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ChaoS von Lelleitäten, alle Möglichkeiten hielt sie sich offen, vor A llem die der Personal-Union, Das Haus der Abgeordneten konnte für eine solche Politik keine Mittel bewilligen, sondern ver weigerte die geforderte Anleihe. Der Minister-Präsident erklärte, er werde die Mittel nehmen, wo er sie finde. In der seitdem ver flossenen Zeit hat Herr v. Bismarck das Verlangen des Hanfes nach Einsetzung des Augustenburgers nicht erfüllt, aber seine Dro hung gegen das HauS hat er wahr gemacht. In Schleswig-Hol stein ist Herr v. Zedlitz Mitregent auf unbestimmte Zeit, über und gegen den Augustenburger und der dänische Krieg ist geführt worden mit un bewilligten Mitteln. In Verbindung damit steht das Verhalten Preußens gegen den Bundestag, die Nichtachtung der BundeSex ecution, die Beseitigung und Heimsendung der Bundestruppen. In weiterer Verbindung damit steht die Frage nach der Rechts basis des Wiener Friedens, nach dem Rechts titel des preußi schen Mitbesitzes. Konnte der Protokoll-König Christian IX. Schles wig-Holstein abtreten? Konnte Preußen deutsches Bundesland in Mitbesitz nehmen? Kurz, um mit den einfach schlagenden, so ver ständigen wie nationalen Worten des badischen Bundestags-Ge sandten bei der letzten Frankfurter Abstimmung zu reden, ist Schles wig-Holstein befreites deutsches Land oder erobertes österreich-preußisches Land? Das sind in den Hauptzügen die Vorfragen aus der soge nannten großen Politik, welche das Haus zu beantworten haben wird/ ehe es an die direct ihm vorgelegte Frage, ob und wie es die Mittel zu einem preußischen Marine-Etablissement am Kieler Hafen bewilligen soll, näher herantreten kann. Wir glauben, das Haus wird diese Vorfragen sämmtlich nicht im Sinne der Regie rung beantworten. UebrigenS geht uns auf verläßlichem Wege aus Berlin privatim die Nachricht zu, daß im Schooße des Ministe riums Differenzen wegen der schleswig-holsteinischen Frage ausge brochen sind. Diese Uneinigkeit könnte nur zum Nutzen des Volkes ausfallen; indeß werden wohl die Differenzen beigelegt werden.— Von Seiten des preußischen Handelsministers ist in jüngster Zeit eine Circularverfügung an die Provinzialregierungen erlassen wor den, welche sich auf die Frage wegen Unterstützung hilfsbe dürftiger Arbeiter bezieht und als der in die Ocffentlichkeit getretene Anfang der Thätigkeit der Regierung zu Gunsten der Ar beiter angesehen werden kann, die von dem Grafen Jtzenplitz bei den Berathungen des Abgeordnetenhauses in Aussicht gestellt wor den war. Damit hat gleichzeitig die Regierung die verwerfliche Laffalle'sche Theorie von der „StaatS Hilfe" sanctionirt und zur Lösung der socialen Frage einen Weg beschritten, den wir in keiner Weise billigen können. „Selbsthilfe" ist das Losungswort der Gegenwart; wer für „Staatshilfe" agitirt, beschwört die Zeilen der 1848er Juni-Revolution zu Paris über Deutschland herauf. Möglich, daß das Ministerium nun auch nächstens noch das „all gemeine Stimmrecht" proclamirt. Extreme berühren sich, — so hier das extrem reactionäre Ministerium mit der extrem radi- calen Demokratie, die ebenfalls das allgemeine Stimmrecht auf der Fahne trägt. — In Oesterreich beschäftigt man sich neuerdings wieder viel mit Ministerkrisen. Die Ernennung des Frhrn. v. Hock zum Handelsmini st er soll bereits beschlossene Thatsache sein. Man erzählt, daß gerade um deswillen Hr. v. Schmerling seinen Abschied nehmen werde. In Regiernngskreisen ist es öffentliches Geheimniß, daß dieser Ernennung Schmerling stets mit größter Energie ent gegentrat. Frhr. v. Hock, der früher stark in Ultramoutanismus machte und sich deshalb mit Schmerling tief verfeindete, ist für diesen ein lästiger College. Schmerling hält sich außerdem überzeugt, daß seine Arbeit gethan ist. Er muß das Feld räumen. Der gleiche Grund mag auch den Verwaltungsminister bestimmen, sein Porte feuille aufzugeben. Schmerling'« Entlassung — so schreibt man aus Wien — wird eine sehr'gnädige sein; er wird Procurator des Theresianums. Was mit Lesser geschieht, weiß man noch nicht. — Die Einberufung des ungarischen Landtages bildet in politischen Kreise» das Tagesgespräch. Man glaubte, daß dieselbe schon am 4. Mai erfolgen werde, nach neuern Nachrichten scheint sich aber der Termin noch weiter hinauszuschieben. In Nus sau wollte sich bekanntlich die feudale Rechte der zweiten Kammer der Tagesordnung um deswillen nicht fügen, weil der Präsident „Wahlprüfungen" auf dieselbe gesetzt hatte. Die Herren fürchteten, daß Ungehörigkeiten dabei zur Sprache kommen könnten, denen sie theilweise ihr Mandat verdanken. Sie blieben deshalb aus der Sitzung und machten damit die Kammer beschlußunfähig. Die Regierung vertagte deshalb die Kammer schon mehrere Tage vor den Osterfeiertagen. Während der Pause reichten die renitenten Mitglieder eine Adresse an den Herzog ein, in der sie ihr Verfahren zu motiviren rosp. rechtfertigen suchten. Der Herzog aber bedeutete sie, daß nur die Regierung selbst befugt sei, die Arbeiten der Kammer durch Auflösung oder Vertagung zu unter breche«. Man glaubte, diese Zurechtweisung würdtz fruchten. Aber mit Nichten. Am 20. d. M-, wo die Kamnsern wiederum zusammen- traten, standen immer noch „ Wahlprüf ün g e w" aut der Tage«, ordnung und die Rechte erschien abermals nicht, sp daß der Prä sident erklärte, er sei außer Stande, die Sitzungen weiter fort zu führen. Man erwartet deshalb allseitig die Auflösung der Kammer. Die italienische Deputirtenkammer wünscht über die Aufhebung der Klöster und über die Einziehung der geistlichen Güter, wo möglich, noch in dieser Session zu beschließen, damit eS nicht etwa der clericalen Partei, welche bei den bevorstehenden Wahlen die größten Anstrengungen machen würde, um ihre Candidaten durchzu« setzen, mit Hilfe einer stark clerical gefärbten Kammer gelingen möge, jene Maßregel für die Zukunft unmöglich zu machen. Der vollendeten Thatsache gegenüber werden die Anstrengungen dn Clericalen von selbst zu Nichte werden. Das Ministerium wird die Session nicht schließen, bevor der Senat seine Zustimmung gegeben haben wird. — Der Marineminister macht den Vorschlag , 9 neue Panzerschiffe zu bauen, und obwohl dadurch wiederum das Budget nicht wenig belastet wird, so erhebt sich doch nirgends ein ernstlicher Widerstand gegen die Maßregel, die-mitten übrigen Finanzmaß regeln zur Abstimmung kommen wird. — Aus Rom htzrt man von einem Schreiben des Papstes an den König Victor Emanuel, worin der Papst den König auffordert, „dem kläglichen Zustand der Religion in Italien und den mehr um sich greifenden Verbrechen nnd Gott losigkeiten ein Ende zu machen. Der König solle die vertriebenen Bischöfe in ihre Diöcesen zurückkehren lassen, denn das Verbrechen nehme mit jedem Tage zu uud er sei für Alles verantwortlich? Wir zweifeln an der Nichtigkeit der Mitthcilung; sollte der Bries aber auch wirklich geschrieben sein, so würde er jedenfalls ohne allen Einfluß bleiben, da man in Italien am besten weiß, wer an deck „kläglichen Zustande der Religion" die alleinige Schuld trägt. Die französischen Zustände, wie sie sich zunächst in den De batten des gesetzgebenden Körpers abspiegelten, sind interessant genug, um mehr als einmal auf sie hinzuweisen. „Den Herren von der Opposition steigt schon der Wein zu Kopf und: doch schreien sie fortwährend nach Branntwein", soff der Kaiser Napoleon kürzlich geäußert haben, und wenn es ihm lediglich um ein witziges Wort zu thun war, so läßt sich der Aus spruch recht gut hören. Wahr ist er natürlich nicht und dafür wird er wohl auch von Napoleon IN. nicht gehalten. Der Wirth selbst kennt wohl am besten den Wein, den er auöschenkt, und die Quan tität Wasser, womit er ihn mischt. Das Gemisch als echtes Getränk anzupreisen, gehört allerdings zum Handwerk, allein der es locht, möchte es sicherlich selbst nicht trinken. Ein so aufgeklärter Mann, wie der Kaiser, täuscht sich gewiß nicht darüber, daß eS kein echt« Wein sei, was er der freiheitsliebenden Nation bietet und daß diy im gesetzgebenden Körper auf der oppositionellen Seite auftauchenden Symptome nicht Erscheinungen des Rausches, sondern des ver dorbenen Magens seien, welchen die zur Fälschung benutzten In gredienzen anwidern. Hinter der geistreichen Phrase, hinter dem ironischen Lächeln, womit die Anstrengungen der oppositionellen Minorität betrachtet werden, verbirgt sich ganz gewiß die richtige Erkenntniß der Be deutung jener Bewegung, welche sich in neuerer Zeit der Geister in Frankreich bemächtigt hat, und die ernste Sorge, wie dieser Be wegung Herr zu werden, wie sie für die Interessen der gegenwärtigen Dynastie dienstbar zu machen sei. An offiziellen Schönfärbern fehlt es natürlich auch in Frankreich nicht; aber Napoleon III. dürfte diesen offiziösen Berichten der Schmeichler und Sclaven keine» allzu großen Werth beilegen. Vertrat doch in der Unterrichtsfrage die Opposition dieselbe Meinung, wie der Unterrichtsminister, und deren Annahme scheiterte nur an dem Widerstande einer engherzigen Majorität in der Umgebung des Kaisers. Ist auch diese Meinung im gesetzgebenden Körper überstimmt und überschrieen worden , so wird dies bei Napoleon III. , dem Urheber derselben, die Uebyr- zeugung von deren Richtigkeit nicht erschüttern und er wird zu geeigneter Zeit gewiß wieder darauf zurückkommen. ES charakterjsirt übrigens die Majorität des Parlaments, daß sie sich über das Gesetz des allgemeinen Schulzwanges so entrüstet zeigte; denn ist irgendwo die Staatsmacht als eine oberste Behörde anzuerkennen, so in dem Fall, daß sie die Staatsangehörigen zur Bildung anleiten, soff. Nicht unbeachtet darf mau auch die Nachrichten über die Rfise des Kaisers nach Algier lassen. Es knüpft sich an sie die Ver- muthung, eS werde mittlerweile ein Regentschaftsrath die höchste Regierungsgewalt übernehmen und damit dürfte ein Personenwechsel in den hohen Aemtern erfolgen. Nach wie vor ist man überzeugt, daß die Dinge in der bisherigen Weise nicht fortgehen können, allein daneben hat sich nun auch noch die Ueberzeugung herausgebildet, daß an eine Reaction nicht zu . denken sei. In welchem Grade Napoleon III. der öffentlichen Meinung Rechnung tragen will,