130 Hieb und Stoss pflegten, bekannt war und eine vorwiegend italienische in der zu seiner Zeit in Deutschland verbreiteten Schule von Fabri. Kreussler und sein Nachfolger wussten mit genialem Blick das Wesentliche vom Unwesentlichen zu sondern und durch ausgedehnte Reisen von überall her das Gute in sich aufzunehmen, ohne bei ihrem Scharfblicke die Nachteile mit in den Kauf zu nehmen. So kommt es, dass diese Schule das Gute der französisch-italienischen Schulen mitenthält ohne deren Fehler und ohne alle dem deutschen Charakter nicht zusagenden Eigen heiten, und dass sie ausserdem noch ein ganz neues, eigenes Prinzip enthält. Um das Fechten zu verfeinern und durch dasselbe sogar veredelnd auf die damaligen rohen Sitten einzuwirken, legten die Kreussler in erster Linie den Nachdruck auf die Ausbildung der Paraden, so dass es lächerlich klingt, wenn in französischen Werken mit Emphase erzählt wird, dass La Boessire 1818 (!) die Anzahl der Paraden auf acht (!) brachte. Mit der Zahl und Ausbildung der Paraden wächst aber auch die Zahl der Nachstösse und diese sind dementsprechend bei der Kreusslerschen Schule viel sorgfältiger und mannigfaltiger durchgebildet. Aber Paraden und Nachstösse hat, wenn auch nicht so sorgfältig ausgebildet, auch jede andre Schule. Das war also noch nichts prinzipiell Neues, und so gross auch schon das Verdienst der Kreussler ist, dass sie diese Dinge sorgfältiger ausbildeten, so bleibt ihre genialste That, dass sie als den Nachstössen gleichwertig die a tempo Stösse einführten und durchbildeten. A tempo Stösse nebenbei haben die anderen Schulen später auch aufgenommen, aber als wesentlich und gleichberechtigt mit den anderen Stössen existieren sie nur bei Kreussler. Erst die a tempo Stösse lehren es verstehen, warum in der Kreusslerschen Schule der gedeckte Stoss im Prinzip vor handen ist, warum der Schüler in dieser Schule schon in der ersten Stunde mit Nachdruck auf den Wert der Opposition aufmerksam gemacht wird, während in der französischen Schule auch oberflächlichste Kenntnis dieser Dinge schon als Zeichen ganz besonderen Fortschrittes in der Kunst gilt. — Ich gehe nun auf einen anderen Gesichtspunkt ein. Die Kriegschirurgie giebt uns reichliche Erfahrungen an die Hand, dass unsere Rippen einen natürlichen Panzer für die Brust darstellen gegen Kugeln und blanke Waffen. Dieses natürliche Schutzmittel hat die Kreusslersche Schule gleichfalls ausgebildet. Der Oberkörper wird vorgelegt schon in der Auslage, und da hierbei die Zwischenrippenräume verengert werden, wird der natürliche Panzer der Rippen auch benützt, der ganz ungeschützte Bauch aber ungezwungen gedeckt und aus dem Bereiche der feindlichen Klinge gerückt. Der französische Fechter macht von diesen natürlichen Hilfsmitteln gar keinen Gebrauch, er streckt