Volltext Seite (XML)
Akademia Medicinae Dresdensis Reiner Kwnze las in Dresden Vor allem im Zusammenhang mit der Biermann-Ausweisung (1976) mußten viele Schriftsteller und Künstler unser Land verlassen. Einer von ihnen, 56jährige Reiner Kunze, konnte jetzt nach einer Pause von mehr als 13 Jahren wie der in Dresden auftreten. Am Sonntag abend (4. Februar) las er im größten Hör- 'Saal der Technischen Universität aus seinen Werken. Dabei beschränkte er sich auf kurze Prosastücke und wenige Gedichte, die vor 1976 entstanden wa ren. Dem Bergmannssohn aus dem Erzge birge wurde es in der DDR schon früh sehr schwer gemacht. 1968 erschien ein .Poesiealbum" mit seinen Gedichten und 1973 ein schmaler Reclam-Band .Brief mit blauem Siegel". Erst in die dritte Auf lage (1974) der von Uwe Berger und Günther Deicke herausgegebenen Antho logie „Lyrik der DDR" wurde er mit vier Gedichten aufgenommen, von der 5. Auf ¬ lage an fehlte er wieder. Schon 1972 aber hatte das Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller (2. Auflage) seine frühen der Gedichte sowie seine Übersetzungen und Nachdichtungen aus dem Tschechischen gerühmt, zugleich aber seine spätere Pro duktion diffamiert. „Problematischer wurde Kunzes Entwicklung in der Folge zeit, in der er sich von der gesellschaftli chen Wirklichkeit entfernte, was zu sub stantiellen Verlusten und künstlerischen Einbußen führte." Diese unhaltbare Ein schätzung resultierte aus einem stalinisti schen Literatur-Begriff und einer sehr en gen Auffassung von einem „sozialisti schen" Realismus. Sie führte aber dazu, daß seine meisten Bücher schon vor 1976 nur in der BRD erscheinen konnten und er jahrelanger Observation durch die Staatssicherheit ausgesetzt war. Man spürte aus seinen Worten aber auch, wie sehr er sich trotzdem noch mit diesem Lande verbunden fühlt. In den jetzigen Lesungen u. a. aus dem Band „Die wunderbaren Jahre" (Frankfurt am Main 1976) wurde deutlich, wie klar der Dichter damals schon die Stagnation in unserem Lande erfaßt hatte und mit wie wenigen Worten er diese Situation sehr präzise beschreiben konnte. Zum Er folg des Abends trugen auch seine klare Diktion und die brilliante Vortragstechnik bei. Das vorwiegend jugendliche Publi kum ging begeistert mit und sparte nicht mit Beifall für die hervorragende Lei stung. Auch der Dichter und Schriftsteller Rei ner Kunze muß offiziell rehabilitiert wer den. Seine Werke sollten umgehend bei uns gedruckt und einem größeren Publi kum zugängig gemacht werden. Es kann nur ein Anfang sein, daß der Schriftstel lerverband des Bezirkes Gera den 1976 verkündeten Ausschluß jetzt rückgängig gemacht hat. Peter Wunderlich Für ein neues Vorlesungsverzeichnis Schon seit dem frühen 19. Jahrhundert gehören ein- oder zweimal jährlich ge druckte Verzeichnisse der Professoren und Dozenten sowie der von ihnen gehal tenen Vorlesungen zu jeder Universität oder Hochschule. Auch an unserer Medizinischen Akade mie gab es zunächst solche Verzeich nisse, bis sie aus völlig falsch verstande ner Sicherheits- und Geheimhaltungspoli tik untersagt wurden, mit der Begrün dung, daß sie dem „Klassenfeind" seine Agitations- und Sabotagetätigkeit erleich tern würden. In Wirklichkeit haben wir uns durch dieses unsinnige Verbot nur selbst un sere Arbeit erschwert. Denn diese Ver zeichnisse dienten und dienen der Infor mation aller Mitarbeiter und der Studen ten, sie sind ein wichtiges Nachschlage- und Arbeitsmittel. Für die ersten drei Stu ¬ dienjahre an der Carus-Akademie (1954/55, 1955/56 und 1956/57) erschien jeweils nur ein kurzes Personal- und Vor lesungsverzeichnis, vom Herbstsemester 1957 an wurde zu jedem Semester ein solches Verzeichnis herausgegeben. Seit dem Herbstsemester 1961 nahm der Um fang der Personal- und Vorlesungsver zeichnisse zu, indem sie durch längere und reich bebilderte Aufsätze von H. E. Kleine-Natrop (der seit 1959 im Auftrag von Rektor und Senat die Herausgabe be sorgte) zur Geschichte und Vorge schichte der Carus-Akademie und später auch durch Beiträge anderer Autoren zu historischen und aktuellen Themen er weitert wurden. Nach dem 27. Personal- und Vorlesungsverzeichnis (Frühjahr 1969) erschienen noch drei „Hochschul führer" (für die Studienjahre 1969/70, 1970/71 und 1971/72) sowie zwei - aus ¬ schließlich für den Dienstgebrauch be stimmte - Personalverzeichnisse (1973 bis 1978). (Vergleich die Bibliographie von H. E. Kleine-Natrop und Peter Wun derlich: Die Schriften der Medizinischen Akademie „Carl Gustav Carus" Dresden, Dresden 1979). Nun scheint es mit an der Zeit zu sein, eine schöne alte Tradition wiederzubele ben und wenn möglich vom Herbstseme ster 1990 an - erneut solche Verzeich nisse herauszugeben. Nicht nur alle Angehörigen unserer Hochschule, son dern ebenso alle Gäste, die zu uns kom men, würden einen solchen Service sehr begrüßen. Er könnte so auch mithelfen, das in- und ausländische Ansehen der Carus- Akademie zu erhöhen. Peter Wunderlich Die Kinder sind ... Fortsetzung von Seite 3 • allgemein sollte durch Gehaltsanhe bungen erreicht werden, daß ein Verdie ner den Unterhalt der Familie erarbeiten kann und sein Partner zur Betreuung des Kindes oder der Kinder zu Hause bleiben kann und nicht auch arbeiten gehen muß. • aus einer partiell kinder-unfreundli chen oder sogar kinderfeindlichen Ge sellschaft muß eine in jeder Hinsicht kin derfreundliche Umwelt werden Um diese und weitere wichtige Fragen zu beantworten, halten wir die Schaffung einer eigenen Arbeitsgruppe „Betreuung von Kindern und Jugendlichen" im Mini sterium für erforderlich. Im Namen der über 300 Mitarbeiter der Klinik für Kinderheilkunde der Medi zinischen Akademie „Carl Gustav Carus" Dresden OMR Prof. Dr. med. Gmyrek, Beratender Arzt des Ministers Prof. Dr. med. Wunderlich Im Schauspielhaus unterm Dach fand die jüngste Premiere des Staatsschauspiels statt Die Premiere war am 13. Januar 1990. Im Mittelpunkt stand ein Schwein. Das kann nicht sein, im Mittelpunkt steht be kanntlich der Mensch. Also doch das Schwein - am Ende das arme Schwein? Also doch der Mensch. „Strategie eines Schweins" heißt das Stück und es zielt natürlich auf Menschliches, würden wir es sonst spielen? Geschrieben hat es der Franzose Raymond Cousse für eine bril lanten Schauspieler - es ist ein Einperso nenstück. Am Staatsschauspiel hat Justus Fritzsche in der Rolle des Schweins Gelegenheit, alle Register zu ziehen und sich und die Zuschauer zu Schweißausbrüchen zu treiben. Manchmal kann man nicht mehr vor Lachen, manchmal kann man nicht mehr lachen, da bleibt einem das Lachen in der Kehle stecken. In Szene gesetzt wurde das Ganze von Michael Funke, der sich auch den Spiel raum ausgedacht hat. Eingekleidet wurde Justus Fritzsche von Jacqueline Peevski, Dramaturgie Beate Seidel. NEVA NEU (sey I • ‘9! fei WNN " V ,n Jhrer Sewerksdnaftsbibl iothex Eine Lebensgeschichte ganz beson derer Art ist die des Magisters Lauk- hard (1757-^1822). Nach Universitäts besuchen in Gießen und Göttingen, fiel es ihm in der Heimat sehr schwer, eine Anstellung als Pfarrvikar zu fin den. Sein Leichtsinn und seine Lieder lichkeit verführten ihn oft zu Abenteu ern und Streichen, die durchaus nicht nur Sympathisanten fanden. Nach sei nem Scheitern im bürgerlichen Leben ließ Laukhard sich von dem preußi schen Regiment von Thadden anwer ben und zog in den Krieg gegen Frankreich. Friedrich Christian Lauk- hards „Leben und Schicksale" verbin den persönliches Schicksal mit politi schen und kulturellen Ereignissen Ende des 18. Jahrhunderts. Sie umfas sen sechs Bände, von denen hier eine Zusammenfassung der ersten vier Bände vorliegt. Gleich nach seiner Berufung an die Universität Jena schrieb der damals 26jährige Professor Friedrich Wilhelm Joseph Schelling seinen philosophi schen Dialog „Bruno oder Über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge". Schelling wurde von Goethe gefördert, fühlte sich mit Fichte und Hegel in einem Geiste verbunden und empfand Zuneigung zu Plato und Spi noza. Der leicht faßbare und lebens bejahende Text des „Bruno" ist eine interessante Lektüre, die nichts an Ak tualität verloren hat. Am Rande des Polarmeeres leben die Tschuktschen in tiefer Verwurze lung in ihren Legenden und Mythen. Rytcheu erzählt vom Polarjäger Goi- goi, der auf einer Eisscholle aufs of fene Meer getrieben wird, wo ihn Kälte, Hunger und Verzweiflung zu tö ten drohen. Nur die Liebe zu seiner Frau Tin-Tin gibt ihm die Kraft zu überleben. Doch als er völlig entkräf tet wieder ans Festland kommt, sieht er mit Entsetzen, daß ihm ein Fell ge wachsen ist. Er ist zum Teryky gewor den, das nach dem Brauch der Vor fahren getötet werden muß. Doch Tin-Tin will sich mit diesem Urteil nicht abfinden. „Teryky" heißt diese Geschichte, die von Juri Rytcheu, dem ersten Schriftsteller der Tschuk tschen, aufgeschrieben wurde. Das jüdische Kalenderjahr enthält eine Anzahl von ernsten und freudi gen Festtagen. „Die Wunder von Cha nukka" versammeln 31 Erzählungen jüdischer Autoren, die die Bedeutung dieser Festtage in der jüdischen All tagkultur verdeutlichen, materielle Not und Isoliertheit, Kampf um Zu sammenhalt und Traditionspflege, Le ben innerhalb und außerhalb der Fa milienverbände und die Bedrohung durch Pogrome sind stets wieder keh rende Themen. Die Sympathien des jugendlichen Rainer Maria Rilke gelten vor allem den Außenseitern der Gesellschaft. Die im „König Bohusch“ zusammen gefaßten Erzählungen aus Prag zeu gen von der tiefen Liebe Rilkes zu sei ner Geburtsstadt. Einfühlsam schildert er die Leiden junger Menschen in ei nem grausamen Erziehungssystem und die sozialen wie nationalen Ge gensätze deutscher und tschechi scher Bewohner der Stadt.