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Spiess in der Erziehungsanstalt seines Vaters, die nach dem Muster der Philantropine eingerichtet war, und eine solche Anstalt konnte ohne tägliche Leibesübungen und Spiele gar nicht gedacht werden. So war Spiess von früh an Turner und als er später von dem Jahn’schen Turnen hörte uud es kennen lernte, da nahm er die ihm neuen Übungen bald in sein Können auf, und die prächtigen Erziehungsansichten, die Jahn’s „Deutsche Turnkunst“ von 1816 aussprach, ergriffen sein ganzes Wesen. War Spiess so mit Leib und Seele Turner, so ist schon hieraus klar, dass er in späterer Zeit ein „forniverliebter“ Turnlehrer gar nicht sein konnte, wie Massmann ihm, bloss der „Turnlehre“ wegen, vorgeworfeu hat. War Spiess anfänglich ein des Übungs-Reichtums sich erfreuender Turner, so wollte er, was er später in Burgdorf lehren musste, auch begreifen, und so entstand sein umfangreiches theoretisches Werk, die sog. „Turnlehre“. Hat man die Arbeit so missverstanden, dass man die Darstellung der „Freiübungen“ vom J. 1840 unmittelbar dem wirklichen Turnunterrichte zu Grunde legen wollte, und machte man ähnliche Fehl schlüsse und Missgriffe in Betreff der anderen Teile der „Turnlehre“, so war Spiess daran unschuldig. Das Buch hat an mehr als einer Stelle seinen Zweck angegeben, über die Entstehungs-Bedingungen und die Zu sammensetzungs-Möglichkeit der Hebungen Aufklärung und Belehrung geben zu wollen; eine weitere Arbeit bliebe noch übrig, die nämlich, für die verschiedenen „Geschlechter und Altersstufen“ Leitfäden für den Unterricht selbst zu entwerfen. Aber auch des reichen Inhaltes des Schulturnbuches meines Freundes wegen will man eine Art Makel auf den wirklichen Turnunterricht Spiess’ens werfen, als habe er, der wackere Gerätturner, den Knaben und Mädchen das Turnen an den Geräten fast gänzlich entzogen. Lassen Sie mich, der ich von Ostern 1845 ab zwei Jahre lang Amtsgenosse Spiess’ens in Basel war und der ich allen Turn stunden Spiess’ens anwohnte, so weit es meine unterrichtsfreie Zeit er laubte, lassen Sie mich Ihnen hier sagen, dass Spiess’ens Unterricht in angemessenem Wechsel von Frei- und Gerätübungen wohl vermocht hat, Schwäche und Ungeschick der Turner und Turnerinnen zu bekämpfen, Thatkraft und Mut zu erwecken. Es ist eine durch Nichts begründete Annahme, Spiess habe bei seinem Unterrichte die Frei- und Ordnungs übungen bevorzugt; schon in Basel vernachlässigten wir selbst für die jüngsten Altersstufen beider Geschlechter die passenden Gerätübungen eben so wenig als die geeigneten Turnspiele. Aber auch an das Wort erlaube ich mir Sie zu erinnern, das Spiess in seinem Turnbuche für Schulen schon im Jahre 1846 ausgesprochen hat, die Schule müsse nach allen Lebensbeziehungen hin die Erziehungsstätte der Jugend sein; sie