausschließliche Eigenschaft der Franzosen ist, für Ruhm gegen Freiheit und Recht gleichgiltiger zu werden; ja, wenn wir den Vergleich zwischen der Glorie des Krimkriegs und deS italienischen Feldzugs mit der Befreiung des „unterdrück ten Bruderstammes^ genauer ausführen wollten, dann würde sich das Resultat wohl zu unserm Nachtheil gestalten. Der Unterschied zwischen Deutschen und Franzosen besteht wohl nur darin, daß uns in Jahrhunderten nur wenige und kurze Perioden des Ruhmes ge boten wurden und daß unsere Ansprüche an Freiheit und Recht noch so jung als bescheiden sind. Wäre dem nicht so, wie wäre es denn möglich, daß so viele Vorgänge im Innern fast unbeachtet vorübergegangen oder schnell vergessen sind, die man sonst als mög lich gar nicht zugegeben haben würde?" Magdeburg, 10. Oct. Gestern Abend gab es Tumult vor der Saust'schen Bäckerei. Das Dienstmädchen war geschlagen worden und deshalb ins Spital gegangen. Nach seinem Austritt aus demselben sand es sich bei Herrn Saust wieder ein, um seinen rückständigen Lohn zu fordern. Ueber die Höhe desselben waren Principal und Dienstmädchen verschiedener Meinung und da ersterer die Forderung der letzteren nicht gerechtfertigt fand, so verweigerte er ihr jede Zahlung, verwies sie auf den Weg der Klage und gebot ihr, sein Haus zu verlassen, entfernte sie auch demnächst, worauf sie draußen laute Klage erhob. Die heimkehrenden Arbeiter nahmen sich des Mädchens an, und der Tumult wuchs rasch. Mit Hülfe einiger Wachtmannschaften war die Ruhe gegen 8 Uhr wiederhergestellt; es ist eine Verhaftung vorgenommen. Im Saust- schen Hause sind Fenster und Läden des Parterre, Scheiben des ersten Stockwerkes zerschlagen, und der Putz am Parterre zeigt die Spuren der verübten Gewalt. über Recht gehe, und sicherlich nicht dem Mann, der in frivoler Weise dieselbe aussprach. Der Wahlspruch Wellesley's: „Die höchste Rechtlichkeit ist die höchste Klugheit", scheint den Staats männern der Gegenwart abhanden gekommen sein! Die Lohnschreiber mahne ich an die frühere Einverleibung Hannovers und die schweren Folgen; Frankreich giebt, um doppelt mehr zu nehmen. Die Tage von Leipzig und Belle-Alliance stehen noch im Schuldbuche, nach dem mit Oesterreich und Rußland bereits abgerechnet ist! Cäsar vergißt nicht und versteht zu warten! — Anläßlich der Freisprechung des Redacteurs Herrn May durch das Perleberger Kreisgericht wirft die „Magdeburger Presse" einen charakteristischen Streifblick auf den Zustand der „liberalen" Partei in Preußen. Sie sagt: „Unter allen Vorfällen, welche das Publikum seit dem Schlüsse der Kammer bewegt haben, ist die May'sche Verhaftung am meisten geeignet, der Vergleichung der äußern.mit der innern Politik als verbindender Faden zu dienen. Ueber die Thaten des Ministeriums Bismarck in Schleswig-Holstein ist die innere Politik sehr zu kurz gekommen. Jene Thaten haben die liberale Partei, wenn auch nicht gespalten, doch zu keiner festern Einigung kommen lassen; sie haben den einen Theil verblendet, einen andern mit dem übrigen liberalen Deutschland verfeindet, Am 8. und 9. October ist in München die Gegend der West endhalle der Schauplatz arger Ruhestörungen gewesen. Ein junger Mensch hatte auf der Festwiese durch excessioes Benehmen seine Verhaftung veranlaßt. Da er Widerstand leistete, mußte der Gendarm Gewalt brauchen. Ein Theil des Publikums nahm sofort Partei gegen den Gendarmen, und als derselbe, um größeres Auf ehen zu vermeiden, sich mit seinem Arrestanten in eine Droschke etzte, regnete, es zahllose Steinwürfe auf dieselbe, so' " " Tagesgeschichie. Berlin, 11. Oct. Merkwürdig bleibt es, daß die Gerüchte über die Annexionslust Preußens niemals verstummen wollen; kaum hat die Angabe, daß Graf Bismarck Belgien an Frankreich ab treten wolle, das Licht der Welt erblickt, so meldet das „Dagblad" von Südholland, daß als Gegengabe Holland an Preußen fallen werde. Halb beschwichtigend, halb bestätigend bringt die officiöse „Provinzialcorrespondenz" nun heute folgende Auslassung: „Die ehrenvolle und herzliche Aufnahme, welche dem Grafen v. Bismarck in Barritz feiten des Kaisers zu Theil geworden, und die Aus lassungen desselben über die schwebenden Fragen geben neue Bürg schaft für die unveränderte Fortdauer der erfreulichen Beziehungen zwischen beiden Regierungen, welchen es wesentlich mit zu danken sei, daß die schleswig-holsteinische Frage ihrer Lösung im deutsch nationalen Sinne wie in Uebereinstimmung mit den preußischen Interessen entgegengeführt werden konnte, ohne eine europäische Verwickelung herbeizusühren. Es sei zweifellos, daß der Kaiser der Franzosen eine ebenso besonnene, wie ehrenhafte und uneigennützige Politik, für welche ihm Europa und Deutschland Dank wüßten, auch ferner zu bewahren entschlossen sei." — In etwas anderem Sinne lautet dagegen folgender Protest des Abgeordneten Friedrich Harkort in Bezug auf den Abge ordnetentag : „Die Erklärungen der Herren Twesten, Mommsen und Kerst nöthigen zum Reden, damit Schweigen nicht als Zustimmung gedeutet werde! Ich war nicht in Gotha, bin kein Mitglied des Nationalvereins und der Fortschrittspartei und stehe außer Be ziehung zum 36er Ausschüsse. Die Frankfurter Versammlung be suchte ich nicht, um den nächsten Beschlüssen der preußischen Volks vertretung nicht vorzugreifen; ich erwarte, daß das Haus sich treu bleibt. Die politischen Wandlungen der genannten Herren, welche die Kluft zwischen Bundesstaat und Annexion so leicht überspringen, zu beurtheilen, überlasse ich dem Nichterstuhle der deutschen öffent lichen Meinung. Auch ich halte die Machtstellung meines näheren Vaterlandes so hoch wie die Herren Twesten und Genossen, allein höher das Recht. Kant sprach die scharfen Worte aus: „Wehe dem, der eine andere Politik anerkennt als diejenige, welche die Rechts gesetze heilig hält." Dem pflichte ich bei. Wer das Selbstbe stimmungsrecht Anderer nicht achtel, untergräbt die eigene Freiheit. Nie werde ich der staatenverderblichen Lehre huldigen, daß Macht Wien. Ueber den Stand der österreichischen Anleihe verlautet Folgendes: „Von der Aufnahme der 150 Millionen ist gar keine Rede mehr; aber auch nicht von Begebung der Hälfte, weil die BanquierS, welche diese Quote heute zu einem gewissen Course übernähmen, sich sagen müßten, daß derselben binnen vier Monaten ein weiteres Anlehen zu einem jedenfalls niedrigen Course nachfolgen und dem gegenwärtigen eine erdrückende Concurrenz machen würde. Der Trost, den Herr v. Beke nach Hause gebracht, läuft somit darauf hinaus, daß Pariser und Londoner Häuser wohl 30 Mill, zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse gegen Wechsel auf drei Monate vorschießen, ein Anlehen aber weder ganz noch theil weise übernehmen, sondern höchstens, nach Beendung der momen- tanen Geldklemme, 60 Millionen für Rechnung der Regierung auf legen und nach Kräften unterbringen wollen. Statt des angekün digten SystemeS — Consolidirung der kleinen schwebenden Schuld posten und Regulirung der gesammten Staatsschuld durch Ein letztes Anlehen — bleiben wir also ganz bei der alten Plener'schen Weise, uns durch Kleinverschluß und Vermehrung der schwebenden Schuld gegen Papiere mit kurzer Verfallzeit fortzuhelfen: nur müssen wir ohne ReichSrath und Control-Commission natürlich höhere Zinsen zahlen.