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de- jenseitigen ewigen Richters zu mildern. Diese Geelenstimmung beherrschte ihn auch heute, denn so weit der menschliche Blick zu reichen vermag, so schien der Angeklagte mit der Welt abgeschlossen und sich vollständig in sein Schicksal ergeben zu haben. Kein Wort der Entschuldigung, keine Silbe für Bemäntelung der schweren That, keine Bitte für Milderung seiner Strafe, kein Zurücknehmen de- früher Zugestandenen kam über seine Lippen — nur dann und wann verrieth das thränende Auge den inner» Zustand der Seele. Der Gang der Verhandlung war in Kürze folgender. Nachdem Se. ExceUenz Präsident v. Langen» als Vorsitzender des Gerichts hofes die fessellose Vorführung des Mörders angeordnet, erfolgte das Referat über die frühere Untersuchung, die bekanntlich am 29. November v.' I. mit der Verurtheilung des Angeklagten zum Tode endete. Der Vorsitzende las hierauf einen Brief vor, welchen der Angeklagte früher, als er im Zuchthause eine Strafe wegen Dieb stahls büßte, an feinen jünger» Bruder bei dessen Constrmation gerichtet und worin er ihn bat: sich stets ein reines Gewissen zu erhalten, den rechten Glauben zu bewahren und die ungetrübteste Liebe zu Gott in seinem Herzen wohnen zu lassen, damit er, der heute noch auf ein schuldbefreites Leben zurückblicken könne, einst ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft werde. Die Versuchung werde jetzt auch an ihn treten, er möge ihr aber wider stehen. — Der Herr Präsident v. Langenn richtete die Frage an Neumann: ob er mit diesem Briefe nur einer üblichen Form der Gratulation habe genügen wollen oder ob derselbe reiner HerzenS- erguß gewesen sei. Der Angeklagte behauptete das letztere. Aus die weitere Frage: wie er denn bei so löblichen Grundsätzen so tief habe sinken können, antwortete Reumann: die Begierde nach neuen > Kleidern habe eine solche Herrschaft über seine guten Grundsätze ge wonnen gehabt, daß es ihm heute selbst vorkomme, als sei die blu tige That von ihm im Traume begangen worden. — Herr General- Staatsanwalt 0r. Schwarze begründete nunmehr die Anklage. In sittlicher und psychologischer Beziehung sei die That Wohl räthsel- haft, nicht aber in «juristischer. Er gebe zu, daß der Angeklagte nicht zu den verworfensten Menschen gehöre, dafür spreche die Offenheit seines Geständnisses, das Vertrauenszeugniß de» Zucht hauses und in gewisser Beziehung sein ganze» frühere« Leben. Möglich, daß, wenn er fortwährend in strenger Zucht gehalten wäre, die Leidenschaft nicht widerstandslos Herr seiner besseren Grund sätze geworden sei. Die That sei um so furchtbarer, als sie an einem Sonntag-Morgen verübt worden, wo der Glockenton den Arm des Mörders hätte lähmen und ihm gleichsam als ein War- nungSruf aus den Wolken erscheinen müssen; ferner weil die That mitten in der Stadt verübt sei und zwar an einem ruhigen Bür ger, zu welchem sich der Mörder in scheinbar freundlicher Absicht begeben habe; endlich weil das Motiv zur That die Habsucht nach ein paar elenden Kleidungsstücken gewesen sei. Im Weiteren be gründete die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Bestätigung des TodeSurtheilS. Als Vertheidiger ergriff hierauf Herr Avvocat Iudeich das Wort, nicht um besondere Anträge in Bezug auf das Strafmaß zu stellen, sondern um nur einzelne Momente dem Ge- richtShbfe zur Erwägung zu empfehlen. In sehr eingehender Weise und mit Entwicklung großen juristischen Scharfsinns legte der Herr Vertheidiger dar, daß wohl von einem Vorsatz zur Tödtung, nicht aber von Ueberleguna bei der That selbst die Rede sein könne, daß also im Sinne des Gesetzes nicht Mord, sondern Todtschlag even tuell Mordversuch vorliege. Der Gerichtshof bestätigte indeß das TodeSurtheil, welches der Mörder mit thränende» Augen, abn ruhig und gefaßt, vernahm. Die Gründe des Erkenntnisses werden am 31. Januar Mittags 12 Uhr publicirt werden. Leipzig, 24. Januar. Der Stadtrath ist nach einem, vom Tageblatt veröffentlichten Communicat an die Stadtverordneten mit dem von diesen an ihn gebrachten Antrag wegen einer „Revision der hiesigen BürgerrechtSgcbühren und insbesondere der Zuschläge zu denselben für die Armen- und Schulkasse mit dem Zwecke thun- lichster Ermäßigung" nicht allein im vollsten Einklänge, sondern geht noch weiter, indem er überhaupt der vollen gewerblichen Freizügigkeit das Wort redet und demgemäß die Berechtigung zum Gewerbebetriebe von der Gewinnung des Bürgerrechts gar nicht abhängig gemacht sehen möchte, so daß die Niederlassung behufs de» Gewerbebetriebes mit einem Einzugsgelde nicht belegt werden würde. Einen Ersatz für das ausfallende Bürgergeld glaubt er aber für das Budget zu benöthigen und findet solchen in einer Wohnung«- und Miethsteuer, „dergestalt, daß alle eigenen wie MiethSlocalitäten, seien diese Wohnung«- oder Geschäftsräume, mit derselben belegt werden." — 26. Januar. Gestern Abend 6 Uhr ging auf der Mägde- burger Bahn ein Leichentransport von hier ab, dessen Endziel Philadelphia ist. Die Leiche war diejenige der Bankiersgattin Pückler au» Philadelpia, welche, auf einer Reise durch Deutschland begriffen, Anfang vorigen Monats im Alter von 25 Jahren plötzlich in München verstorben war. Der tieferschüttert« Gatte Hatte dtg irdischen Ueberreste seiner ihm so schnell entrissenen Lebensgefährtin nicht in fremder Erde ruhen lassen wollen. Chemnitz, 24. Januar. Von der Regierung der Bereinigten Staaten von Amerika ist für Chemnitz eine Consularagentur er richtet und Herr B. Busse au« Leipzig zum Consularagenten er- - nannt worden. Derselbe macht heute bekannt, daß er die Ausübung der betreffenden Lonsulargeschäfte begonnen habe und bereit ist, die Legalisation aller Facturen über nach den Vereinigten Staaten, bestimmte Güter zu vollziehen, soweit letztere au» dem District de-, Leipziger ConsulatS zur Verschiffung kommen. — Das „CH. Tgbl." bemerkt, daß die für die Industrieaus stellung bisher eingegangenen Anmeldungen von Ausstellungsgegen ständen ungefähr den gesammten ursprünglich bestimmten Raum eiynehmen, so daß für weitere Anmeldungen zusammengerückt und erweitert werden muß. — Von der französischen Regierung sei übrigen» der Wunsch ausgesprochen worden, daß in der Ausstellung nicht allein Erzeugnisse und Werkzeuge ausgestellt, sondern auch möglichst viel gearbeitet werde. Diesen Gedanken habe man auch hier aufgegriffen, und es sei der Wunsch ausgesprochen worden, daß besonders interessante Arbeiten, wie z. B. Gpitzenklöppeln, Anfertigung der Spielwaaren, Glasblasen u. dgl. im Ausstellung»- gebäude selbst betrieben werden mögen. Löbau, 20. Januar. Im Gerichtsamtsbezirk Herrnhut ist die Wahrnehmung gemacht worden, daß die aus medicinal- und sonstigen wohlfahrtspolizeilichen Gründen nothwendige Ueberwachung de« Betriebes der Pferdeschlächterei zum Verkaufe de« Fleisches al» menschliche Nahrung nicht allenthalben mit der erforderlichen Strenge und Sorgfalt stattfindet, insbesondere die zum Ausschlachten be stimmten Pferde rücksichtlich ihrer Tauglichkeit hierzu nicht überall vorher thierärztlich untersucht worden find. Infolge dessen hat sich das Gerichtsamt zu Herrnhut veranlaßt gefunden, anzuordnen, daß in Zukunft nur dann das Schlachten von Pferden zum Verkaufe des Fleisches gestattet ist, wenn jede« Pferd vorher thierärztlich, untersucht und das Fleisch für tauglich zum menschlichen Genüsse befunden worden ist, ferner die Pferdeschlächter den thierärztlichen Befundschein jede« Mal vor dem Schlachten dem OrtSrichter vor zulegen haben, welcher auf demselben die erfolgte Vorlegung unter Angabe de» Tage« zu bemerken, sodann aber den Schein zurück« zustellen hat; weiter die Verbindung der Pferdeschlächterri zum Verkaufe de» Fleisches al» menschliche Nahrung mit dem Cavillerie- betriebe au« wohlfahrtspolizeilichen Gründen unzulässig ist und jeder gewerbsmäßige Pferdeschlächter sich mit obrigkeitlichem Ge werbsanmeldeschein zu versehen hat. Bad Elster. (D. II In dem hiesigen Auguststifte haben während der Saison des verwichenen Jahre« 55 Personen Aufnahme und Verpflegung gefunden, von welchen 54 den geringen täglichen Verpflcgbeitrag von 2'/, Ngr. geleistet habe», eine dagegen ihrer HilfSbedürftigkeit halber mit der Abentrichtung diese- Beitrag verschont geblieben ist. Unter den Einnahmen befinden sich, äußer l dem Kasstnbestande aus dem Jahre 1864 an 94 Thlr. und äußert der von vem königlichen Ministerium des Innern auch auf da» - Jahr 1865 gewährten Beihilfe von 50 Thlrn., die von den Cur- gästen gesammelten Beiträge von überhaupt 519 Thlr. Bon diesen« Einnahmen sind sowohl die Beihilfen zu Beköstigung der Bene-^ ficiaten, al« die durch Baulichkeiten im Stiftsgebäude und durch das Einsammeln der Beiträge veranlaßten Kosten bestritten worden. ' Am Schluffe des Jahre« 1865 verblieb, außer dem der Stiftung- zugehörigen Gebäude, ein Vermögensbestand von 1399 Thlr., vou > welchem 1250 Thlr. zinsbar angelegt worden sind. Vermischtes. * Die Kaufleute Simon und Salomon Caro, sowie der frühere Rabbiner Süßkind Caro in Berlin werden wegen betrüglichen Bankerott« , und bez. Theilnahme daran vom dortigen Stadtgericht durch Steckbrief verfolgt. Wie die „Voss. Ztg." berichtet, hatten die Gebrüder Car» (aus Czernijewo) in Berlin seit etwa einem Jahre ein Engro-geschjst in wollenen Waaren und ShawlS etablirt. Sie wohnten in der Kaiserstraße und bei ihnen der Vater Süßkind Caro, die Mutter Blümchen uüd die Schwester Emma, welche an einen gewissen Spiro in London verheirathet ist. Am Weihnachtsheiligabend reisten die Ge brüder Caro angeblich nach Leipzig, um die dortige Neujahr«messe zu besuchen Es stellte sich aber bald heraus, daß sie, statt nach Leipzig, über Hamburg nach London gegangen, wohin vorher an die Adresse ihre« Schwagers Kisten mit Waaren geschickt worden, und daß ein be- trügerischer Bankerott ans Höhe von wenigsten« 46,06» Thlr. vorlit-t, wobei Berliner Firmen mit etwa 15,000 Thlr. zu kurz kommen, der, Rest aber aus sächsische Häuser fällt. Vater, Mutter und Schwester, haben bei der Forischaffung der Waaren sowohl, al» de« Mobiliar«,