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DEUTSCHER PAPIERVEREIN Mit Rücksicht auf die mit der Vereinigung deutscher Tinten fabrikanten schwebenden Verhandlungen stellen wir den Schreib warenhändlern, denen der Revers der Vereinigung zur Unter schrift zugeht, anheim, sich vor Unterzeichnung behufs Kenntnis nahme von dem Ergebnis der Verhandlungen mit uns in Ver bindung zu setzen. Berlin, 30. November 1913 Papier-Verein Berlin und Provinz Brandenburg I. A.: Carl Arenstedt Treurabatt Aus den Auslassungen des Rechtsanwalts Lammers über obiges Thema habe ich — so bemerkenswert sie für Juristen gewesen sein mögen — in der Hauptsache nur herauslesen können, wieviel Worte für notwendig gehalten werden, um die Leser von der Notwendigkeit des Treurabatts zu überzeugen. Ob das gelungen ist, ist eine andere Frage, auf jeden Fall steht fest, daß Gesetzeskundige und Un kundige darüber auch heute noch geteilter Meinung sind. Ich ver stehe von den rechtlichen Fragen nicht viel, aber auch nach der juristisch fein ausgeklügelten Vorlesung des Rechtsanwalts Lammers bin ich der Ansicht, daß, nachdem die Preise einseitig von den Ver bands-Fabriken erhöht sind, kein Besteller gezwungen werden kann, den Treurabatt zurückzuzahlen, wenn er bei ringfreien Fabriken bestellt, sofern er nicht durch eine spätere Bestellung bei einer Ver bands-Fabrik sich stillschweigend mit der Preiserhöhung einver standen erklärt hat. Heute schreibe ich jedoch aus einem andern Grunde. In allen Erörterungen, die ich in den Fachzeitungen verfolgt habe, haben sich bisher nur Buchdrucker und Papierhändler beklagt, die sich durch die Preiserhöhung der Briefumschläge geschädigt fühlen. Ber Großhändler blieb dabei aus dem Spiel, und doch ist er nach meiner Meinung der am meisten Geschädigte, da er durch den Ver band immer mehr ausgeschaltet wird. Vor Gründung des Verbandes kaufte der Großhändler billig ein, denn jeder Briefumschlagfabrikant räumte ihm, der für 50 000 bis 100 000 M. und darüber bezog die niedrigsten Preise ein. Er konnte dadurch an Buchdrucker und Papierhändler mit angemessenem Aufschläge wiederverkaufen, da diese bei ihrem erheblich niedrigeren Umsätze, selbst wenn sie vom Fabrikanten kauften, höhere Preise als der Großhändler zahlen mußten. Wie sieht es dagegen heute aus? Die Fabrikanten stehen sich seit der Gründung des Verbandes erheblich günstiger — die Preise wurden wiederholt aufgebessert — die Lage des Großhändlers, soweit er heute noch mit Briefumschlägen handelt, hat sich dagegen von Jahr zu Jahr verschlimmert. Ein erheblicher Unterschied zwischen den Preisen, die heute ein Großhändler bezahlen muß, und denen, die ein Kleinhändler bezahlt, besteht heute nicht. Schuld daran ist in erster Linie das Rabattsystem des Verbandes, nach welchem der Großhändler in den meisten Fällen gegenüber denen, die vielleicht nur den zehnten Teil oder noch weniger beziehen, nur einen Vorteil von 5—10 v. H. hat, bei einem Unkostenkonto von wenigstens 10 v. H.! Wie dabei der Großhändler zurecht kommen soll, wenn man berücksichtigt, daß die Briefumschläge bei ihm oft % Jahr und länger lagern, ehe sie verkauft werden, ist ein Rätsel. Dazu kommt noch, daß für ihn der Umsatz täglich schwerer wird, denn wo ist die Briefumschlagfabrik, die nicht durch ihre Vertreter fast jeden Buchbinder, Papierhändler oder Buchdrucker —- oft die kleinsten Geschäfte — besuchen läßt und sich weigert Auf träge auf ein Postpaket Briefumschläge auszuführen ? Mir ist ein Fall bekannt, wo ein großer, dem Verbände angehörender Brief umschlagfabrikant an einen „Großverbraucher" dessen jährlichen Bedarf von 10 000 Duplex-Umschlägen liefert, ein Geschäft, das kein Großhändler wagen dürfte zu machen, ohne befürchten zu müssen, daß ihm seine gesamte Papierhändler- und Buchdrucker kundschaft auf den Kopf käme. Ich wette hundert gegen eins, daß dieser „Großverbraucher" außerdem noch die 10 v. H. „Treurabatt" erhält. Größere Geschäfte kann der Großhändler unter den heutigen Verhältnissen nicht machen, er muß froh sein, wenn er seine Ware in den kleinsten Mengen absetzen kann. Mit juristischen, ökonomischen, wirtschaftlichen und wer weiß was sonst noch für Gründen sucht der Verband nun klar zu machen, wie gut es seine Kunden heute haben. Die Großhändler hat er aber anscheinend davon ausgenommen, denn daß sie bei den winzigen Vorteilen, die ihnen eingeräumt werden, auf einen grünen Zweig kommen können, wenn sie nur auf den Vertrieb von Briefumschlägen angewiesen wären, ist ausgeschlossen. Hier sollte der Verband die Hebel zur Besserung ansetzen oder mit dem ungerechten Rabattsystem, das das Geschäft nur erschwert und zeitraubende Umrechnung erfordert, wenn der Käufer wissen will, wieviel ihm eigentlich der Briefumschlag kostet, brechen und zu einer klareren, übersichtlicheren und gerechteren Berechnungs weise übergehen. Der Verband möge sich das jetzt geschaffene Abkommen der Normalpapier-Fabrikanten zum Vorbilde nehmen, dort geht es ja auch ohne Rabattsätze. Ch. » * * Eine Erwiderung aus der Praxis des Händlers In langen Spalten und mit allerlei ausgeklügelten Beweis führungen will uns Herr Rechtsanwalt Lammers, Düsseldorf, der Syndikus des Vereins Deutscher Briefumschlag-Fabrikanten und der Briefordner-Konvention, überzeugen, daß unsere ablehnende Haltung gegenüber der Treurabattbindung wirtschaftlich verfehlt, unsere Ansicht über den Vertragsbruch infolge einseitig willkürlicher Aenderung der Preislisten rechtlich unhaltbar und unser Verlangen, über Preisänderungen und die übrigen Verkaufsbedingungen vorher gehört und verständigt zu werden, praktisch niemals durchführbar sei. Damit wären allerdings die Händler so weit wie vorher, nämlich, mit einer einzigen Ausnahme, fast rettungslos der Willkür der Kon ventionen preisgegeben. Wir haben diese Ausführungen mit ihren Streiflichtern auf so manche bisher ungekannte Gefahren des Treurabattsystems auf uns wirken lassen und kommen zu dem Ergebnis: Gerade seine Aus führungen beweisen uns überzeugend, daß das Treurabattsystem als selbstherrliches und machthaberisches System gedacht ist, durch das der Händler in eine, seiner wirtschaftlichen Stellung unwürdige und den gesunden Verhältnissen zuwiderlaufende Abhängigkeit von seinen Lieferanten gekommen ist. Aus dieser Abhängigkeit gibt es nur eine Befreiungsmöglichkeit und diese bezeichnet Herr Lammers selbst als die .„Gefahr, sich durch das Opfer (des Treurabatts mit den zunächst verflossenen 12 Monaten) einer erheblichen Schädigung auszusetzen." • Wie spielt sich das Geschäft ab ? Ein Händler erhält von einer Konventionsfirma eine Preisliste, auf deren Preise ihm der zu stehende Konventionsrabatt und der übliche Treurabatt angeboten wird. Auf Grund dieses Angebots kommt ein Kauf zustande und dadurch der gegenseitige Vertrag. Wird aus irgend einem Grunde von der einen Vertragspartei eine Aenderung einzelner Vertrags punkte gewünscht, so hat sie kein Recht, von der Gegenpartei die Einhaltung der übrigen, ihr noch genehm bleibenden Vertragspunkte zu fordern. Günstigsten Falles tritt also eine Auflösung des Vertrags verhältnisses und damit eine gegenseitige Enthebung von allen Vertragspflichten ein, doch nur in dem Falle, daß sich beide Teile darüber einigen können. Sonst kann Erfüllung des Vertrages bis zum Ablauf der Vertragsdauer gefordert werden. Auf alle Fälle aber ist der Händler von seiner Verpflichtung, nur bei Konventions firmen zu kaufen, in dem Augenblick enthoben, wo er diesen Firmen mitteilt, daß er angesichts ihres Vertragsbruches durch willkürliche Preiserhöhung den Vertrag für aufgelöst betrachte. Herr Lammers will diese Rechtslage nicht anerkennen, er er klärt vielmehr, daß an der Treurabattbindung des Händlers auch in dem Falle nichts geändert werde, daß die Konvention willkürlich einzelne Vertragspunkte abändert. Es setzt doch ein sehr geringes Verständnis für die Bedürfnisse und für die gesunde Weiterentwicklung des Händlerstandes voraus, in dieser Umklammerungsbewegung des Händlerstandes einen wirt schaftlichen Vorteil auch für den Händler sehen zu wollen. Durch den von uns angegriffenen Preisaufschlag der Brief umschlag-Konvention wurden die Preise teils bis um 50 v. H. (fünfzig) höher als vordem. Unwillkürlich muß man da Herrn Lammers mit seinen eigenen Waffen angreifen, denn er sagt, daß unberechtigte Preissteigerungen, die unter Ausbeutung der Macht eines Verbandes erfolgen, unsittlich sind. 50 v. H. von heute auf morgen mehr zu verlangen, das wird auch Herr Lammers nicht mehr als berechtigt vertreten wollen. Nun kommt Herr Lammers zu dem weiteren Ergebnis, daß zu einer Vereinbarung mit der Kundschaft über eine beabsichtigte Preis steigerung weder eine Rechtspflicht vorliege, noch eine solche bei den gegebenen Verhältnissen möglich sei. Durch diese Behauptungen wird nichts daran geändert, daß der Zwischenhandel sich bei den bisherigen Treurabattgepflogenheiten nicht gedeihlich und selbständig weiterentwickeln kann und deshalb auf einer Aenderung bestehen muß. Es ist tragisch, daß gerade die Händlerschaft, die Mittelstands- grupne, Herrn' Lammers erinnern muß, daß vor Jahren, bei Beginn