108 Dr. Hermann-Berlin: Die Debatte dreht sich um die Gleichbe rechtigung der Turnlehrer und Turnlehrerinnen an Mädchenschulen. Ich vermag nicht ganz die Entrüstung gegen gewisse Äusserungen zu teilen, die hier vorgelegt sind und welche eingegeben werden von einem unaus rottbaren Gefühl, das nur vom Standpunkte des Vaters, freilich nicht von dem des Lehrers aus betrachtet werden darf. Es ist im Allgemeinen das Richtige, dass beide Geschlechter konkurrieren. Die Leistungen der Turn lehrerinnen stehen zum Teil unanfechtbar da und sind erstaunlich. Wir müssen den II. Teil der These so allgemein machen, dass wir aussprechen: „Der Turntag hat erklärt, dass unter Zurückweisung aller gegenteiligen Äusserungen eine gleichberechtigte Verwendung stattfinden solle oder ein Zusammenwirken von Lehrern und Lehrerinnen normal sei.“ Die Frage nach der Oberleitung ist noch offen zu lassen. Mit Beziehung auf die Oberleitung liegen noch nicht so viele Erfahrungen vor, dass man den Lehrerinnen die Fähigkeit dazu gänzlich absprechen könnte. Es ist fraglich, wieviel Erfahrungen man schon gesammelt hat. Aus einem allgemeinen Grunde, den Lehrerinnen zugängliche Gebiete nicht zu verschliessen und aus Rücksicht auf ein richtiges Gefühl scheint es sich zu empfehlen, die These anzunehmen. Dorner-Berlin: Mit den eben ausgesprochenen Ansichten erkläre ich mich zum Teil einverstanden, aber die Äusserung, die Vorbereitung der Turnlehrer lasse etwas zu wünschen übrig, weise ich als unberechtigt zurück. Ich meine, dass jüngere Lehrer jüngeren Lehrerinnen gegenüber insofern einen Unterschied zeigen, dass sie einesteils sicherer auftreten, weil sie den Stoff besser beherrschen, und dass sie andernteils nicht die Ängstlichkeit so sehr zur Schau tragen wie Damen. Für die Leitung grösserer Abteilungen werden die Stimmmittel der Lehrerinnen stets un zureichend sein und bei dem Unterrichte in einzelnen Klassen habe ich von ihnen neben guter Behandlung des Stoffes auch solche Verstösse gegen die Methode kennen gelernt — es übte zum Beispiel eine Dame den Schrittwechselgang eine ganze Stunde lang, ohne die vorbereitenden Gang arten durchgenommen zu haben —, dass ich eine vollständige Gleichbe fähigung nicht zugestehen kann. — Die Stellung der Frau zum Mann überhaupt muss auch für die Leitung in irgendwelchem Fache die Norm abgeben. Daher lässt es sich nicht erklären, warum man dem Manne die erste Stelle im Turnunterricht verkürzen will. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, die Hermann-Braunschweig’sche These anzunehmen. Dr. Ed. Angerstein-Berlin: Ich will meine frühere Äusserung so ändern, dass Sie die scherzhafte Nebenbemerkung nicht als Vorwurf auf zunehmen brauchen. Ich will nur sagen, dass ich bei Turnlehrern häufig