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»Sy Schleswig «Holstein in besonder- ausgiebiger Weise zu verwerthen im Stande sein werde, scheint uns sehr zweifelhaft. Die innere Krise muß nothwendig lähmend auf die auswärtige Politik zurück« wirken und die öffentliche Meinung in Deutschland gegen eine Politik auf das Aeußerste empören, welche dem deutschen Rechtsbewußt sein in solcher Weise Hohn spricht. Deutschland kann der preußischen Regierung die Budgetlosigkeit und die Armee-Reorganisation ver zeihen, aber den Schwindel mit dem Rechtsgutachten der Kronsyndici und die Anklage gegen ein Abgeordnetenhaus, in welchem hundert wackere Richter sitzen, daß eS mit seinem Proteste gegen einen durch erwiesene Regierungsmanöver herbeigeführten Ober-Tribunals-Be- > schluß daS „wohlbegründete Ansehen deutscher Rechtspflege im Volke erschüttert und die Ehre des Richterstandes angetastet habe" — diese unglaubliche, durch ihre Verwegenheit geradezu verblüffende Anklage, kann da« deutsche Rechtsgefühl nimmer entschuldigen. Jeder nachhaltig^ Widerstand gegen die BiSmariksche» Annexions-Be- strebUngeu kann des entschiedensten Beifalls sicher sein, so weit die deutsche Zunge reicht, und nicht die Position des Berliner, sondern die des Wiener Cabinets ist durch diese Wendung der inneren Krise in Preußen gestärkt worden. Dieser Landtagsschluß bildet eine abermalige Etappe auf dem Rückzüge, von welchem der Abgeordnete Simsbn neulich sprach, und eS ist so unmöglich nicht, daß Preußen durch eine Niederlage seiner Annexions-Politik von einem Ministerium befreit wird, welches das Staatsschiff, wenn es noch eine Weile so fortarbeitet, mitten in den Sturm hineinlenkt. Der Kaiser von Oesterreich empfing am 22. Februar in Ofen die Deputation des kroatischen Landtages, welche die Adresse dieses Landtags überreichte. In seiner Antwort hob derselbe die Regelung der gegenseitigen Beziehungen sämmtlicher unter der StephanSkrine vereinigten Länder als die gewichtigste und unab- weiSlichste Forderung hervor. Die unzertrennliche Verbindung dieser Länder mit dem Gesammtreiche sei in einer den Zeitbedürfnissen entsprechenden Weise zu sichern. Der Kaiser sprach schließlich den Wunsch aus, daß die zur Verständigung mit dem ungarischen Land tage führenden vorbereitenden Schritte Seitens des kroatischen Landtages unverzüglich erfolgen möchten. — Sämmtliche Minister, mit Ausnahme des Grafen Belcredi, sind bereits am 22. Februar von Ofen nach Wien zurückgekehrt. — Das ungarische Ober haus hat die Adreßdebatte bereits am 22. Februar beendet und die Deputation zur Ueberreichung derselben gewählt. Der ursprüng- . liche Entwurf wurde ohne irgendwelche Modifikation angenommen und die ganze Adreßdebatte war mit Einrechnung aller Formalitäten binnen anderthalb Stunden überwunden. Im Unterhause wurde Mg« darauf, also am 23. Febr., die Adresse unter Ablehnung aller Amendements, mit Ausnahme eines einzigen angenommen. Dieselbe katn am 24. d. M. nochmals zur Verlesung, wobei über die Art dei Ueberreichung Beschluß gefaßt wurde. Ein kaiserliches Dekret verordnet die Abhaltung einer allgemeinen Weltausstellung in Wien für da- Jahr 1870. Die für das Berhältniß Italiens und Spaniens sehr wichtige Depesche, welche der spanische Minister des Auswärtigen in Beantwortung der bekannten Note des General Lamarmora an den spanischen Gesandten in Florenz gerichtet hat, liegt jetzt ihrem vollen Wortlaute nach vor. Bermudez de Castro constatirt darin zu nächst, daß die Anerkennung des Königreiches Italien, wie auch Lamarmora in loyaler Weise zugegeben, nur die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, keineswegs eine Verknüpfung der gegenseitigen Politik zum Zivecke gehabt habe und auch nicht die retrospektive Billigung der von der Regierung des Königs Victor Emanuel in den letzten Jahren befolgten Politik enthalten könne. Der spanische Minister legt also das Hauptgewicht gleichfalls auf die von Drouyn de LhuhS in der italienischen Frage so berühmt gewordene „freie Hand" und findet dies so selbstverständlich, daß eS ihm befremdend erscheint, wenn General Lamarmora sich über die spanische Auffassung der römischen Frage verletzt zeige. Die spanische Regierung, erklärt das Aktenstück weiter, ist gegen jede Zerstückelung des Erbgutes Petri, da hierdurch eine ganz neue und nicht anerkannte Situation geschaffen werden würde. -Die Politik Spaniens, wiederholt die Depesche, sei der Linie, dir ste sich vorgezeichnet, nach wie vor treu geblieben, und e» fri keine Einmischung, wenn die spanische Diplomatie in Paris und Wien für die weltliche Macht des Papstes arbeite, zumal dieses Streben ganz uneigennützig und im Einklänge mit den Absichten der kaiserlichen Politik stehe; indeß selbst wenn diese Einmischung Spaniens nicht zulässig wäre, hätte Einrede dagegen nur von französischer Seite erhoben werden können, niemals aber von Lamarmora, bei dem kein Schritt in dieser Angelegenheit geschehen sei; kur; und gut, die spanische Regierung könne die ihr gemachten Bemerkungen al« nicht an sie adressirt betrachten. Schließlich ver sichert Bermudez de Castro, daß er eben so eifrig für die weltliche Gewalt des Papstes, wie wohlwollend gegen Italien gesinnt sei, daß er jedoch keineswegs die.Eonfusion der weltlichen und geistlichen Gewalt in den Beziehungen Roms zu den katholischen Staaten al» Vortheilhaft unterstützt habe; da Italien und Rom jedoch als zwei Staaten neben einander bestehen müßten, so sei ihnen anzurathen, sich mit einander zu vertragen; zu diesem Zwecke, giebt er zu ver- stehen, könnte Italien „unbeschadet seiner Einheit und auf friedlichem Wege Rom wieder in den Besitz von einigen seiner früheren Provinzen versetzen." Der Ton dieses Aktenstückes ist spöttisch und abfertigend gehalten. Die Doppelzüngigkeit und Charakterlosigkeit der spanischen Politik tritt aber nur desto offener heraus, je leb hafter man sich an die Reden der spanischen Minister und nament lich an die von Bermudez de Castro selbst in den Cortes gehaltenen zu erinnern weiß. Aus Frankreich wird wieder einmal gemeldet,' daß die päpstliche Anleihe im Betrage von 60 Millionen Franks definitiv geregelt ist. Nothwendig hätte es die päpstliche Regierung sehr, denn, wie aus Rom berichtet wird, fand sich zu Anfang dieses Monats in der Kasse zur Deckung der laufenden Ausgaben fast gar nichts vor, und war namentlich die Verlegenheit der Sektion für die Personen sehr groß. Man wartete mit der fälligen Aus zahlung mehrere Tage, bis dem Finanzminister, Msgr. Ferrari, gemeldet wurde, daß der Fürst Camillo Massimo die Summe von 60,000 Scudi im Hause habe. Er wurde sofort um ein Darlehen ersucht, das etwa dieselbe Höhe erreichte, hatte' aber Bedenken, darauf einzugehen, bis der Director des großen Leihhauses Monte di Piela die Angelegenheit vermittelte und dem Finanzminister das Geld unter keineswegsLgünstigen Bedingungen zur Verfügung über lassen wurde. Bei Besprechung der Suspendirung der Habeas-Corpusacte in Irland kommen mehrere von den englischen Blättern nochmals auf die Lage Irlands zurück; indeß stimmen alle darin überein, daß jene Maßregel keine Minute zu früh erfolgt sei. — Was die Erklärung betrifft, welche Lord,Russel der Deputation aus Glasgow in Bezug auf die Parlaments-Reform gegeben hat, so steht mit derselben eine Angabe der „Times" nicht recht im Einklänge, der zufolge zugleich mit der Bill über den Wahlcensus eine andere Bill über die Wahlkreise eingebracht werden soll. „Wenn schon", so meint das leitende Blatt, „die Einbringung einer Reformbill nicht vermieden werden könne, so sei jener Entschluß zu billigen. Die Vorschlagung einer Maßregel, welche wenigstens ein Menschen alter dauern könnte, sei der einzige Ausweg, wenn das Ministerium nicht jämmerlich scheitern solle. Möglicherweise komme jetzt auch der bessere Entschluß der Regierung zu spät, aber es sei besser, infolge eines aufrichtigen, wenn auch verzweifelten, als infolge eines heuchlerischen Refvrmversuchs zu fallen." Hinsichtlich des im Parlamente ausgesprochenen Wunsches, daß die Königin zu außergewöhnlichen Zeiten in London oder Windsor, und nicht in dem entlegenen Osborne residiren solle, ist zu bemerken, daß derselbe auch vom „Advertiser" getheilt wird, der seine Bedenken in der Form eines Briefes an den Editor in aller Loyalität und Unterthänigkeit zu erwägen giebt. Tagesgeschichte. Berlin, 24. Febr. Die „Volksztg." schreibt: Die „Kreuzig." meint, die Regierung habe dem Lande durch den energischen Schritt der Schließung des Landtages einen wesentlichen Dienst geleistet. Wenn das richtig ist, so muß dieser „wesentliche Dienst" nach der Ansicht der „Nordd. Allg. Ztg." sehr wenig Anerkennung finden, denn sie schreibt, daß man sich in allen Kreisen absolut gleichgiltig gegen dieses Ereigniß verhält. Wie gewöhnlich, haben beide Blät ter dabei nur ihren Parteistandpunkt, nicht den des Landes im^Auge. Von dem „wesentlichen Dienst", welcher dem Lapde durch Schlie ßung des Landtages erwiesen ist, weiß man außerhalb der Redak tion der „Kreuzztg." nichts, und was die Gleichgiltigkeit gnbelangt, so mag sie in dem Redactionslocal der „Nordd. Allg. Ztg." herr schen, im Volke selbst war nichts davon zu bemerken. Im Gegen theil, man hat sich, nachdem die erste Ueberraschung, welche diese Nachricht in allen Kreisen hervorgerufen, sich gelegt hat, sehr viel mit dieser Angelegenheit beschäftigt und vergebens nach den Grün den gesucht, welche diesen Schritt bewirkt haben. Daß eö den Zweck habe, der Regierung freie Hand zu einem Auftreten gegen Oester reich zu geben, wird vielfach behauptet, und stehen damit auch die Gerüchte einer bevorstehenden Mobilisirung eines oder zweier Ar- Armeecorps in Verbindung. Mehr Aufsehen fast als der Schluß des Landtages hat aber die Vertagung auf einen Tag gemacht, und möchten wir fast annehmen, daß dieser Schritt der Regierung den besten Schlüssel zu der schnellen Auflösung giebt. Es stand der Beschluß des Abgeordnetenhauses über den Vertrag mit der Köln- Mindener Bahn in nächster Aussicht, und nach dem Einfluß, wel che» die bloße Stellung des Antrages auf den Cours dieser Aktien gehabt hatte, war vorauSzusehen, daß dieselben ganz erheblich zu-