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103 jeder anderen Zeit ohne Weiteres in die Turnhalle hineinkämen, in denen Lehrerinnen unterrichten, Sie würden auch in so unvorbereiteter Weise manchem tüchtigen Betrieb begegnen. Freilich nicht bei Allen, denn es giebt auch unter den Lehrerinnen solche, die Vorzügliches, die Gutes und die auch Schlechtes leisten — ganz wie dies ja auch bei den Lehrern der Fall ist. Prinzipiell bin ich übrigens dagegen, dass das weibliche Geschlecht eine andere Stellung einnehme, als die in der Familie. So bin ich also im Grunde auch gegen Lehrerinnen als solche. Da aber das weibliche Geschlecht sich so vielfach eine selbständige Stellung begründen muss, so wird die Beschäftigung am meisten ihrer ange messen sein, die der Erziehung am nächsten liegt, und das ist der Lehrerinnenberuf, der Beruf einer wissenschaftlichen, einer Handarbeits-, einer Turnlehrerin. Die Mutter ist ja auch bei ihren Kindern die erste Turnlehrerin. Dass Lehrerinnen leichter aufgerieben und invalide werden als Lehrer, gebe ich zu, aber nicht vorzugsweise durch das Turnen. Wenn man freilich eine Lehrerin mit 18 bis 24 Turnstunden überlastet und sie 3 bis 4 Stunden hintereinander in einem staubigen, zugigen Saale zu unterrichten zwingt, vielleicht gar mehrere Lehrerinnen neben einander zu gleicher Zeit, so ist das kein normaler Zustand. Das würde aber auch den Lehrer aufreiben. Ich habe beobachtet, dass eine Turn lehrerin, welche gute Disziplin aufrecht zu erhalten weiss, ohne grössere Stimmanstrengung als eine wissenschaftliche Lehrerin ihre Klasse leiten kann und dass die Lehrerinnen Disziplin zu halten verstehen, setze ich als normale Bedingung voraus. Weiter setze ich als normal auch ein gründliche turnerische Durchbildung voraus. Wenn es Schulanstalten giebt, die sich als Turnlehrerin eine Dame engagieren, die nur einmal etwas vom Turnen gesehen hat, so ist das ebenfalls nicht normal. In den offiziellen dreimonatlichen Lehrerinnenturnkursen der Kgl. Turnlehrer- Bildungsanstalt werden jeden Tag zwei praktische und im Durchschnitt zwei theoretische Stunden erteilt; den Lehrerinnen ist zugleich Gelegen heit geboten, sich im Unterrichten zu üben. Das ist nicht ungenügend. Meine Privatturnkurse erstrecken sich auf etwa 8 Monate, die von Dr. Angerstein (bei einer geringeren wöchentlichen Stundenzahl) auf etwa ein Jahr. Wenn ich mich also in dem Aufsatz derartig ausgesprochen habe, wie ich es gethan, so bitte ich es so aufzufassen, dass ich als Anwalt des weiblichen Geschlechts aufgetreten bin. Ich habe nachweisen wollen, dass auch die Frau im Stande sei, Turnunterricht zu erteilen. Was ich geschrieben habe, mögen Sie angreifen; aber das ist eine Thatsache, wenn die Turnlehrerinnen nicht wären, dann würde die Verbreitung des Mädchen-