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Academia Medicinae Dresdensis Verführt - betrogen - verheizt In Mittelböhmen fand der zweite Weltkrieg in Europa sein Ende Diese Ausgabe unserer Hochschulzei tung wird am 8. Mai ausgeliefert. Genau an dem Tag, an dem vor 45 Jahren Hitler deutschland kapitulierte. Die Befehlsha ber der faschistischen deutschen Wehr macht - Keitel, Friedeburg und Stumpff - unterzeichneten in Berlin-Karlshorst in Anwesenheit der Vertreter der Alliierten der Antihitlerkoalition Shukow und Ted der sowie de Lattre Tassigny und Spaatz die Urkunde über die bedingungslose Ka pitulation. Damit war formell das Ende des 1939 begonnenen Aggressionskrie ges gegen nahezu alle Völker Europas be siegelt. Fast 6 Jahre' insgesamt 2 077 Tage, tobte das Morden, 54,8 Millionen Menschen bezahlten ihn mit ihrem Le ben, dem einzigen, das sie hatten. 35 Mil lionen Versehrte und 20 Millionen Ver waiste gehörten zumindest zu den Über lebenden. Die materiellen Verluste und die moralische Hoffnungslosigkeit der Menschen waren unübersehbar. Ich gehöre zu jenem Jahrgang, der 1933 in die Schule kam. „Der Führer" hatte die Macht ergriffen. Auf meiner schwarz-weiß-roten Zuckertüte klebte sein ovales Hochglanzfoto, die Hand zum deutschen Gruß erhoben. Ich konnte nicht wissen, was kam. Erst brannten Bü cher, dann Synagogen, dann verbrann ten Städte und Menschen. Mit 16 Jahren wurden wir Luftwaffenhelfer. Vormittags Unterricht in der Oberrealschule Dres den-Neustadt, nachmittags und nachts Ausbildung und Dienst am Flakgeschütz, zunächst auf dem Heller, dann auf dem Dach des Hygienemuseums und später am Gaswerk Reick. Mit 17 1/2 Jahren Uniformwechsel. Auf dem Koppelschloß stand noch immer „Gott mit uns”. Für Führer, Volk und Vaterland fuhren wir an die Front, um zu töten oder getötet zu werden. Am 30. April 1945 überquerte ich in Mährisch-Ostrau als Meldegänger die Oder. Von der eigenen Truppe ver sprengt, schloß ich mich den endlos lan gen Kolonnen der in Auflösung befindli chen Truppenteile an. Auf einem Berg hang wagte ich den Sprung auf das Trittbrett eines fahrenden Lkws, klam merte mich eine Nacht lang an den Rück spiegel und den Türgriff und erreichte so am nächsten Morgen Tabor. Alle Versu che, hinter die Front der amerikanischen 3. Armee zu gelangen, waren vergeblich. Um dies zu verhindern, griffen amerika nische Jagdbomber den Ort Milin an und zerstörten die nach Westen und Südwe sten führenden Straßen. So stauten sich in diesem Raum Wehrmachts-, SS- und Polizeiverbände. Die Amerikaner weiger ten sich, diese Truppenteile aufzuneh men. In diesem Machtbereich zwischen der amerikanischen Front und der heran rückenden Sowjetarmee war der Teufel los. Noch immer wußten wir nichts von der inzwischen erfolgten Kapitulation. Generalfeldmarschall Schörner ließ Flug blätter abwerfen: „Soldaten der Ostfront, haltet aus!" Um dem Spuk ein Ende zu be reiten, griffen Partisanengruppen und die 2. Gardebrigade des Generals Sviridov in den Kampf ein. Am 11. Mai 1945 gegen 3 Uhr früh ging das letzte Gefecht des zweiten Weltkrieges auf europäischem Boden zu Ende. Verführt - betrogen - verheizt, so be gann der lange Marsch in die Gefangen schaft. Er sollte 31 lange Monate dauern. Im sibirischen Steinbruch brachen wir Granit. 3 1/2 Kubikmeter pro Tag und Mann. Wiedergutmachung - mit 19 Jahren? Im Oktober 1946 kam die erste Rotkreuz antwortkarte meiner Eltern, die in Dres den ausgebombt waren. Erst viel später erfuhren wir von den Ereignissen der Nacht vom 15. zum 16. Oktober 1946. In Nürnberg wurden in dieser Nacht die 10 Hauptverantwortlichen für das um fassendste und grausamste Verbrechen der Menschheitsgeschichte von amerika nischen Militärpolizisten in ein niedriges Gebäude am Ende des Gefängnishofes neben dem Nürnberger Justizgebäude geführt. Die ehemalige Turnhalle wurde für diese Nacht zur Richtstätte. Drei schwarz umkleidete Gestelle waren auf gebaut. An jedem führten 13 Stufen hin auf zu einer kleinen Falltür, über der sich ein Balkengerüst erhob. Abwechselnd an zwei der Galgen - der dritte wurde nicht benutzt - waltet der Henker, Master-Ser geant John C. Wood, seines Amtes. Von Fenstern und Dächern benachbarter Ge bäude verfolgen Reporter mit ihren Blik- ken die letzten Schritte der Verurteilten. Dem Korrespondenten einer westlichen Nachrichtenagentur, der unbedingt als erster die Welt über die Vollstreckung des Nürnberger Urteils informieren will, unterläuft dabei ein Lapsus, der in die Pressegeschichte eingeht: Voreilig ka belte er an seine Zentrale: „Als erster wurde Göring zum Galgen geführt ..." Er wußte nicht, daß der einstige „Reichs marschall" 3 Stunden vor der Hinrich tung eine Giftampulle zerbissen hatte. So bekommt kurz nach 1 Uhr der „Reichsau ßenminister" von Ribbentrop als erster die schwarze Kappe übergestreift. Die Fallklappe schlägt mit dumpfen Poltern nach unten. Noch neun mal ist in den nächsten 80 Minuten das Geräusch zu hören - Keitel, Kaltenbrunner, Rosen berg, Frick, Frank, Streicher, Sauckel, Jodl und Seiß-Inquardt sterben am Gal gen. Sie wurden verurteilt und gerichtet in einer Stadt, in der sie mit faszinieren dem Pomp ihre „Reichsparteitage" feier ten. Wie die römischen Caesaren wollten sie die Welt beherrschen. In schranken loser Selbstüberschätzung, überzeugt da von, die ganze Welt für die Ewigkeit zu unterjochen und neu zu ordnen, erstickte der Traum vom tausendjährigen Reich in Blut und Asche. Harry Eckert AQir gratnlieren qanz herzlich Kolloquium zu Ehren des 60. Geburtstages von Prof. D. Scheuch Nicht Anlaß zur Rückschau, sondern Blick auf neue, kommende Aufgaben war der Grundtenor der Teilnehmer zum Kol loquium Pathologische und klinische Bio chemie aus Anlaß des 60. Geburtstages von Herrn OMR Prof. Dr. med. Dieter W. Scheuch. Die herzlichsten Glückwünsche des Vorstandes und der Gesellschaft über brachte der Vorsitzende der Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriums diagnostik -der Nachfolger des Geburts tagskindes in dieser Funktion - Herr Prof. Dr. W. Dummler (Rostock). Er über reichte eine kleine Spende der Gesell schaft, die dem Wunsch des Jubilars ent sprechend, zum Wiederaufbau des Dresdner Schlosses beitragen soll. Professor Scheuch hat sich zeit seines beruflichen Lebens für die Biochemie ein gesetzt. Als Chefredakteur der Wissen schaftlichen Zeitschrift und mit einer grö ßeren Anzahl von Publikationen und Vorträgen war er immer ein geachteter Streiter für sein Fachgebiet. Das möge sich in den nächsten Jahren fortsetzen, das erwarten seine Freunde und Kollegen von ihm. Der Vorsitzende der Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsdia gnostik, Herr Prof. Dummler (rechts), gratuliert dem Jubilar und wünscht wei terhin viel Schaffenskraft. Foto: Bachmann oqa Im Gymnastikraum der Medizinischen Fachschule (Keller) finden montags von 16.30 bis 17.30 Uhr Yoga-Übungsstunden statt. Daran Interessierte sind noch herzlich willkommen. Die Unkosten betragen bei 8 Stunden pro Person 5 Mark. Meldungen sind zu richten an Ingrid Joschko, Stomatologi sche Klinik, Tel. 27 16 oder 34 26 (Mon tag, Donnerstag und Freitagvormittag). „DIE STÜTZE" Journal des Behinderten verbandes der DDR Vom 12. bis 14. April fand im FEZ (Berliner Pionierpalast) der Grün dungskongreß des republikweiten Be hindertenverbandes der DDR statt. Dieser Verband gibt seit geraumer Zeit das Journal „Die Stütze" heraus, das-ab Heft 6. im Verlag Gesundheit GmbH ediert wird. Damit ist eine Pu blikation vorhanden, die der Informa tion und dem Erfahrungsaustausch der Betroffenen sowie der Förderung des Verbandslebens dient. „Die Stütze" wendet sich als popu lärwissenschaftliche Zeitschrift an Be hinderte aller Schädigungsarten - seien diese physisch oder psychisch, angeboren, durch Krankheit oder Un fall existent -, aber auch an deren An gehörige, Betreuer, Helfer und viele Freunde. Die Redaktion, die ihren Sitz irr der Kowalkestraße 60, Berlin, 1136, hat, will sich engagiert, kritisch und offen für die Integration Behinderter in eine gesunde Gesellschaft einset zen, wird energisch die Interessen Geschädigter vertreten und einen um fangreichen Informationsdienst bie ten, Positionen von Arbeitsgruppen vorstellen sowie sozial- und gesund heitsorientierte Probleme mit den Le sern erörtern. Die 24seitige Ausgabe kostet 1 Mark und ist direkt beim Ver lag zu bestellen. Anschrift: Verlag Ge sundheit GmbH, Neue Grünstraße 18, Berlin, 1020. Klaus R. Dichtl