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6 Academia Medicinae Dresdensis Die Nachrichten über die weitere „Nut zung" faschistischer Konzentrationslager durch sowjetische und später auch deut sche Dienststellen in den jähren nach 1945 haben uns alle zutiefst erschüttert. Diese unfaßbare Tatsache an sich ist durch ihr Totschweigen bis heute nur noch verschlimmert worden. Im Frühjahr 1971 wurde durch unser Institut im Auftrage des Bezirksstaatsan waltes Cottbus und unter Leitung des Mi nisteriums für Staatssicherheit ein Mas sengrab aus der Zeit der Konzentrations lager-Außenstelle Lieberose/Jamlitz ge borgen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie wir uns ehrlichen Herzens geschämt haben, als ein hoher Offizier des nahegelegenen sowjetischen Trup penübungsplatzes vor uns ausspuckte, weil wir eben auch Deutsche und damit für ihn Schuldige waren. Nun wird in einem Artikel dieser Zei tung vom 7. Mai die Annahme geäußert, es habe sich dabei wohl eher um die sterblichen Reste von den nach dem zweiten Weltkrieg dort Internierten ge- Lieberose - ein Internierungs lager des Faschismus? handelt - mit anderen Worten, es liege hier wahrscheinlich eine Fehlbegutach tung unsererseits vor. Wie der Kliniker die anamnestischen Angaben seiner Patienten für die Diagno senstellung benötigt, so setzt die ge richtsmedizinische Tätigkeit kriminalisti sche Ermittlungsarbeit voraus, wobei gleichfalls der Vertrauensgrundsatz gel ten muß. Uns war damals folgendes mit geteilt worden: Das Arbeitslager Liebe rose wurde Anfang Februar 1945 wegen der näherrückenden Front geträumt, wo bei die Häftlinge einen Fußmarsch in das Stammlager Sachsenhausen antreten mußten. Die über 1 000 nicht marschfähi gen Personen wurden vor Ort „liqui diert", ein Teil von ihnen liegt in dem von uns zu exhumierenden Massengrab. Es handelt sich um eine ehemalige Sand grube, in die laut Zeugenäussagen wäh rend einer Straßensperrung vom 2. bis 4. Februar 1945 insgesamt 3 Lastkraftwagen entladen wurden. Wie aus dem angesprochenen Artikel des „Akademie-Echo" vom November 1971 hervorgeht, konnten von uns in ei nem sehr hohen Prozentsatz (über 90 Pro zent Schußverletzungen des Skeletts, ins besondere Schädel- und Halswirbelsäu lenschüsse - meist von hinten im Sinne sogenannter Genickschüsse), festgestellt werden. Ein kleiner Teil dieses Mate rials wurde von unserem Institut aufbe wahrt. Da es keinerlei Hinweise auf mas senhafte Erschießungen in den Internie rungslagern nach 1945 gibt, muß unver ändert von der Richtigkeit der damaligen Ermittlungsdaten zum Massengrab Liebe rose ausgegangen werden. Zusätzliche Indizien für die Korrektheit obiger Her gangsschilderung können in dem gegen über der mitteleuropäischen Verteilung häufigeren Auftreten der Blutgruppe B (es soll sich um eine südosteuropäische Po pulation handeln) und in den zahlreichen Befunden pathologischer Knochenverän derungen (als Hinweis auf die Marschun fähigkeit der Betroffenen) gesehen wer den. Das Institut für Gerichtliche Medizin ist jederzeit gern zu weiteren Auskünften bereit. Wir würden jedoch ein persönli ches Gespräch zwischen Kollegen dem indirekten Weg über die Betriebszeitung unbedingt vorziehen. Doz. Dr. Jürgen Eulitz In Ergänzung unsers Artikels „Akade mischer Beirat gegründet" vom 23. April geben wir heute die vollständige Liste al ler Mitglieder bekannt. In dem Beirat ha ben sich Kollegen zusammengefunden, die unter Verzicht auf mögliche persönli che oder berufliche Vorteile nie der SED angehört haben. Dieses Gremium soll seine Funktion nur bis zur demokrati schen Neuwahl des Wissenschaftlichen Rates wahrnehman. In der letzten Sitzung am 3. Mai wurde nochmals nachdrücklich von allen Ver tretern gefordert, daß in allen Kliniken und Institutionen die Vertrauensfrage an die Leiter der Einrichtungen gestellt wer den soll. Des weiteren erfolgten kurze Berichte zum Stand der Vorarbeiten für die neue Hochschulverfassung (Prof. Notwendige Ergänzung zum Artikel „Akademischer Beirat gegründet" Wunderlich)-und zur Bildung der Landes ärztekammer Sachsen (Doz. Schulze). Die Mitglieder des Akademischen Bei rates beantragen bis zur Klärung des Sachverhaltes die Aussetzung der Hono rardozentur für Neurologie und Psychia trie von Herrn Dr. Poppe, gegen den schwerwiegende Vorwürfe im Zusam menhang mit seiner Tätigkeit im Haft krankenhaus Waldheim erhoben worden sind. Zusammensetzung des Akademischen Beirates: Doz. Baerthold, Dr. Bentin, Doz. Blaschke, Prof. Böhme, OA Broeker, Doz. Burger, Prof. Crasselt, Doz. Diettrich, Prof. Dökert, Doz. Dürrschmidt, Doz. Ek- kelt, OA Dr. sc. Felber, Doz. Fötzsch, Doz. Franz, OA Dr. sc. Geißler, Doz. Güttler, Doz. Heidelbach, Doz. Henßge, Doz. Herrmann, OA Hetzer, Doz. Hinkel, Oberass. Hoffmann, OA Dr. sc. Horn, OA Irmisch, Doz. Julius, OA Koban, Dr. Koch, OA König, Dr. sc. techn. Krinke, Doz. Kunath, Prof. Kunze, Doz. Lange, Doz. Leonhardt, Doz. Leupold, Dr. Mier- del, Doz. Müller, OA Päßler, Doz. Pin kert, Herr Reichel, Prof. Richter, Prof. Rose, OA Dr. sc. Rupprecht, OA Dr. sc. Sauermann, Prof. Schröder, Prof. Schu bert, Doz. Scholz, Doz. Schulze, OA Dr. sc. Schulze, Doz. Schwarze, Doz. Seba stian, Doz. Siegismund, Doz. Sinz, OA Straßberger, Doz. Tellkamp, OA Thulin, Doz. Todt, OA Tölle, OA Trinckauf, OA Wichmann, OA Wolf, Oberass. Woller, Prof. Wunderlich Der Personalrat der Medizinischen Akademie Dresden hat am 3. Mai be schlossen, daß in allen Struktureinheiten die Vertrauensfrage für den Leiter und die Leiter der nächst niedrigen Ebene möglichst bis Ende Mai 1990 gestellt wer den soll. Offensichtlich hat dieser Beschluß Un ruhe und Befürchtungen (?) ausgelöst. Ich möchte mich deshalb als Vorsitzender des Personalrates der Medizinischen Akademie Dresden zu dieser Problematik äußern, in der Hoffnung, vielleicht etwas zur Klärung beizutragen. Was bewegt die Mitarbeiter, sich für einen solchen Beschluß einzusetzen? Of fensichtlich ist Mißtrauen vorhanden. Ei nige (oder viele) Mitarbeiter bezweifeln, daß ihre Leiter den Willen oder die Fähig keit besitzen, die Aufgaben der Zukunft im Interesse aller, also auch der Mitarbei ter zu lösen. Die Ursache dieses Mißtrau- Haben wir Vertrauen zu unseren Leitern? ens ist sicher vielfältig und soll hier nicht näher untersucht werden. Die Vertrauensfrage ist nicht als Ent scheidung gedacht, ob der Leiter abge löst werden soll oder nicht. Dazu ist diese Art des Votums nicht geeignet (wenn auch manche dies vermutlich gerne se hen möchten) und der Personenkreis auch nicht in jedem Falle kompetent, Stattdessen sollte es das Anliegen der Vertrauensfrage sein, einen Klärungspro zeß einzuleiten mit dem Ziel, gegenseiti ges Vertrauen herzustellen. Dazu gehört nach meiner Auffassung, daß die beteilig ten Partner etwas voneinander wissen und positive Erfahrungen miteinander machen. Etwas voneinander wissen heißt, daß der Leiter die Sorgen und Bedürfnisse aber auch Wünsche seiner Mitarbeiter kennt und daß die Mitarbeiter z. B. erfah ren, welche Probleme den Leiter in der Vergangenheit belastet haben, wie er die zukünftigen Aufgaben gemeinsam mit seinen Mitarbeitern meistern möchte. Auf dieser Basis können gemeinsame Er fahrungen gemacht werden. Sind diese positiv, kann Vertrauen entstehen. Erst wenn sich herausstellt, daß es keine gemeinsame Basis für eine vertrau ensvolle Zusammenarbeit zwischen Lei ter und Mitarbeitern gibt, erst dann sollte die Betriebsleitung überdenken, ob es nicht besser ist, einen anderen Leiter zu benennen. Ich vermute allerdings, daß dies die Ausnahme sein wird. Wie könnte das Stellen der Vertrauens frage strukturiert werden? Personalrat, Leiter und Gewerkschaft der Struktureinheit setzen gemeinsam eine Mitarbeiterversammlung an, in der der Leiter zu Fragen, kritischen Meinun gen aber auch zu seiner Person Stellung nehmen kann. (Ich fände es demokra tisch, wenn er die Anfragen vorher z. B. über den Personalrat übergeben bekäme, damit er sich darauf vorbereiten kann.) Der Personalrat nutzt die Gelegenheit, um auf das Anliegen der Vertrauensfrage hinzuweisen und Rachegedanken entge genzutreten. Erst nach der gründlichen Aussprache wird die Vertrauensfrage ge stellt. Sie sollte in jedem Falle geheim beant wortet werden. Kurt Kaiser Es ist nur ein Gerücht, daß beson ders wiederspenstige Patienten ins Behandlungshaus der Stomatologen künftig mit dem Hubschrauber ge bracht werden. Im Zusammenhang mit dem Auf bau eines Flugrettungsdienstes im künftigen Land Sachsen wurden An flugmöglichkeiten der Krankenhäu ser Dresdens überprüft. Der Ausbau eines Platzes auf dem entstehenden OP-Trakt soll die künftige Landemöglichkeit eines sol chen Rettungsgerätes bei Anfliegen der MAD sein. Foto: Leipner Aufgelöst Das Zentrale Hochschulkomitee des DRK an der Medizinischen Akademie Dresden hat seinen Sitz nicht mehr an un serer Hochschule. Kameradin Christa Früh ist im DRK-Bezirkskomitee Goethe- allee 22, Dresden, 8053, Telefon: 3 43 61 zu erreichen.