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6 Akademie-Echo Medizinische Genetik und das Schocksyndrom Jahrestagung der Medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaft für Innere Medizin an der Medizinischen Akademie „Carl Gustav Carus" In Verbindung mit der Gesellschaft für Allgemeinmedizin des Bezirkes Dresden fand am 25. Mai im Festsaal der Medizini schen Klinik Weißer Hirsch des Bezirks krankenhauses Dresden-Neustadt die Jah restagung unserer Gesellschaft, nach mehrjährigem „Exil" wieder in der Bezirks stadt, statt. Die Leitthemen der Veranstaltung - ak tuelle Probleme der medizinischen Gene tik und das Schocksyndrom - markieren gleichnishaft Möglichkeiten und Grenzen der modernen Medizin, gesundes Leben zu fördern und zu bewahren. Werden im Beginn durch Vereinigung haploider Ga meten zur diploiden Zygote der geneti sche Bestand des Individuums bestimmt, ist der Schock immer ein lebensbedrohli cher Zustand und führt nicht selten zur le talen Komplikation. Vielleicht sind so die etwas heterogen erscheinenden Themen durch einen Gedanken zu verbinden. Die Vormittagssitzung moderierte mit profunder Sachkenntnis Doz. Dr. sc. med. G. K. Hinkel, Leiterder Abteilung Klinische Genetik der Medizini schen Akademie. Nachdem zahlreiche Er krankungen (Ernährungsstörungen, Infek tionskrankheiten) durch moderne Behand lungsmethoden und Maßnahmen der So zialmedizin beherrscht wurden und an epidemiologischer Bedeutung verloren haben, fordern neben Erkrankungen noch unklarer Ätiologie, chronisch entzündliche und degenerative Erkrankungen, Tumo ren u. a. genetisch bestimmte Leiden und Störungen zunehmend unsere Aufmerk samkeit. Dies um so mehr, da Erbkrankhei ten, abgesehen von symptomatisch mehr oder weniger gut behandelbaren (Muko viszidose, Zöliakie, Hämophilie u. a.), irre ¬ parable, schwerste Defekte bedingen kön nen und für den Betroffenen und seine Angehörigen erhebliche Probleme, Leid und Belastung verursachen. Über 70 Pro zent der Plätze unserer Pflegeeinrichtun gen werden durch geistig Behinderte be legt. Nach verstärkter Öffentlichkeitsarbeit, gestiegenem Bewußtsein der Bevölkerung und der Sorge um gesunde Kinder werden unsere genetischen Beratungsstellen mit den vielfältigsten Problemen konfrontiert. Aufgabe der Beratungsstellen ist es, nach sorgfältiger Klärung der genetischen Situation in der Familie, zu so bedeutungs vollen Fragen wie Ehe und Kind, Interrup tio, Insemination oder Adoption Stellung zu nehmen. Neben der sehr arbeits- und zeitaufwendigen Untersuchung der Fami lie stehen dem Genetiker modernste Me thoden der pränatalen Diagnostik zur Ver fügung. Eugenik, im Sinne der Verbesserung der Erbmasse der Bevölkerung, gehört nicht zu den Aufgaben einer humangeneti schen Beratungsstelle und entbehrt wis senschaftlicher Grundlagen. Eine vollstän dige Elimination pathologischer Gene ist durch ständige spontane Neumutation nicht möglich. Berufene Vertreter ihres Faches spra chen zu Problemen hereditärer Koagulo pathien, Nephropathien, metabolischer Störungen, Dermatosen und Neuropa thien. In der Nachmittagssitzung wurden in Form eines Rundtischgespräches unter Leitung von Doz. Dr. sc. med. R. Henßge von Vertretern der Schnellen Medizini schen Hilfe, Intensivmedizin, Anästhesie und Kardiologie diagnostische und thera peutische Probleme des kardiogenen, hy povolämischen, anaphylaktischen und septischen Schockes diskutiert. Beson dere Probleme bestehen unter den Bedin gungen der Schnellen Medizinischen Hilfe in der Prähospitalphase. Nach einer zusammenfassenden Darstellung wurde in 13,7 Prozent der Fälle der Schock nicht erkannt, und bei 21,4 Prozent erfolgte keine Therapie. Der. erstversorgende Arzt muß neben der oft schwierigen Bergung in der Lage sein/die vitale Störung zu er kennen und den Patienten in Abhängigkeit von der Grundkrankheit richtig zu lagern. Sauerstoffzufuhr, Schaffung eines stabilen Venenzuganges (Flexüle peripher, ambu lant keine Punktion zentraler Venen!) und Gabe von Analgetika gehören zu den er forderlichen Maßnahmen in der Prähospi talphase. Die Infusion von Kristalloiden oder Plasmaexpandern erfolgt entspre chend dem Hydratationszustand und dem Erfordernis der jeweiligen Schockform. In Anbetracht der hohen Letalität des kardio genen Schockes von über 95 Prozent ist beim Präinfarktsyndrom eine Protektion mit ausreichend hohen Dosen Nitrangin (4 bis 8 Tropfen alle 10 bis 15 Minuten) oder Corinfar erforderlich. Der systolische Blut druck sollte hierbei nicht unter 90 mm Hg abfallen. Auch hier Sauerstoff, Sedativa und Analgetika. Entgegen zentraler Emp fehlungen wurde die i. v.-Gabe von Anal gin befürwortet. Für die Therapie in der Hospitalphase ist die Warnung vor einer überschießenden Azidosekorrektur und zu hohen Dopamindosen • (Mittel 5 bis 20 mg/h) bedeutsam. Eine abschließende Darstellung zur phasengerechten Dia gnostik und Therapie der disseminierten intravasalen Gerinnung und Verbrauchs koagulopathie durch Oberarzt Dr. sc. med. G. Hempel rundete das Bild dieser ansprechenden, teilweise tempera mentvoll unter Einbeziehung des Audito riums ausgetragenen Diskussion. Der insgesamt positive Eindruck wird je doch durch die enttäuschend geringe Teil nehmerzahl getrübt. Eine Erscheinung, die auch bei anderen regionalen Fortbil dungsveranstaltungen zu beobachten ist. Sind es wirklich immer berufliche Überla stung, andere Termine, familiäre Ver pflichtungen etc. oder spielen vielleicht Gleichgültigkeit, Ignoranz und Bequem lichkeit auch eine Rolle? Probleme, die ei ner Diskussion wert sind. An die Fortbil dungspflicht, als eine unserer Berufs pflichten, sei erinnert. Die Möglichkeit zur Weiterbildung wurde hier, in höchster Qualität geboten, von vielen nicht genutzt. Dr. med. F. Koban Im vorigen Monat besuchte Dr. med. Alfred Weber, Direktor für Gesundheitsin formation im Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorgnaisation (WHO), Ko penhagen, das Institut für medizinische In formationsverarbeitung und die Neurolo gisch-Psychiatrische Klinik der Medizini schen Akademie „Carl Gustav Carus" Dresden. Der Gast wurde von Mitarbei tern des Ministeriums für Gesundheitswe sen der DDR und des WHO-Büros Dres den begleitet. Besonderes Interesse zeigte Dr. med. Weber für die Anwendung der automati sierten Informationsverarbeitung in den klinischen Bereichen. Durch Publikatio nen in medizinischen Fachzeitschriften war er in den letzten Jahren auf unsere Ar beiten aufmerksam geworden. Er be suchte deshalb die Neurologische Abtei lung der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik als einen der auf diesem Gebiet fort geschrittenen Anwender im Gesundheits wesen der DDR. Die Gäste wurden vom Direktor der Kli nik, OMR Prof. Dr. sc. med. Lange, herz lich begrüßt. Oberarzt Dr. med. Sauer mann demonstrierte den Einsatz von dialogorientierten Komponenten eines Kli nikinformationssystems Neurologie/Psychiatrie am Arbeitsplatz des Arztes. Mit Hilfe der auf den Stationen dieser Klinik installierten Bildschirmtech nik im Direktanschluß zum Rechnersy stem SM 4 können bereits jetzt einige Komponenten der im Rahmen des For schungsprojektes „EDV im Krankenhaus" zu lösenden Forschungsaufgaben routine mäßig genutzt werden. Unter anderen Dr. Alfred Weber informierte sich in der Neurologischen Abteilung der Neurologisch- Psychiatrischen Klinik über die Anwendung der automatisierten Informationsverar beitung. reich der Funktionsabteilungen der Klinik praktisch vorgeführt werden. In der Dis kussion wurden beiderseits erzielte Erfah rungen bei der Krankenblattführung aus getauscht. Einen in der Zukunft wahr scheinlich eintretenden Übergang zu rechnergestützten, d. h. ausschließlich im Computer gespeicherten, Krankenblät tern halten beide Seiten auf der Grundlage neuer Rechentechnik für unumgäng lich. Als einen wesentlichen Schritt dazu wurde die Tatsache gewertet, daß bereits jetzt alle Ärzte der Neurologisch-Psychia trischen Klinik die für die automatisierte Erstellung der Epikrise erforderlichen Da ten selbst über dieauf den Stationen instal lierten Bildschirmterminals in den Compu ter eingeben. Das von der WHO wesentlich zu beein flussende Problem der diagnostischen Zu ordnung bestimmter Krankheitszustände nach der internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten, Verletzun gen und Todesursachen (IKK, 9. Revision) bot ebenfalls sehr viel Gesprächsstoff. Direktor der WHO als Gast an der MAD mit besonderem Interesse für den Einsatz der EDV im Krankenhaus sind dafür die Verarbeitung von umfang reichen krankheitsrelevanten Daten für ausgewählte, forschungsmäßig bisher nicht vollständig untersuchte Krankheits gruppen zu nennen. Methoden und Ver fahren der automatisierten Informations verarbeitung (u. a. Datenbankbetriebssy stem, Recherche- und Auswertesystem) werden zum unmittelbaren Hilfsmittel der Unterstützung der medizinischen For schung und Betreuung. Den Gästen konn ten auch erste Anwendungen aus dem Be Der Besuch verlief in einer guten Atmo sphäre. Der Gast äußerte sich sehr aner kennend über unsere Arbeiten, besonders erwähnte er die beispielgebende Zusam menarbeit von Vertretern unterschiedli cher Fachrichtungen (Kliniker, Naturwis senschaftler, Techniker) in dem interdiszi plinär zusammengesetzten Forschungs kollektiv der Neurologisch-Psychiatri schen Klinik und des Instituts für medizini sche Informationsverarbeitung der MAD. OA Dr. med. Sauermann Dipl.-Ing. Lochmann