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Tageblatt. S6 Freitag, den 27. April Erscheint jeden Wochmtaz früh 9 U. Inserate werden bi« Nachm. 3 Uhr für die nZchfte Nr. ananiommen. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträche zu Freiberg, Sayda u. Brand. , ' '2. - ...... .ii ii 1 .j.im werden dl» gespaltene Zeil« »de« deren I MaUAWH Naum mit 8.Pf. berechnet 4- Wie verbessert der Arbeiter seine Lage? i. CS ist eine notorische Thatsache, daß die Arbeiter Freiberg- nächst denen im Erzgebirge am öftersten und lautesten über da- Drückende ihrer Lage klagen. Petitionen vor den Ständen und am Throne beweisen dies, und erst kürzlich gab ein Bergarbeiter aus Brand bei der Deleqirten-Bersammlnng sächsischer Arbeiter-Vereine in Dresden diesen Klagen erneuten Ausdruck. Mit Klagen allein bessert man nichts, und im Interesse des ehrenwerthen Arbeiler- standeS wollen wir deshalb die Frage erörtern, wie der Arbeiter selbst seine Lage verbessern kann, ohne uns jedoch auf specielle Berufsclassen zu beschränken. Die Einen werfen sehnsüchtige Blicke aus die Staatsgewalt, nicht bedenkend, daß diese eine sociale Be wegung höchstens zu leiten, nicht aber zu organisiren vermag. Die Andern drängen den Arbeiterstand selbst zur Ueberstürzung, indem sie verkennen, daß Erfolge, welche über Nacht plötzlich errungen wurden, auch über Nacht wieder verschwinden, weil ihnen die wahre Reife, der feste innere Halt fehlt. Allerdings ist Selbsthilfe da» geeignetste Mittel, wo eS sich darum handelt, einem berechtigten Interesse Anerkennung zu ver schaffen. Aber diese Selbsthilfe muß eine friedliche, gesetzliche sein. Die physische Gewalt ist ein Pfeil, der sich am letzten Ende meist gegen den Schützen selbst kehrt. Jene Feuerköpfe, welche den Ar beiterstand in Bahnen drängen möchten, auf denen er den ganzen gesellschaftlichen Bap, folglich auch schließlich sich selbst zertrümmern würde, haben das wirthschaftliche und gewerbliche Genossenschafts wesen, wenn nicht geradezu angefeindet, so doch vielfach bespöttelt und verkleinert. Allein selbst sie haben nicht umhin gekonnt, der vollendetsten Form desselben, den Productivgenossenschaf ten, ihren unbedingten Beifall zu. zollen. Die Creditvereine versorgen den Mittlern und kleinen Gewerb- treibenden mit dem erforderlichen Gelde, die Rohstoffgenossenschaften nzit dem zu verarbeitenden Material, die Magazinvereine mit dem nöthigen BerkaufSlokal und Verkaufspersonale. Aber das Geld und daS Material verwendet der Empfänger zu Einzelunter nehmungen, in dem gemeinsamen Magazine legt er die Erzeug nisse seiner Einzelunternehmung aus. Die Mitglieder der Ppoducsivgenoffenschaften hingegen verbinden sich zu einer Ge- saWUl^uuternehmung und arbeiten mit vereinten Kräften. Sie treten nicht bloS zu gemeinschaftlicher Aufbringung, sondern auch zu gemeinschaftlicher Verwendung des Capital« zusammen. Roch mehr: die in ihrer Zersplitterung ohnmächtigen Atome ange- boreyer Intelligenz, erworbener Erfahrung und thatkräftiger Willens- stärke ballen fick innerhalb der Productivgenoffenschaft zu einer fe« sten Masse zusammen und sind in dieser Verdichtung großer Er- folge fähig. Durch die Productivgenoffenschaft wird der Arbeiter in die Llasse der Unternehmer emporgehoben. Die Wirkungen der Productivgenossenschaften sind aber noch anderer und edlerer Na tur; sie bestehen in dem materiellen, moralischen und intellectuellen Aufschsvunge der Mitglieder. Ein Unternehmen wird in Vorschlag gebracht. Die Genossen , . vnfamtzuln.sich -u gemeinsamer Berathung. DaS Mr und Wider wird auf da« Sorgfältigste abgewogen. Jeder wirft seine Logik und seine Erfahrung in die Wagschale. DaS Unternehmen kommt in Gang. Jetzt heißt es: vernünftige Organisation. Kühle Be sonnenheit, überlegener Verstand, tiefblickende Einsicht, weitblickende Umsicht erhalten Gelegenheit, sich geltend zu machen. Der geistig Schwächere wird vom geistig Stärkeren belehrt und angeregt, P-« Unternehmen wird durchgeführt. Nun ist Willenskraft, Charakter- sestigkeit, die bei allen Schwankungen und scheinbaren Mißerfolgen unerschütterlich ausharrt, dringend vonnöthen. Den Anordnungen der selbstgewählten Leiter des Geschäfts muß pünktlich Folge gelei stet werden. Eigenwille, unaufhörlicher Widerspruch würde nicht bloS die Resultate des Geschäft« in Frage stellen, sondern könnte unter Umständen unermeßlichen Schaden stiften und die Existenz der Genossenschaft, wie die ihrer einzelnen Mitglieder ernstlich be drohen. Freiwillige Unterordnung bei Gewöhnung ast Selbststän digkeit und eigener Verantwortlichkeit, Selbstzucht bei äußerer Un abhängigkeit, Erhöhung der Manneswürde und kühnen Muth«» bet maßvoller Selbstbeschränkung sind also die weiteren Früchte der Productivgenossenschaft. Wenn ein Einzelunternehmer da» Wagniß de« Geschäftes ganz allein auf sich nimmt, so übersteigt auch der Gewinn den bloßen Arbeitslohn um ein Erkleckliche». An diesem Unternehmergewinn nimmt nun jede» einzelne Mitglied der Pro ductivgenoffenschaft Theil und arbeitet sich auf solche Weise, zuwei len langsam, jedenfalls aber ziemlich sicher, zum Capitalisten empor. Heute blickt noch der niedere Handarbeiter mit einer gewissen ehrfurchtsvollen Scheu zu dem großen Fabrikherrn, Bankier und Kaufmann empor. Gewinnen aber erst die Productivgenoffenschaf ten eine angemessene Ausdehnung, so wird manche bisher für un« übersteiglich gehaltene Schranke fallen und die brennende Arbeiter frage, dieses unheimliche rothe Gespenst, wird eine alle Theile zu friedenstellende glückliche Lösung finden. Tagesgeschichte. Berlin, 24. April. Die heutige „Provinzial-Corresp." enthält den Wortlaut der letzten preußischen Depesche vom 21. d. M. an den preußischen Gesandten in Wien. Dieselbe lautet: „Ew. Ex-ellenz erhalten in der Anlage Abschrift derjenigen Depesche de« Gräfin MenSdorff, welche Graf Karolyt am gestrigen Tage mir vorgelesen und in meinen Händen gelassen hat. Die von Sr. Mast dem Könige angevrdneten militärischen Maßregeln hatten, wie Ew. Ercellenz die« dem kaiserlichen Cabinet wiederholt zu erklären in der Lage gewesen find, lediglich den Zweck, da« Gleichgewicht in der Krieg«» bereitschast wieder herzustellen, welche« nach Ansicht der kgl. Regierung dadurch gestört worden war, daß eine große Anzahl der in de» ver schiedenen Provinzen deS Kaiserstaate« vertheilten Lruppenk-rper solche Bewegungen Vornahmen, durch welche die von ihnen im Kriegsfall» bi« zur preußischen Grenze zurückzulegenden Entfernungen vermindert wurden, zum Theil sehr erheblich. Dieser dtp preußischen Rüstungen ausschließlich zu Grunde liegende Beweggrund bringt e« von selbst mit sich, daß Se. Mas. der König bereitwillig die Hand dazu bieten wird, die getroffenen Vorsichtsmaßregeln sobald und und in dem Maße ein zustellen, al« von der kaiserl. Regierung die Ursachen, durch welche sie hervorgerufen wurden, beseitigt «erden. I» diesem Sinoe ermächtige ich Ew. Ercellenz aus Bssehl Sr, M-j. de« König«, h,m kaiserlichen Minister Ler au-wärtigenisiln-^legeyheste» zu erUäxeni^dastMMiigl.