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„Wirk Spreu in die Luft und Du stehst, woher der Wind kommt"', mochte der österreichische Minister v. Schmerling denken, als er den zu sich geladenen Abgeordneten eröffnete: das Ministerium werde abtreten, sobald das Abgcordnelenhaus sich in der Budget frage auf Seite des Finanz-Ausschusses stelle. Der Wind kam aber nicht von der günstigsten Seite, denn eS wurde dem Minister nicht verhehlt, was er später auch erlebte, daß das Abgeordnetenhaus diesmal denn doch Ernst machen und die Abstriche seines Ausschusses genehmigen werde. Und was that nun der Herr Minister? Er gab dem Hause die Versicherung seines Bleibens, da im Hause keine Persönlichkeiten seien, die jetzigen Minister zu ersetzen. Darauf antwortete zwar Abg. Giskra: „Wer immer die Zügel der Regie rung führt, schlechter werden sie nicht geführt werden, als sie nach meiner Uebcrzeugung heut' geführt werden, und die Ueberzeugung habe ich, daß, wenn die Opposition au das Regiment käme, das Staatsschiff von Oesterreich, das jetzt im Kreise herumgcführt wird, mit vollen Wimpeln und Segeln dem Hafen einer besseren Zukunft eutgegengeführt würde." Thut aber Alles nichts, das Ministerium bleibt, mag das Abgeordnetenhaus streichen, so viel es will. Es fragt sich nur, wie das Ministerium sich zu den abgesetzten Summen verhallen wird; ob es vielleicht die Taktik des Herrn v. Bismarck ngchzuahmcn gedenkt. — Bei den Special-Etats war besonders die Debatte über den Etat des Auswärtigen von Interesse, wobei Ministerpräsident Graf Mensdorff erklärte: „An eine schnelle Lösung der schleswig-holsteinischen Frage hat Wohl Niemand ernstlich geglaubt. Wäre die Rechtsfrage klar, so wurde die Sache längst ihre Lösung gefunden haben. Das kaiserliche Kabinet wird Gelegenheit haben, am 6. April in Frankfurt den Standpunkt zu bezeichnen, den es in dieser Frage einzunehmen gedenkt. Wir hegen die Zuversicht, daß es der Diplomatie gelingen werde, eine Lösung zu ermöglichen, ohne das Einverständniß mit Preußen zu gefährden, welches trotz aller gegentheiligeu Behauptungen die Einmischung des Auslandes in deutsche Angelegenheiten bis jetzt hintangchalten Hal. Ich sehe darin auch jetzt noch die Grundlage zu einer größeren Einigung Deutschlands und somit auch zur Hebung des Ansehens dem Auslande gegenüber." Das Abgeordnetenhaus ist bis jetzt in allen Punkten den An trägen des Finanz-Ausschusses beigetreten. Die würtembergische Kammer hat ein Bedauern darüber ausgesprochen, daß die Erneuerung des Zollvereins von der unver änderten Annahme des französisch-preußischen Handelsvertrags ab hängig gemacht sei. Ein süddeutsches Blatt äußert darüber: „Der Zollverein, diese für das deutsche Vaterland in unserem Jahrhundert größte und segensreichste Schöpfung, drohte zu zerfallen, und der alte Jammerzustand mit seinen vielen Zöllen und Schlag bäumen mitten in Deutschland sollte wieder rcstaurirt werden. Von Wien über Darmstadt bis Cassel und Hannover wurden alle nur denkbaren Hebel angesetzt, um dieses für die Habsburger Politik längst erstrebte Resultat endlich herbeizuführen. Denn nicht aus commerciellln, sondern aus politischen Gründen wurde der Sturm künstlich heraufbeschworen. Da war ein Rennen und Laufen, ein Eilen und Schieben im Lager aller Großdeutschen und Schutzzöllner, ein Ankünden und Abhalten großer nnd kleiner Zunftversammlungen der Kcrstofer nnd Bostorfer, ein Mahnen, Warnen und Drohen in den inspirirten Zeitungen und Flugblättern, ein unaufhörliches Prophczeihen der schrecklichsten Dinge, wenn der deutsche Zollverein wieder erneuert werden würde, zumal mit dem französischen Handels verträge. Es schien, als sei der jüngste Tag für Deutschland im Anzuge, der aber sofort abgewendet werden könne, wenn man Augs burger Amulette anhänge und Oesterreich, „dem Hort aller Mittel und Kleinstaaten", sich in die Arme werfe. So ohngefähr oder noch ärger wurde die Tragödie von klugen Regisseurs in Scene gesetzt." Und daß dies anders geworden, darüber empfindet heute noch die würtembergische Kammer ein Bedauern? Komisch! Aus dem Musterstaate des Feudalismus, aus Mecklenburg- Schwerin mögen heute einige statistische, auf amtlich- Quellen sich stützende Mittheilungen, die Moritz Wiggers im volkswirthschaft- lichen Vereine zu Rostock vorgetragen, hier Platz finden. Darnach sind seit 15 Jahren aus Mecklenburg-Schwerin 62,044 Menschen ausgewandert, aus dem Domanium 19,295, aus dem Ritterschaft- lichen 35,613 und aus den Städten nur 7153 Personen. Von 1830—64 haben 60,000 Menschen das ritterschaftliche Gebiet ver lassen und zwar 41 °/„ der gegenwärtigen Bevölkerung desselben. Im Verhältniß zu der gegenwärtig auf einer Quadratmeile lebenden Bevölkerung des ritterschaftliche« Gebiets, welches einen Flächenraum von 111 Quadratmeilen hat, sind in jenem Zeiträume 46 Quad ratmeilen entvölkert. In 15 Jahren sind mehr als 15,000 ländliche Arbeiter ausgewandert, aus dem Ritterschaftlichen allein 8600. Bei solchen Thatsachen kann man sich nicht wundern, daß aus dem platten Lande ein großer Mangel an Arbeitern ein- gctreten ist. — Der Redner führte weiter aus, daß die Ausw-n- derung di? Qualität der zurückgebliebenen BedMepung verschlechtere indem die kräftigen, fleißigen und intelligenten Arbeiter fortgingen die schwachen, alten, kranken und energielosen aber blieben. Die große Zahl der unehelichen Kinder beruhe freilich zum großen Theil auf den Niederlassungs- und Gewerbsbeschränkungen in Mecklenburg zum Theil sei sie aber auch auf die Auswanderung zurückzusühren' Aus den Dvnaufürstenthümern treffen Klagen über groß artige Ueberschwemmnngen ein, die in Folge eines dort plötzlich eingetrctenen Thauwetters viel Unglück anrichten. In einzelnen Straßen von Bukarest steht das Wasser fünf bis sechs Fuß hoch und die Strömung ist so stark, daß sich kein Fahrzeug in dersM I halten kann. Die Bewohner sind auf Dächer und Böden geflüchtet doch sind leider verschiedene Kranke, Kinder und Frauen im Kindbett das Opfer der Fluthen geworden. Die Brücken sind alle über- fluthet, so daß die Verbindung nur auf Flößen unterhalten werden kann, auf denen man den Ueberschwemmten Nahrungsmittel zuführt. Der Fluß Dimbowitza, welcher im Sommer so unbedeutend ist, daß man ihn bequem durchwaten kann, gleicht gegenwärtig einem breiten mächtigen Strome und führt die Trümmer von Brücken, Mühlen, Häusern und Mobilien, sowie die Leichen ertrunkener Menschen und Thiere mit sich. Aus Jütland wird gemeldet: Ein dänischer Kriegsgefangener, der in Jütland einen Hof besitzt, kehrte wegen Irrsinns erst vor wenig Wochen aus Oesterreich zurück.. In dem Heimathsdorse an gelangt, traf er seine zurückgelassene Frau als die Gattin eine» Anderen. Das Kriegsministerium hatte den Gefangenen in der Todtenliste aufgeführt. In Belgien haben sich die Bischöfe unter Vorsitz des Erz bischofs von Mecheln versammelt und an den König eine Adresse gegen den gegenwärtig der Kammer unterbreiteten Gesetzentwurf über die Verwaltung der Kirchengüter unterzeichnet. So wichtig dieses Ereigniß auch sein mag, so meint man doch, daß es politisch keine durchgreifende Bedeutung haben werde, da König Leopold sich schwerlich durch einen derartigen Einspruch zu einem Staatsstreiche werde bewegen lassen. Die Italiener können sich immer noch nicht wegen der geheimen Convention, von der ihnen Mazzini erzählt, beruhigen. Folgendes soll der Wortlaut derselben sein: „I. Artikel. Se. Majestät der König Victor Emanuel verpflichtet sich ausdrücklich, die italienischen Besitzungen Oesterreichs ohne die vor gängige Zustimmung Sr. Majestät des Kaisers Napoleon III. nnd ohne sich vorher mit ihm darüber in'S Einvernehmen gesetzt zu haben, nicht anzugreifen. Er verpflichtet sich überdies, jede unabhängig von seiner Negierung in seinen Staaten gegen die österreichische Regierung organisirte Kundgebung in wirksamer Weise zu verhindern. 2. Artikel. Se. Majestät der Kaiser Napoleon lll. stellt da- Königreich Italien sicher gegen jeden Angriff von Seite Oesterreich- und verpflichtet sich, wenn ein solcher statlsände, Italien zu Hilfe zu kommen und den Angriff mit Waffengewalt zurückzuweisen. 3. Artikel. Im Falle eines Krieges mit Frankreich und Italien gegen Oesterreich wird die Führung Se. Majestät dem Kaiser der Franzosen Vorbehalten und in gleicher Weise der Oberbefehl über die verbündeten Streitkräfte und das Recht, über den Frieden zu entscheiden. 4. Artikel. Für den Fall des Eintritts dieser Eventualitäten verpflichtet sich Se. Majestät der König Victor Emanuel von den italienischen Kammern für unbestimmte Zeit unbeschränkte Vollmachten zu erhalten. 5. Artikel. Wenn Italien in Folge eines Krieges unter diesen Voraussetzungen oder in Folge diplomatischer Unterhandlungen sich durch den Anschluß neuer Provinzen vergrößern sollte, so kommen Se. Majestät der Kaiser und Se. Majestät der König überein, zu einer neuen Be richtigung der Grenzen ihrer Staaten zu schreiten, welche Berichtigung den Zweck haben soll, Frankreich gegen das Uebergewicht der Kräfte Italiens sicherzustellcn. 6. Artikel. Diese Grenzberichtigung wird entweder vor Beendigung des Krieges oder vor dem Abschlusse der Unterhandlungen gemein schaftlich festgestellt. 7. Artikel. Die gegenwärtigen Bestimmungen müssen zwischen den beiden Negierungen von Frankreich und Italien geheim bleiben, und jede Verletzung eines dieser Artikel durch den einen oder den anderen Theil zieht die Vernichtung derselben, sowie der Convention vom heutigen Tage nach sich. Paris, 15. September 1884. <Das Protokoll trägt unter, anderen Unterschriften die des Minister- BiSconti- Vcnosta.)" Nun haben zwar die Minister Lamarmora und ViSconti- Venosta hoch und theuer versichert, daß kein wahres Wort an der ganzen Sache sei, allein das Volk will ihnen nicht recht glauben, da die Minister früher, als von der Abtretung Nizza'» und Savoyen's die Rede war, mit derselben Entschiedenheit Alle« in Abrede stellten. Damals sagte Mazzini diesen Länderschacher eben-