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178« Weder aus Holstein noch aus Preußen sind Dinge von besonderer Wichtigkeit zu melden. In Betreff der Besitzergreifung LauenburgS durch den König hört man, daß dieser Act in der nächsten Session des Landtages demselben in der Form einer Denk schrift vorgelegt werden wird, in welcher neben diesem politischen Act gleichzeitig auch eine genaue Darlegung derjenigen neuen Momente und Phasen erfolgen soll, welche die schleswig-holsteinische Frage seit dem Schluß der letzten Landtagsscssion durchgemacht 'hat. — Der Ministerpräsident v. Bismarck ist nach Paris gegangen und wird von da aus jedenfalls sich nach Biarritz begeben. Man glaubt, daß diese Reise nicht ohne politische Tendenz sei. Bismarck will — so heißt es — Napoleon beschwichtigen, der sich alles Ernstes verletzt fühlen soll und außerdem glaubt man, daß es in der Absicht des Ministers liege, das Terrain zum Zwecke seines weiteren Vorgehens zu fondiren. Der österreichische Botschafter in Rom, Freiherr v. Bach, ist seines Postens enthoben worden. Obgleich man anfänglich ver sicherte, es sei dies auf seinen Wunsch geschehen, stellt sich hinter her heraus, daß er die Entlassung nicht genommen, sondern bekom men hat. Man wird sich erinnern, daß Freiherrn v. Bach beson ders Seitens Frankreichs und Italiens der Vorwurf gemacht wurde, er habe die früheren Verhandlungen Vegezzis mit dem römischen Stuhle durchkreuzt. Gewisser Seits faßt man nun seine Entlas sung als eine Concession Oesterreichs an Frankreich und Italien auf. Zugegeben, daß sein Rücktritt den Wünsche» dieser beiden Mächte entspricht, so dürfte der wahre Grund seiner Entlassung wohl in etwas Anderem zu suchen sein. Freiherr v. Bach war nämlich der entschiedenste Gegner der Magyaren, und es ist darum nichts natürlicher, als daß ein Ministerium Belcredi-Majlath, wel ches die Magyarenherrschaft in Oesterreich zu befestigen sucht, einen Gegner aus dem Sattel hebt, von dessen Raffinerie es allerdings viel zu fürchten hatte. Was übrigens — um an dieser Stelle da von zu sprechen — die Verhandlungen zwischen Italien und Rom betrifft, so wird versichert, daß die Anwesenheit des Deputirten Boggio in Rom die hauptsächlichsten Schwierigkeiten beseitigt habe, an welchen Vegezzi scheiterte. Papst Pius IX. habe eine Garnison italienischer Truppen an Stelle der fran zösischen acceptirt unv es sei ganz sicher, daß die Grundlagen zu einer Verständigung gelegt wären. Demnach würde Herrn v. Bachs Einfluß ohne Resultat auf Boggivs Mission gewesen sein. Wie österreichische Blätter versichern, soll Herr v. Hübner für den Botschafterposten nach Rom bestimmt sein. Herr v. Hübner war bekanntlich Botschafter in Paris, als Napoleon 1859 seine vrhäng- nißvolle Neujahrsgratulation an Oesterreich richtete. In Italien sieht es, wenn man den Versicherungen der ita lienischen Blätter trauen will, ziemlich kriegerisch aus, da Victor Einanuel selbst im Lager zu Somma ganz unverhohlen auf den nahen Krieg hingewiesen haben soll. Der Wiener Correspondent der „Börsenhalle" aber will sogar gewichtige Anzeichen dafür ha ben, daß Frankreich beabsichtige, „Oesterreich die Zeche für die Gasteiner Convention allein bezahlen zu lassen." Dagegen meint man, daß die Aussichten auf eine Besitzergreifung Roms von den Tuilerien aus neuerdings sehr verdüstert worden seien. Das ita lienische Ministerium wäre geradezu dahin bedeutet worden, daß der,Kaiser zuversichtlich darauf rechne, daß in der neuen Kammer der Beschluß, welcher Rom zur Hauptstadt Italiens erklärte, förm lich zurückgenommen oder wenigstens so interpretirt werde, daß er aufhöre, eine Bedrohung für das Papstthum zu sein. Ein gewisses Aufsehen erregt die Enthüllung, daß Ledru Rollin der englischen Regierung die Beweise einer eventuellen Abtretung Piemonts an Frankreich geliefert habe. Man ist nicht abgeneigt, diesem Um stande es zuzuschreiben, daß die englische Flotte in letzter Zeit den italienischen Häfen so fleißige Besuche abstattet. Auch in den französischen Blättern fehlt es in jüngster Zeit nicht an Mahnungen, den Verhandlungen von Gastein endlich eine kriegerische Lösung der deutschen Frage folgen zu lassen. Na mentlich zieht das clerikul-imperialistische Blatt „I^n Liberte" plötzlich die Rede des Kaisers Napoleon vom 5. November 1863 hervor und schließt den betreffenden Alarmartikel mit den feierlichen Worten: Der Vertrag von Gastein erlaubt weder Frankreich noch Europa, länger zu temporisiren; die Rolle Frankreichs darf sich nicht mehr darauf beschränken, unfruchtbare Protestation zu erheben; die Umstände sind endlich derart, daß die Frage nicht anders liegt als so: „Der Congreß oder der Krieg." — Wie wenig indeß auf dergleichen Radomontaden zu geben ist, zeigt andererseits die Ver- sicherung, daß der preußische Gesandte sich der zuvorkommendsten Behandlung seitens des Kaiserpaares erfreue. Der in Straßburg erscheinende „Niederrheinische Courier" bringt die Ott-Eulenburg-Angelegenheit wieder zur Sprache. Wie steht es damit? fragt das Blatt und fügt hinzu, daß die Aufregung im Elsaß keineswegs, seitdem weniger über diese Sache in der OeffenUichkeit verhandelt werde, nachgelassen habe. Im Gegentheil j täglich liefen Briefe und Adressen hierüber in Straßburg ein. Die Petition an den Senat habe bereits neue 10,000 Unterschriften, im Ganzen bis jetzt also 20,000 Unterschriften erhalten. Auch der Progres in Lyon spricht sich wieder in Betreff dieser Angelegenheit in sehr heftiger Weise gegen die preußische Regierung an». Die russische Presse kann ebenfalls nicht umhin, lebhaften Unmuth gegen jeden preußischen Machtzuwachs kundzugeben. Die Entwickelung einer neuen Marine auf der Ostsee hält sie für so bedrohlich, daß aus dieser Gefahr die Gründe für eine rasche Ruf- sificirung der baltischen Provinzen, in welcher allein ein Gegen gewicht gefunden werden könne, hergeleitet werden. Selbst die „Russische Correspondenz", eine der Negierung nahe stehende Litho graphie, äußert sich in folgender Weise: - „Wenn gewisse Blätter noch heute naiver Weise von einer ent- giltigen Regelung des Schicksals der Herzogthümer in Uebereinstimmung mit dem Recht und den Wünschen der Bevölkerung spreche«, so dürften sie selbst verblendet sein und, was schlimmer ist, die kleinen Staaten über ihre wahren Interessen täuschen und ihre Wachsamkeit lähmen, Der Gasteiner Vertrag ist ein provisorisches Abkommen, heißt es. Allerdings hat sich Preußen vorläufig mit Schleswig und Oesterreich mit Holstein begnügt. Aber da es in Oesterreichs Interesse liegt, seine Besitzung abzutreten und Preußen die Mittel besitzt, sie zu erwerben, so ist ein Abkommen zwischen den beiden deutschen Großmächten unver meidlich, und es wird erfolgen, gegen die Einsprache des deutschen Bundestages. Man lese nur die Proclamation des Generals v. Gablenz in Kiel und die des Generals v. Manteuffel in Schleswig, und man wird schon im Tone beider Schriftstücke einen bedeutenden Unterschied finden. Während das erste nichts in Bezug auf die Zukunft bestimmt und der Bevölkerung die Vortheile des Selfgovernment in Aussicht stellt, ist das zweite eine vollkommene Besitzergreifung im Namen des Königs von Preußen. Dieses besitzt also von jetzt an Schleswig wirk lich und wird auch bald zum großen Nachtheil "der kleine« Staaten Holstein besitzen. Ja noch mehr, es wird diese dahin bringen, zu seiner Größe mit beizutragen. Es bedarf nur des Zauberwortes einer deutschen Flotte, um in naher Zukunft im Kieler Bundcshasen eine Bundesflotte zu versammeln. Das ist der provisorische Gasteiner Vertrag! Wer sich nicht täuschen will, begreift die Bedeutung eines Bundeshasens in den Händen Preußens und einer Bundesflotte unter seinem Commando. Er wird in diesen politischen Schritten, die mit um die Mittel wenig besorgter Zähigkeit dasselbe Ziel erstreben, einen neuen Akt des Drama's erblicken, das Preußen seit lange in Scene setzt." Die „Russ. Corresp." spricht schließlich die Hoffnung aus, daß Preußen und Oesterreich denn doch zuletzt nicht allein daö entschei dende Wort sprechen, sondern der Bundestag zu der ihm gebühren den Geltung gelangen werde. Aus Griechenland meldet man wieder von einer Verschwö rung zu Gunsten der entthronten Dynastie. Doch scheint die Ge fahr keine große zu sein, da die Conspiration keine Anhänger in der Armee haben soll. Der Proceß gegen den Gefangenwärter Wirtz nimmt augen blicklich in Amerika, und wohl kann man sagen, in der ganzen gebildeten Welt, die Aufmerksamkeit in Anspruch. Sachsen. Freiberg, den 26. September 1865. s17. öffentliche Sitzung der Stadtverordneten, j Gegenstand der Tages ordnung war außer zwei Bürgerrechtsvorbehaltsgesuchen, welche vom Collegium genehmigt wurden, der den Umbau des Kaufhauses be treffende Rathsbeschluß. Vor ungefähr einem Jahre war vom Stadtrathe und der Stadtverordnetenschaft eine gemeinschaftliche Deputation erwählt worden, welche die Frage eines Umbaues des Kaufhauses vorbe- rathen sollte. Das Resultat dieser Deputationsberathungen hatte Herr Bürgermeister Clauß, ein Mitglied jener Deputation, in einem an den Stadtrath gerichteten schriftlichen Vortrage niedergelegt. Dieser Vortrag bildet die Grundlage des heute vorliegenden Rathsbeschlusses. Der wesentliche Inhalt des Vortrags ist folgender: Die Deputation erachtet 1) einen nicht unwesentlichen Correcturbau des Kaufhauses für nöthig, wie sie auch 2) die Erhaltung der Lokalitäten des Kaufhauses und namentlich die der ersten Etage für allgemeine öffentliche Zwecke (für größere Aus-und Schaustellungen, für Versammlungen größerer wissenschaftlicher und geselliger Vereine, für bedeutendere Concerte, für allgemeine Festlichkeiten bei besonderen Veran lassungen und dergl.), sowie deren zeitgemäße Einrichtung unh, Wiederherstellung als ein Bedürfniß für die Stadt Freiberg ansieht. Dagegen schlägt