Volltext Seite (XML)
30 ■worden ist, vielfach, mit Berücksichtigung der jetzigen Lebensverhältnisse, auf jene Betriebsanschauungen zurückgeführt werden müsste. Aber betrachten wir zunächst die weitere Entwicklung des Turnens. Die Zwecke desselben blieben, meine ich, im Wesentlichen dieselben. Wie wurde es aber mit den Mitteln? Die bald nach der Blüte des Jahn’schen Turnens eintretende Turn sperre hat in dieser Beziehung eine wesentliche Einwirkung gehabt. (Euler behauptet zwar, es habe eigentlich gar keine Turnsperre gegeben, es sei ununterbrochen weitergeturnt worden. Das letztere ist zwar für manche Orte wahr, aber' es hat dennoch eine Turnsperre gegeben: Das Turnen musste nämlich aus der Öffentlichkeit verschwinden.) Ich habe vor 11 Jahren in meinem theoretischen Handbuch S. 178 selber in Bezug auf die durch die Turnsperre herbeigeführten Verände rungen geschrieben: „Alle während der Zeit der Turnsperre auf den Betrieb der Leibes übungen gerichteten Bestrebungen nehmen schon in Folge der äusseren Umstände eine wesentlich andere Gestalt an als zur Zeit der alten Jahn- sehen Turnplätze. Während dort in einer Vermischung aller Lebensalter und Stände ein allgemeines Volksturnen in vollster Öffentlichkeit statt fand, welches mächtig und schnell die ganze Masse ergreifen, erheben und zu einem grossen vaterländischen Streben vereinigen sollte, ein Volks turnen, bei welchem auch die unterrichtliche Seite zwar wichtig, aber nicht das Wichtigste war, so zogen sich die Turnübungen während der Zeit des Druckes natürlich in abgeschlossene, engbegrenzte, von der Öffentlichkeit getrennte Räume zurück, und die Turnenden bildeten einen mehr oder weniger geschlossenen Kreis. Die vaterländischen Gefühle konnten nicht mehr offen zur Geltung kommen, auch die sonstigen direkten Einwirkungen auf die Gemüter schwächten sich ab, und so trat ganz von selbst die technische und unterrichtliche Seite der Sache entschieden in den Vordergrund!“ Und ich füge jetzt hinzu: Die engen Räume bedingten ein Auf hören oder wesentliches Einschränken jener einfachen, aber auf Leib und Seele mächtig ein wirkenden Übungen, wie Laufen, ausgedehntes Frei springen in die Weite und Höhe, Ringen, dieser Brauchkünste, dieser concreten Lebensformen, die aus der Erfahruug naturgemäss emporgewachsen waren. Dagegen musste sich ein künstliches Turnen an solchen Geräten, welche nicht viel Raum wegnehmen, wie am Reck, Barren und Pferd ent wickeln; da mussten sich nach und nach komplicierte Formen bilden, die der Reflexion entsprossen waren und mehr auf das Denken als auf Ver-