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DAPIER-VERARBEITUNG HBU CH GEWERBE^S Berlinert Typographische Gesellschaft Die Sitzung vom 24. September war von 74 Mitgliedern und 6 Gästen besucht. Der Vorsitzende Herr Könitzer meldete folgende Eingänge: von der Schriftgießerei F. A. Brockhaus in Leipzig ein Musterbuch über Vignetten, besonders für Vereinszwecke, so wie einige vorzüglich ausgeführte Tiefdruck-Kunstblätter; von der Fachschule in Stuttgart der Jahresbericht für das Schuljahr 1911/12; vom Guckkastenverlag Heft 31 dieser illustrierten Zeitschrift; von der Firma Ferd. Flinsch in Berlin ein umfangreiches Heft mit Proben von Postpapieren; eine Festschrift zum 50jährigen Berufs- jubelfest des bei der Firma Ullstein & Co. beschäftigten Herrn Adolf Kalläne; ein Exemplar des von Oskar Burkhardt in Leipzig herausgegebenen Werkchens „Kniffe für Akzidenz-, Werk- urd Zeitungssetzer'', das für 60 Pf. käuflich zu haben ist; einige Propa ganda-Zirkulare des Reklame-Instituts Carl Jahnke; von Rösners Handelsakademie Prospekte und ein Taschenbuch; von Herrn Direktor Herrmann in Wien ein Almanach des Oesterreichischen Faktoren-Verbandes, von dem weitere Exemplare für 1 M. ab gegeben werden; ferner das Programm der Fachklasse für Buch drucker an der I. .Handwerkerschule zu Berlin für das Winterhalb jahr. Der Vorsitzende empfiehlt den Besuch dieses vielseitigen Fortbildungsinstituts und betont dabei, daß sich durch diese auf Anregung der Typographischen Gesellschaft ins Leben gerufenen Klassen die Einrichtung besonderer Kurse für die Gesellschaft erübrige. Weiter berichtet er über den Besuch des Kabelwerkes Oberspree der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft und spricht der Direktion dieses Riesenwerkes für das bewiesene Entgegen- nommen den Dank der Gesellschaft aus. Als Mitglieder angemeldet wurden die Herren Johann Schnaken berg, Vertreter der Firma H. Clauberg, SW, Gitschiner Str. 91, und Faktor Oswald Berner im Betriebe der Monotype-Setzmaschinen fabrik G. m. b. H., SW 48, Wilhelmstr. 108. In die Kommission zur Vorbereitung des am Sonntag, 15. De zember, in der Form einer Weihnachtsfeier im Ruhmessaale des Marinehauses abzuhaltenden diesjährigen Stiftungsfestes wurden gewählt die Herren Heinrich Behrens, Otto Brandt, Otto Dittmann, Georg Held und Hermann Juhnke. Hierauf hielt Herr Faktor Paul Rönnebeck den angekündigten Vortrag über die vom Deutschen Buchgewerbeverein zur Verfügung gestellten, im Versammlungsraum ausgestellten Diplome und Adressen. Der Vortragende bezeichnet es als eine dankbare Aufgabe, über diese Arbeiten zu sprechen, denn es gewähre schon einen Reiz, sich mit dem Text zu beschäftigen. Diplome und Adressen seien keine alltäglichen Erscheinungen, es solle immer eine festliche Stimmung damit ausgelöst werden; auf die technische Herstellung solcher Arbeiten werde besondere Mühe verwendet, und in Papier, Schrift, Anordnung und Druck Vollkommenes angestrebt. Wenn man den Wert der ausgestellten Arbeiten verstehen wolle, müsse man sich vergegenwärtigen, wie solche Drucksachen früher ausge sehen hätten. Zu diesem Zwecke habe er als Gegenstücke einige solcher mit schweren, plastisch wirkenden, technisch kunstvoll zusammengeschnittenen und gelöteten Umrahmungen versehene Diplome ausgestellt, bei denen der Blankorand beinahe dieselbe Wirkung ausübe, wie das fertige Diplom. Der Vortragende schilderte dann die Entwicklung der Sprache und der Schrift, zeigte wie die Kultur von den Phöniziern auf die Griechen und von diesen auf die Römer übergegangen, wie die Völkerwanderung fast alles ver nichtet und später die christliche Kirche die Führung übernommen habe, indem in denKlöstern die kostbaren Handschriften mit prächtigen Initialen und Miniaturmalereien hergestellt wurden. Die Erfindung des Papiers um das Jahr 1200 habe die Kultur weiter gefördert, und schließlich sei die befreiende Tat Gutenbergs, die Erfindung der Buchdruckerkunst, die mächtigste Kulturträgerin geworden. Weitere wichtige Förderer seien die Erfindung des Steindrucks, die Erfindung der Schnellpresse, der Galvanoplastik, die Rotations maschine, die Setzmaschine und die Reproduktionsverfahren ge worden. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts seien die architektonischen Einfassungen erschienen, für deren Anwendung das Verständnis der Architektur häufig fehlte, trotzdem entwickelte sich eine äußerst komplizierte Satztechnik. Es erschien eine Fülle von kostbarem Material in allen möglichen Stilarten, Griechisch, Komisch, Gotisch, Renaissance, Barock, selbst Japanisch und Maurisch und zwei Jahrzehnte hindurch seien diese Einfassungen angewendet "worden. Der von einzelnen Druckereien gepflegte inaeut SC he Stil habe sich von solchen Mißbildungen ferngehalten Farben sein hier Arbeiten in gut lesbarer Schrift und in kräftigen entstanden. Von England sei die Bewegung ausgegangen, Schrift und Ornament künstlerisch zu gestalten und auf der Fläche lediglich in der Schwarz-Weiß-Technik zu wirken. Viele tüchtige Kräfte seien jetzt hierfür am Werke und man dürfe behaupten, daß Deutschland hinsichtlich der Druckindustrie an erster Stelle stehe. Aufgabe des Buchdruckers sei es, das jetzt reichlich vor handene stilreine Material richtig anzuwenden und ihm künstlerisch befriedigende Form zu geben. Ein Zeichen unserer Zeit sei der Wechsel der Mode; im Zeitalter der Elektrizität und der Flugtechnik finde man kaum noch Zeit, sich in bestimmte Formen einzuleben. Be achtenswert sei, daß heute die individuelle Auffassung sich Geltung verschaffe. Als Eckmann mit seiner neuen Schrift erschien, habe er die Fachwelt in Erstaunen gesetzt; heute finde man es selbst verständlich, daß auch große Künstler sich in den Dienst der Graphik stellen. Es sei erfreulich, daß an den Fachschulen und anderen Fortbildungsanstalten das Stilgefühl ausgebildet werde. Die aus gestellten Arbeiten seien ein Beweis für die hohe Stufe, auf der unsere Druckkunst stehe. Berücksichtigen müsse man, daß in manchen Druckereien das Material für solche Arbeiten nicht ausreichend vorhanden gewesen und man darum habe mehrmals drucken müssen. Jede künstlerische Arbeit müsse schön und dabei zweckentsprechend sein; wenn auch der Geschmack des Bestellers einer Arbeit zur Geltung kommen müsse, so sei es doch Sache des Buchdruckers, das Richtige zu treffen. Die quadratische Form sei für solche Ar beiten nicht geeignet, immer solle man den goldenen Schnitt be rücksichtigen. Die Wahl des Papiers sei in bezug auf Stoff, Färbung und Struktur von großem Einfluß und könne viel zu einer stimmungs vollen Wirkung beitragen. Die Schrift müsse die Hauptsache bilden, die Gruppierung des Satzes dürfe nicht gesucht sein; der Block satz eigne sich nicht für jeden Text; schlechte Trennungen seien zu vermeiden. Bei den ausgestellten Arbeiten sei nicht immer das höchste Ziel erreicht worden. Es sei verfehlt, die Hauptzeilen in Goldbronze zu wählen, die Schrift müsse dann wenigstens eine farbige Kontur erhalten. Die besten Arbeiten seien einfach und nüchtern; unsere Phantasie verlange Beschäftigung, dazu diene das Ornament, aber der Schmuck müsse etwas an sich haben, das zu uns spricht. Das 19. Jahrhundert habe nicht die Kraft besessen, einen neuen Stil zu schaffen, heute aber seien viele tüchtige Künstler auf dem Wege dazu. Möge dem Buchdruck auch Vieles durch andere Techniken genommen werden, mögen die Maschinen noch so voll kommen sein, immer werde viel geistige Arbeit gefordert werden, die durch die Maschine nicht ersetzt werden könne. Der Vortragende schloß seine Ausführungen mit dem Wunsche, daß die deutsche Druckkunst zu immer höherer Blüte emporwachsen möge und erntete lebhaften Beifall. Der Vorsitzende Herr Könitzer dankte dem Vortragenden namens der Gesellschaft; er wies darauf hin, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen den früheren Diplomen und den neueren darin liege, daß man die Texte solcher Arbeiten jetzt wortreicher gestalte als früher. Eine Schwierigkeit liege darin, daß die großen Schriftgrade nicht immer ausreichend vorhanden seien, um den Satz auf einmal herstellen zu können; deshalb könne man den Ge samteindruck nicht vorher beurteilen. Auch müsse unter solchen Umständen dem Buchdrucker gestattet sein, zur Vermeidung schlechter Trennungen kleine Aenderungen im Text vorzunehmen. Schließlich dankte er dem Deutschen Buchgewerbeverein für die Ueberlassung der ausgestellten Arbeiten. Herr Druckerfaktor Werra besprach die Ausstellung vom Standpunkt des Druckers. Es werde bei der Wahl der Farbe zu wenig •Rücksicht auf die Tönung des Papiers genommen; so erziele man mit Schwarz eine bessere Wirkung, wenn man etwas Blau zusetze. Auch beim Werkdruck müsse man dahin streben, die Farbe dem Papier entsprechend abzutönen; reines Schwarz sei nur auf kaltem weißem Papier von guter Wirkung. Herr Georg Wagner kritisierte die Arbeiten vom künstlerischen Standpunkt; er fand, daß sie in vielen Fällen dem Zwecke, einen Glückwunsch darzustellen, wenig entsprächen; sie seien zu nüchtern und eintönig. Das Monumentale sei nicht immer am Platze. Das Schriftmaterial sei eben nicht für derartige Arbeiten geeignet. Auch hierfür gäbe es eine Grenze; wo es sich um ein einziges Exemplar handle, wie das bei Adressen und Diplomen in der Regel der Fall sei, solle man die Arbeit von einem Künstler herstellen lassen. Herr Erler bemerkte hierauf, das Buchdruckgewerbe könne nur gewinnen, wenn die Künstler sich auf solche Arbeiten be schränken würden, die nur in einzelnen Exemplaren gebraucht würden. Der Buchdrucker könne nur Material brauchen, das mehr fache Verwendung zulasse; deshalb seien gewisse Serien von Vignetten, die einen bestimmten Zweck betonen, nicht praktisch und nicht wirtschaftlich. Herr Paul Hennig war der Ansicht, daß der Buchdrucker es sich nicht nehmen lassen werde, Diplome und Adressen_für Kollegen