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Nr. 93/1913 PAPIER-ZEITUNG 3447 Lumpenpapiere und Halbstoffverarbeitung Jeder Feinpapiermacher wird in den letzten Jahren die Beobachtung gemacht haben, daß nach besseren Papieren, welche ganz aus Lumpen oder mit Lumpenzusatz hergestellt werden, immer weniger gefragt wird. Bei heutigen Preisanfragen mit Papiermustern wird man bei der Untersuchung feststellen, ■daß unter 100 Mustern keine 5 mit merklichem Prozentsatz an Lumpen gearbeitet sind. Wie kommt es, daß solche Ent artung der Papiere eingetreten ist ? Die erste Antwort wird wohl sein, daß die aus Strohstoff und Holzzellstoff hergestellten Papiere mindestens ebenso fein aussehen und in den meisten Fällen den an sie gestellten Anforderungen genügen. Leider spielt heute in den meisten Fällen nicht die Güte -sondern der Preis beim Einkauf die Hauptrolle. Ein glücklicher Gedanke war seinerzeit die Einführung bestimmter Eigenschaften, „Normalien”, für Papiere, die längere Lebensdauer verbürgen sollen. Wäre diese Verordnung nicht geschaffen, so gäbe es heute noch viel weniger wirklich gute Papiere. Es ist meines Erachtens keine große Kunst, aus Holz zellstoff und Strohstoff oder nur aus Holzzellstoff Papier her zustellen, denn bei unseren vollkommenen Papiermaschinen und Holländern bedarf es keiner langjährigen Erfahrung, um die jetzt gängigen billigen Papiersorten herzustellen. Man möchte es für die Papiermacherei ein Glück nennen, daß sich ■ein bestimmtes Publikum einen besonderen Geschmack ge wahrt hat und mit Vorliebe noch aus Lumpenstoff hergestellte Papiere benutzt. Daß aber die Lumpenpapier-Fabrikation nicht so einfach ist, beweisen die Schwierigkeiten, welche manche Fabriken mit ihren Versuchsfabrikationen gehabt haben. Meines Erachtens gehört zu einer guten Feinpapierfabrik eine besonders gut eingerichtete Halbstoff-Fabrikation. Zum Ankauf der Lumpen gehört längere Erfahrung, um für die verlangten Papier sorten das richtige Rohmaterial zu wählen. Die Lumpen müssen ferner gut von Nähten befreit, in möglichst gleichmäßige Stücke geschnitten werden und erst von Staub und anhaften dem Schmutz befreit sein, ehe sie in den Kocher kommen. Auf ■das Kochen folgt gründliches Auswaschen, ehe die Lumpen dem Halbzeugholländer zugeführt werden. Sind sie gemahlen und gebleicht, so beginnt die weit schwierigere Mahlarbeit im Ganzzeugholländer, und nur der Fabrikant sollte sich Papier macher nennen, der die Mahlart den verlangten Papiersorten anzupassen versteht. Es ist erwiesen, daß Papiere mit größerem Lumpenzusatz •eine längere Haltbarkeit aufweisen und Charaktereigenschaften besitzen, welche man mit Surrogaten nicht erreichen kann. Lumpenpapiere sind voluminöser, d. h. sie fühlen sich dicker ■an als gleich schwere Zellstoffpapiere. Gut gearbeitete Lumpen papiere scheinen nicht durch, und erstklassige Geschäftsbücher fabriken verwenden zu ihren Büchern, welche längere Haltbar keit haben sollen, mit Lumpen gearbeitete Papiere. Leider linden aber, um den Wettbewerb mitzumachen, auch dazu schon sehr viel Surrogatpapiere Verwendung. Oft wundert man sich über die Preise, zu denen gute lumpen- haltige Papiere angeboten werden. Es scheint danach, daß manche Fabriken den bei der Lumpenhalbstoff-Fabrikation entstehenden Verlust nicht genau zu berechnen verstehen, und lediglick letzterem ist es zuzuschreiben, daß Normalpapiere mit viel Lumpenzusatz oft zu Preisen angeboten werden, die die Selbst kosten nicht decken. Seit Jahren bestehen Fabriken, welche Lumpenhalbstoff für den Verkauf herstellen. Welche Schwierigkeiten aber so wohl für die Halbstoffabrik als auch für die Papierfabrik bei dieser Arbeitsweise bestehen, kann nur der beurteilen, der sich darüber genügende Einsicht verschafft hat. Heute noch stellen die meisten wirklichen Feinpapierfabriken ihre Halbstoffe selbst her. Diese erfahrenen Fabrikanten haben die Fabrikation in •der Gewalt und wissen, mit welchen Sorgen und Mühen dieser Rohstoff hergestellt werden muß. Anders verhält es sich aber mit unseren Fachgenossen, denen die Lumpenpapier-Fabrikation weniger liegt und die einmal gelegentlich hierin ihr Glück ver suchen. Zunächst wird Lumpenhalbstoff gekauft; ob dabei ■die richtige Sorte gewählt wird, wollen wir dahingestellt sein lassen. Nach einem Rezept wird der Eintrag eingeteilt, und nun beginnt das Mahlen im Holländer. Es wird z. B. Normal 3a mit 75 v. H. Lumpen und 25 v. H. Zellstoff gewünscht; das Papier ist fertig, hat die vorgeschriebene Reißlänge und Dehnung, aber wo bleiben die 80 Doppelfalzungen? Nun wird durch Leinenlumpen-Zusatz die Falzzahl erreicht; das Papier ist fertig, entspricht den Normalien für 3 a, sieht aber wie weißes Pack papier aus! Es wird als Gelegenheitsware billig verkauft, und beim nächsten Mal soll es besser gehen. Das nächste Mal zeigt aber das Papier außergewöhnlich viel Unreinheiten, und nun wird der Halbstoffabrikant herangezogen. Meistens ist er aber aus der Gefahr der Verfügungstellung heraus, weil das Halb zeug bereits zu Papier verarbeitet wurde, ohne vorher geprüft zu sein. Meistens wird dem gekauften Lumpenhalbstoff die Schuld an den vielen Mißerfolgen zugeschrieben, aber bei Licht besehen trifft nur den Papiermacher die Schuld, der das Gebiet der Lumpenhalbstoff-Verarbeitung zu wenig kennt. Jede gut geleitete Halbstoffabrik kann heute Lumpenstoff herstellen, der so weiß und rein ist, daß die feinsten Papiere daraus ge macht werden können, nur muß dafür der richtige Preis an gelegt werden. Leider verwendet aber oft, um den Wettbewerb mitzumachen, die Halbstoffabrik viel zu geringe und billige Lumpen; dann bleiben die Mißhelligkeiten mit dem Papier fabrikanten nicht aus, die Lust zur Lumpenverarbeitung wird ihm genommen und er begnügt sich leider fortan damit, billige, leichter herstellbare Surrogatpapiere zu fertigen. Bei der Verarbeitung der Leinenlumpen ist größte Sorg falt auf die Auswahl des zur Verwendung gelangenden Roh stoffes zu richten, denn allzustark mit Schewen behaftetes Leinen wird nie ein reines Lumpenhalbzeug ergeben. Bei Baum- woll- oder Kattunlumpen muß bei der Sortierung besonders darauf geachtet werden, etwa vorhandene Gummiteile zu beseitigen. Es gibt heute so viel gummierte Baumwollstoffe, daß es langer Erfahrung bedarf, diese in den Rohlumpen zu erkennen, um die Halbstoff-Fabrikation vor großer Unbequem lichkeit zu bewahren. Denn werden gummierte Lumpen im Holländer mit vermahlen, so entdeckt man das Uebel trotz aller Aufsicht erst im fertigen Papier, und dieser Schaden läßt sich in keiner Weise gutmachen. Das Papier kann nur sehr billig verkauft werden, denn es ist ausgeschlossen, durch Gummi verunreinigtes Papier wieder umzuarbeiten. Fast alle mir bekannten Lumpenhalbstoffwerke mußten eine schwere Lehr- und Leidenszeit durchmachen, ehe sie im stande waren, einwandfreie verkaufsfähige Ware herzustellen. Soviel mir bekannt, sind die bestehenden Halbstoffwerke wohl in der Lage, den Bedarf an Lumpenhalbstoff zu decken. Aus diesem Grunde sollte man heute nur mit größter Vorsicht an die Neugründung von Halbstoffwerken herangehen. Leider lautet jetzt bei den Papierhändlern und Papier warenfabrikanten die Parole „billiger Einkauf”, die Güte kommt erst in zweiter Linie, und aus diesem Grunde wird es den meisten Feinpapierfabriken schwer gemacht, genügendes Absatzgebiet für gutes Lumpenpapier zu behaupten. Ich habe mit Vorgesagtem versucht, die jungen, wenig erfahrenen Papiermacher auf die Schwierigkeiten der Lumpen verarbeitung aufmerksam zu machen, und auch bei unter nehmungslustigen, mit der Lumpenverarbeitung nicht innig vertrauten älteren Papiermachern möchte diese Warnung an gebracht sein. Papierfabrikant Schweigen des Verkäufers Wir verkauften einen Lumpenschneider gegen Prima graue Pappen laut Muster, bestellten aber 5000 kg, da wir die Fracht zu tragen hatten. Der Lumpenschneider hatte ungefähr nur 2500 kg Pappen in Zahlung ausgemacht. Die Pappen sind so wellig und krumm, daß sie nicht an Buchbinder zu verkaufen sind. Zwei unserer Abnehmer haben uns erklärt, daß wir derartige Pappen nicht senden sollen. Es befinden sich unter diesen 5000 kg nur 200 kg, die gerade sind. Wir erhielten die Ladung am 18. September und rügten sofort, erhielten aber keine Nachricht. Am 23. teilten wir der Firma die Rüge nochmal unter Einschreiben mit und bemerkten, daß wir die übrigen Pappen zurücksenden und nur soviel behalten wollen, wie unser Guthaben beträgt. Wir erhielten bis heute keine Nachricht. Die Zahlung ist 30 Tage. Wie haben wir uns zu verhalten ? Können wir die Pappen zurücksenden und uns schadenfrei halten ? Es wäre doch gewiß in Ordnung, daß wir eine Antwort erhalten. Wir haben die Fabrik aufgefordert sich zu überzeugen, aber alles vergebens. Die Pappen müssen gefeuchtet werden, dann nochmal satiniert, sodann wieder getrocknet werden, erst dann können sie als Prima-Pappen zum Verkauf angeboten werden. Wir haben bis heute noch alles stehen wie erhalten. Pappenfabrik Fragesteller sind nicht berechtigt, den Teil der Ware, den sie nicht übernehmen wollen, zurückzusenden, sie sind vielmehr nach § 379 HGB verpflichtet, für einstweilige Aufbewahrung der beanstandeten Ware zu sorgen. Haben Fragesteller keinen Platz, so können sie die Verfügungsware einem Lagerhalter am Ort auf Rechnung des Verkäufers übergeben.