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Innerhalb deS Bundesstaates ist die Existenz kleiner Staaten neben großen ein viel höheres Moment der Civtlisation, als der Einhcitsstaqt und entspricht dem germanischen Wesen der Freiheit viel mehr, alS all' di« Vorbilder romanischer Centralisation. - Wenn man ein Land civilistzt nennt, wo Ungefährdet der Schwache und Kranke neben dem Starken und Gesunden wohnt und lebt, ohne stir seine Existenz fürchten zu müssen, so ist von Staatengxuppen diejenige die civilisirtere, wo durch unlösbare Bündnisse der kleine Staat ungefährdet neben dem größeren cxisttrt. Wie die - Kultur des Privatrcchtes im Schutze besteht, den das Gesetz dem Schwachen gegen den Starken gewährt, so ist die währe Cmtur des Völker rechts nur in solchen Zuständen zu suchen, wo Verträge, wo Völ- Nrrechts-Gesetze den schwachen, Staat schützen durch den starken Nachbarstaat. Wo aber der Schwache zu existiren kein Recht hat, da ist der Zustand der Uncultur. Und diesen haben wir doch Wohl nicht zu fürchten, denn nir gend» liegen Anzeichen vor, daß die preußische Negierung an eine Annectirung Sachsens dächte. Im Gegentheil ist die von Sr. Ma jestät dem König Johann eingesetzte Landescommission von der preu ßischen Behörde bestätigt, und darin liegt der thatsächliche Beweis, daß auch in Zukunft die Selbstständigkeit unseres Landes geschützt und erhalten bleiben soll. Ja, wir können noch hinzufügen, daß in Kreisen, welche mit den Jntensionen der preußischen Regierung voll kommen vertraut sind, jede Einverleibung Sachsens entschieden in Abrede gestellt wird. Darum fbrt Mit allen dunkeln Phantasiebil dern, wodurch man die Last der Gegenwart nur noch verstärkt. ES war uns darum zu thun, durch vorstehende Bemerkungen die atgen Gedanken etwas zu zerstreuen, die jetzt im Publikum wie ' Unkraut in die Höhe schießen, uüd wir wenden uns nunmehr den HriegSereignissen zu. Auf dem böhmischen Kriegsschauplätze sind seit der am 3. Juli stattgefundenen Schlacht bei Königgrätz die preußischen Heeressäulen im steten Vorrücken und Verfolgen der Nordarmee geblieben. Ursprünglich glaubte man, die österreichische Nordarmee würde zwischen Olmütz und Brünn feste Stellung nehmen und den Preußen eine zweite Hauptschlacht anbieten. Dies ist aber nicht geschehen, weil wahrscheinlich im österreichischen Hauptquartier der Marsck der Elbarmee auf Jglau sür die Hauptstadt Wien als ge fährlich erachtet wurde. Es scheint demnach, al» würde erst in den Verschanzungen vor den Thoren von Wien das zweite Haupttreffen geliefert werden Die Elbarmee ist nach einem Wiener Telegramm der „Franks. Postztg." bereit« über Jglau vorgedrungen und sicht nur noch lO Meilen von Wien entfernt, während die Armee des Prinzen Friedrich Karl ebenfalls über Brünn vorgeschoben ist, da bereit« am 12. Juli das Hauptquartier nach Brünn verlegt wurde. Auch die Armee des Kronprinzen rückt ununterbrochen vor in der Richtung nach Olmütz. Demzufolge dürfte eine rechtzeitige Verbin dung der österreichischen Nordarmee nut der Südarmee, welch letz tere, wie eS heißt, bis auf 50,000 Mann Venetien verlassen hat, um vor Wien einen gemeinschaftlichen Angriff auf die Preußen zu unternehmen, wenn nicht verhindert, so doch wesentlich erschwert werden. Wenigsten« scheint die Schnelligkeit der preußischen Be wegungen darauf berechnet zu sein, dieser Vereinigung Schach zu bieten. Uebrigen« können wir jetzt jeden Tag die Nachricht von einer neuen Schlacht erwarten. Zum Durchzuge durch Prag sind weitere 50.000 Mann an- gesagt; wahrscheinlich ist da» unter General v. d MÜsbe von Dres- . den ausgebrochene Reservecorps gemeint, welches die Besetzung Böh mens übernehmen soll, während die große Armee nach Wien vsrrückt. Wir schließen hieran noch eine amtliche Notiz deS preußischen „Staaisanzeigcrs" über die Bortheile, welche Preußen bis jetzt im Kriege errungen hat. Das seit dem Einmarsch in die Mittelstaaten ' ocdllpirte Terrain beträgt l6l2 Quadrat-Meilen, wovon auf Han nover 698, auf Holstein 155, auf Kurhessen 174, aus Sachsen 271 pud auf Böhmen 314 Quadrat-Meilen kommen. Die von Nassau Uttd Darmstadt occupirten Theile sind bei dieser Berechnung nicht Mit in Betracht gezogen. Die Einwohnerschaft der gefammten oc cupirten Territoriums beläuft sich auf 7.109,000 Seelen. An Kriegsmaterial sind von Oesterreich und Hannover erbeutet: 220 Geschütze, worunter 200 neue und gezogene; ferner 40,000 brauch bare Gewehre. Außerdem sind große Mumtiouscolonnen von Vor- räthchl, 50,000 Gefangenen und 6000 Pferde in die Hände der Preußen gefallen. Huf dem italienische« Kriegsschauplätze gehen die Feindseligkeiten gegen Oesterreich ihren Gang ruhig weiter, wenig- sttnr meldet die „France", daß zwar das 5., 7. und 9. österrei chische Armeecorps aus Venetien abgerückt seien, dagegen die Er haltung der Festungen und festen Plätze in Italien durch 50,000 Oefterreicher bewirkt Wethen sollte. Bestätigt sich diese Nachricht, so scheint es saft, al- wolle der Kaiser von Oesterreich die Lesston >0 Venetien» wieder rückgängig mache», dq e» sich immer mehr heraus stellt, daß Italien an seinem Bündnisse mit Preußen festzuhalteu gedenkt und von Frankreich hierin nicht ernstlich gehindert zu wer den scheint. Die letzten italienischen Nachrichten.vomKriegSschau- platz lauten: Zwischen den mobilen Colonnen »er Nationalgarde und den Oesterreicheru hat am 11. Juli bei Leprese auf dem Stilf- ser Hoch ein Zusammenstoß stattgefunden. Der Kampf dauerte den ganzen Tag. Die Nationalgarden besetzten das Zollhaus und mach ten 75 Gefangene. Der Verlust der Italiener betrug einige Ver wundete, keine Tobte. AuS Giavenna wird vom 12. Juli über dasselbe Treffen ge meldet, daß die Oesterreicher unter Beihilfe der Zollwache auf^dem Stilfser Joch bis über da« zweite Zollhaus hinaus zurückgeworfen wurden und beinahe 100 Gefangene verloren. Die Italiener hat ten 6 Verwundete. AuS Frankreich find die widersprechendsten Nachrichten über die Haltung deS französischen CabinetS in Bezug auf den deutschen Krieg verbreitet worden. Durch eine Bemerkung des „Moniteur" vom 14. Juli werden dieselben auf ihr richtiges Maß zurückgeführt. Der „Moniteur" schreibt nämlich: „Die öffentliche Meinung, welche in ihrer Ungeduld , den Gang der schwebenden Verhandlungen zu erfahren, von allen Seiten Nachrichten darüber verlangt, zwingt hierdurch gleichsam die Journale, solche zu fabriciren. Wir müssen dem gegenüber bemerklich machen, daß die Mediation erst seit neun Tagen vorgeschlagen ist, daß die Verhandlungen nicht allein durch den Telegraphen geführt werden können und daß ein Courier drei Tage und drei Nächte braucht, um den Weg zwischen Paris und dem preußischen Hauptquartier zurückznlegen. Alles, was wir sa gen können, ist, daß die Verhandlungen im Fortschreiten begriffen sind und daß die Beziehungen zwischen dem Kaiser Napoleon und dem Könige von Preußen nie aufgehört haben, die allerbesten zu sein." Fast gleichzeitig mit der Moniteurnote veröffentlicht die „Köln. Ztg." folgenden Brief aus Paris: „Der Kaiser ist gegen wärtig gar nicht in der Laune, die wahren und falschen Geheim nisse seines CabinetS und seiner Ministerien vor dem großen Pu blikum ausbreiten zu lassen. Daß ein stir Oesterreich sehr un günstiger Umschwung in den Tuilerien eingetreten, ist eine Be merkung, in der der „Moniteur" hoffentlich nichts Gesetzwidriges finden wird. Jedenfalls ist sie wahr und sogar so wahr, daß die „France", trotz ihrer fortdauernden bissigen Wuth und grim migen Ausfälle gegen Preußen, doch die Jsolirung des Wiener Hofes zugesteht. Die neuen Vorschläge Preußens sind angekom men und heute in eifrige Berathnng gezogen worden. Die Annexion der Herzogthümcr und die Ausschließung Oesterreichs aus dem von Preußen geführten Bunde scheinen die wesentlichsten Punkte zu sein. Graf v. d. Goltz hatte lange Unterredungen sowohl mit dem Kaiser als mit Herrn Drouhn de Lhuhs. Daß Frankreich diesem Pro gramme seine Zustimmung ertheilt, ist kaum noch einem Aweisel unterworfen; Italien ist selbstverständlich damit einverstanden, und so kommt also Alles auf Oesterreichs Antwort an. Man wird sich in der Hofburg zu entscheiden haben, ob unter den Mauern Wiens noch eine große Entscheidungsschlacht ausgefochten werden soll, oder ob man dem Rathe des von Paris herbeigerufenen Freundes nach geben soll. Tao68^eschichte. Berlin, 13. Juli. Der „St.-A." meldet: „Vom böhmischen Kriegsschauplätze und über das weitere Vorrückcn unserer Truppen liegen neuere amtliche Nachrichten nicht vor. — Das gestern ge meldete Gefecht (vom 11. Juli) bei Hansen und Waldaschach hat, nach vorliegenden anderweitigen militärischen Mitthcilungcn aus Kissingen, eine größere Ausdehnung gehabt, da der letztgenannte Ort, diesen Mittheilungen zufolge, ebenfalls nach einem siegreichen Gefechte von unsern Truppen in Besitz genommen ist. Nähere Nachrichten über den Zusammenhang der an diesem Tage stattge- fundcnen Gefechte fehlen noch." Gestern wurde bekanntlich von baherscher Seite gemeldet, die Preußen seien am 11. Juli Vormittags „wieder aus Kissingen hin- ausgcworfen worden"; der Widerspruch wird sich aufklären, sobald dargethan, welche Mittheilung von beiden die neuere ist. Königsberg. Am Sonnabend, den 7. d., wurde einer der österreichischen Gefangenen, an der Cholera erkrankt und verstorben, von der Caserne ans nach dem Militärkirchhofe (vor dem Königs- thore) gebracht und dort beerdigt. Der einfache, schwarzangestrichene Sarg enthielt da» mit weißer Kreide geschriebene Wort „Oester- reichcr!" De« Verstorbenen Kameraden begleiteten den Sarg, ge folgt von einer preußischen Escorte. Beim Einsenken der Leiche in die Gruft commandirte ein österreichischer Sergeant: „Achtung! zum Gebell" Die Soldaten knieten nieder in den Staub, em stilles