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Amtsblatt de« Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtSämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. smöeM Anzeiger und Tageblatt. O251. Erscheint jeden Wochentag früh 9 U. Inserate werden bis Nachm. 3 Uhr für die nächste Nr. angenommen. Freitag, den 27, Oetober Preis vierteljährl. SV Ngr. Inserat« werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 3 Pf. berechnet. 1883. Tagesgeschichle. Berlin. Auf Befehl Sr. Maj. des König» sollen die Un glücksfälle durch Häusereinsturz vom 20. d. M. einer ganz genauen Untersuchung unterzogen und an höchster Stelle darüber ausführlichst berichtet werden. Es soll denn auch gestern schon unter dem Vor sitze des Handelsministers eine Berathung sämmtlicher Mitglieder des Ressorts für öffentliche Bauten stattgefunden haben, um Mittel und Wege zur Verhütung ähnlicher Katastrophen sestzustellen. Morgen Vormittag werden von der Charite aus unter Vortritt von drei Musikchören — 27 Leichen der in der Wasserthorstraße zur gemeinsamen Gruft auf dem Kirchhofe der Jakobigemeinde be stattet. In der Kapelle der Charite wird vom Consistorialrath Bachmann vorher ein Trauergottesdienst abgehalten, wobei die Särge zu beiden Seiten des Altars stehen werden. 23 der zu Bestattenden waren Tischlergesellen, die der sähe Tod mitten in ihrem Tagewerk ereilt hat, dazu kommen 2, 19 resp. 11 Jahre alte Töchter des Tischlermeisters Mushacke, das 6 jährige Töchterchen des Gießermeisters Jakob und ein bisher noch nicht reeognoscirter Leichnam. — Uebrigens sind alle Neubauten in der Stadt, nament lich auf dem Köpnickerfelde, d. h. in der Umgegend der Unglücks stätte, in furchtbaren Mißkredit gerathen; die verschärfte Beobachtung solcher theils noch im Rohbau begriffenen Häuser soll auch mehr fach bereits die Nähe ähnlicher Gefahren zur Evidenz herausgestellt haben. — Am 25. Oct., Mittags 12 Uhr, bewegte sich der Leichen- zug der bei dem Häusereinsturz Verunglückten unter großer Volks- theilnahme vom Charitökrankenhause nach dem Jacobikirchhofe; 29 Särge wurden sämmtlich von Handwerkern getragen; die Tischler- und Maurergewerke waren in corpore in dem unabsehbaren Lei- chengesolge, dessen Defil« eine Stunde währte und der vom Com- mandanten von Berlin, Gen. v. Alvensleben, und dem Polizeiprä sidenten angeführt wurde. Aus Schlesien. Der „Schles. Ztg." wird geschrieben: Die vor etwas mehr als einem Jahre mit so vielem Geräusch etablirte Bewegung unter den Webern in Langenbielau hat sich binnen einem Jahre im Sande verlaufen. Der materielle Nutzen, der daraus gezogen worden, dürfte in der That von geringem Belange sein. Wenn sich auch Viele bemühen, die theilweise eingetretene Lohner höhung von 10—15 Sgr. pro Kette als Folge der Agitation hin zustellen, so täuschen sie Niemand als sich selbst damit. Factisch ist die Lohnerhöhung Nichts weiter, als eine Folge besserer Conjuucturen. Bei vielen Fabrikanten war der Lohnzusatz aber auch nur ein Köder für den Weber, um ihn der Feldarbeit zu entfremden und zum Webestuhle zurückzuführen. Der Fabrikant, dem daran lag, seine Kunden zu befriedigen, mußte nach einem Mittel suchen, um den Weber zu größerm Fleiß anzuspornen, und daher datirt sich andern- theils der Lohnzusatz. Die Arbeitervereine, welche der Bewegung ihr Dasein verdanken, gehen ihrem Ende entgegen, denn an ihrem Lebensnerv nagt der Wurm getäuschter Hoffnungen. Wie uns aus zuverlässiger Quelle mitgetheilt wird, sind die von Sr. Maj. dem Könige an die GierSdorfer Weber geschenkten 6000 Thlr. bereits vollständig „verhandelt". Hoffentlich wird dies den Behörden ein Fingerzeig sein, daß durch Unterstützungen dem gesunkenen Weber stande nicht aufzuhelfen ist. Wien. Mit Recht begreifen speciell die österreichischen Blätter nicht, warum Oesterreich den Polizeidiener für Preußen macht. So klagt z. B. die „Ostd. Post": „daß sich Oesterreich abermals zum Schleppträger Preußens machen ließ, daß es wieder einmal für d« Bismarck'sche Politik die Kastanien aus dem Feuer gezogen, daß es abermals einer jener unglaublich klugen Schritte gethan, welcher auch die letzten Reste von Sympathien, die letzten Anhänger und Freunde, die Oesterreich noch im deutschen Volke besitzt, zu decimiren geeignet ist". Liege es (fragt das Blatt dann weiter) auch nur im Entferntesten im Interesse Oesterreichs, alle jene Stimmen, Körperschaften, Vereine re., die im Geiste des deutschen Volkes gegen die Borrussificirung Deutschlands, gegen die egoistische, gewaltsame Politik Preußens ankämpfen, diesem aus dem Wege schaffen zu helfen? Was kümmere Oestereich jene politische Agita tion, die in Frankfurt ihren Heerd haben soll? Als der Kaiser Franz Joseph vor zwei Jahren in Frankfurt Hof gehalten, da habe sich diese vvll der feurigsten Sympathien für Oesterreich gezeigt. Wodurch habe sie es verdient, daß die österreichische Regierung heute mit dazu helfen soll, diese Stadt zu demüthigen, sie zu zwingen, ihre Gesetze zu ändern und sich zum Polizeidiener für Herrn v. Bismarck zu machen? Wo sei die Klugheit hingekommen, die man einst der österreichischen StaatSkanzlei nachgerühmt?" — In Betreff neuer Werbungen für Mexico wird versichert, daß die Angelegenheit noch dem Kriegsministerium zur Begutachtung vor liegt. Die bezüglichen Verhandlungen drehen sich um eine Addi tional - Convention zu dem Vertrage, welcher die Anwerbung der bereits in Mexico befindlichen 7000 Mann gestattete. Die mexi- canische Regierung erstrebt nämlich, um da» austto-mexicanische Corps auf seiner ursprünglichen Höhe erhalten zu können, die Bewilligung zu neuen Werbungen bis zur Höhe von jährlich 2000 Mann. München. Die „Deutsche Wehrzeitung" bringt unter der Ueberschrist: „Conscription und Stellvertretung in Baiern" einen Artikel, welcher ein ganzes Gewebe von Mißständen, die bei der Recrutirung vorkommen und wodurch namentlich der Arme, der Unbemittelte gedrückt und benachtheiligt wird, aufdeckt. Es wird gezeigt, daß durch die Stellvertretung durchaus kein besseres Unter- officiercorps erzielt wird, sondern im Gegentheil ein schlechteres; daß die Entscheidung durch das LooS eine Ungerechtigkeit sei; daß ein wahrer Menschenhandel, hervorgerufen durch das EinstandSwe- sen, getrieben wird, und daß oft ein Jnfanterieunterofficier Stell vertreter eines Kürassiers werde u. s. w. Sollte es ein einiger maßen Wohlhabender wagen, zum Privatvergnügen selbst den Va- terlandSvertheidiger spielen zu wollen, dann würde er von Hoch und Niedrig so lange gequält, bis ihm dies Vergnügen zu Gunsten irgend eines noch vorhandenen Einstehers verleidet sei. Schließlich fragt Verfasser: „Ist dies vielleicht die gepriesene Gleichheit vor dem Gesetze, die allgemeine Wehrpflicht, welche durch die baierische Verfassungsurkunde proclamirt und garantirt wird?" Gotha. Das zwei Stunden von hier entfernte freundliche, am thüringer Walde gelegene Städtchen WalterShausen ist in der Nacht auf den 22. October von einer Feuersbrunst heimgesucht worden (seit vier Jahren das zweite Mal), durch welche etwa 50 Häuser mit den Zugehörigkeiten verzehrt wurden. Auch der Thurm der Kirche brannte, und es bedurfte der äußersten Anstrengung, um die Kirche zu erhalten. Wie das Feuer ausgekommen, ist noch nicht bekannt. Frankfurt, 22. October. Das „Fr. I." schreibt: Der Senat habe seiner Zeit sowohl dem National- wie dem Reformverein das Domicil in Frankfurt verweigert, obgleich er (der Senat) von Preußen auf diplomatischem Wege angegangen worden sei, e» dem Nationalverein zu gestatten und auch Oesterreich dieselbe Intervention später für den Reformverein versucht habe. Diese diplomatisch« Verwendung für die beiden Vereine hatte der Senat gewiß im Ge dächtnisse, wenn er beiden Vereinen die Abhaltung von Generalver sammlungen ohne Anstand gestattete. — 24. October. Aus guter Quelle kommt der augebüch« Wortlaut der preußischen Depesche an den kSnigl. p^Mchrü