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Tageblatt Amtsblatt des Kgl. Bezirksgericht- zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. Ptkl- vierteljährl. 20 Ngr. Jnsnatt ««den dir gespaltmt Zeile oder derm I Raum mit 8 Pf. berechnet. ^-23« Dienstag, den 3. October Srscheint jedm Wochentag früh 0 U. Inserate werden bi» Nachm. Z Uhr für die nächste Nr. angenommen. -i- Freiberg, 2. October 1865. Unserer heutigen Uebersicht schicken wir einige Worte über sächsische Verhältnisse voran, welche sich auf die Mittheilung unsere- Dresdner Correspondenten über die am 27. September stattgefundene Sitzung der dortigen Mitglieder des National-VereinS beziehen. Wir haben das übrigen- ganz objectio gehaltene Referat wörtlich zum Abdruck gebracht, ohne damit in allen Punkten unser Einverständniß auszusprechen, heben sogar ausdrücklich noch hervor, daß uns die am Schluffe desselben über den „verfassungsmäßigen Rechtszustand" in Sachsen gethane Aeßerung ebenso ungerecht al» unzeitgemäß erscheint. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, ob die gegenwärtige Verfassung zu Recht oder Unrecht besteht, denn jedes Eingehen auf diese Frage würde dieselbe al« eine „offene" charakterisiren, während dieselbe bereits auf legalem Wege durch die zweite Kammer ihre Erledigung gefunden hat. Darum halten wir die Aeußerung für ungerecht. Aber sie ist auch unzeitgemäß. In der deutschen Geschichte hat es selten Perioden gegeben, wo ein inniges Zusammenhalten der Völker und Fürsten nothwendiger gewesen wäre, als gerade jetzt. Je mehr man die Baaden lockert, welche in den Mittelstaaten Fürst und Volk verbinden, desto mehr arbeitet man dem Bismarck'schen Ver- gewalt'gungSsystem in die Hände, welches ohnehin wie ein Damokles schwert über unsern Häuptern hängt. Und es werden doch wohl die Mitglieder de- National-VereinS zugeben, daß durch Debatten, wie sie jüngst in Dresden geführt, nicht die Eintracht, sondern die Zwietracht befördert werde. Oder sehnen sich die Herren vielleicht nach preußischen Zuständen? Wir meinen, man sollte Gott danken, von denselben verschont zu sein; wir meinen auch, daß die Sucht nach Großstaaterei wohl in manchen Köpfen spuken mag, nimmermehr aber in der großen Masse unseres Volkes. Trotz de» Kleinstaates erfreuen wir un» eine» blühenden Wohlstandes, geringer Steuern und guter Finanzen. Das sind drei Dinge, die vereint niemals in Großstaaten anzutreffen sind, von deren Vor handensein bei uns sich aber Jeder, der mit offenen Augen das Land durchwandert, überzeugen kann. Wir befinden uns um so woyler dabei in dem Bewußtsein, bei aller Sorge für unser materielles Wohl niemals die höheren Staats« und Culturzwecke vernachlässigt oder die Pflichten gegen da- Gesammtvaterland verabsäumt zu haben. Gerade den materiellen Wohlstand des Staate- und seiner Bürger aber halten wir für das erste und unerläßlichste Element seiner Macht und Stärke, weil er die Mittel bietet zur Förderung und Wahrung aller patriotischen Zwecke und geistigen, moralischen und politischen Interessen. Und hat Sachsen diese Zwecke bisher nicht gefördert? Haben unsere Fürsten dazu nicht redlich das Ihre beigetragen? Besser als jede andere Antwort citiren wir die Worte Sr. Majestät de» Königs Johann, die er in Pillnitz am 7. Juni dieses Jahre» an die um ihn versammelten Gäste richtete, indem er sagte: „Durch das väterliche Walten König Friedrich Augusts, durch die weisen, jeden echten Fortschritt fördernden Regierungen seiner beiden Nachfolger Anton und Friedrich August II. wurden nicht nur die Wunden des Landes geheilt, es erhob sich auch Sachsen zu einem bis dahin nicht gekannten Grade de» Wohlstandes. Der Name Sachsen blieb geehrt in allen deutschen Gauen und unverändert dauert das heilige Band der Liebe zwischen Volk und Königs haus und hat sich noch in den letzten Tagen, alsGott un» eine Gnade durch die Geburt eines Prinzen er wies, aufs Schönste bewährt." — Gewiß ein Wort, in welche« jeder Sachse mit vollem Herzen einstimmen kann. — Wir glauben damit, da- „Unzeitgemäße" wie da» „Ungerechte" derartiger Aeußerungen, wie sie im National-Verein zu Dresden gefallen, dargethan zu haben und können nur in Hinsicht auf die gegenwärtige Situation Deutschlands allen unsern Landsleuten zurufen: Seid einig, einig, einig! Der neue Statthalter von Schleswig, General v. Manteuffel, hat vor einigen Tagen in Flensburg eine Ansprache an die schles- wig'schen Beamten gehalten, die um deswillen Interesse für un» hat, weil sie unverkennbar eine Wandelung in den Anschauungen des Generals dpcumentirt. Er demetitirt in derselben auf da allerentschiedenste die Gerüchte von einer beabsichtigten Abtretung Nordschleswigs an Dänemark, und verspricht, jede 7 Fuß Erde nsit seinem Leibe decken zu wollen; er hebt ferner ausdrücklich hervor, daß die jetzige Trennung der Verwaltung nur eine provi sorische sein soll, und daß die Zusammengehörigkeit von Schles wig-Holstein in keiner Weise durch den Gasteiner Vertrag alterirt sei; endlich spricht er zwar nicht von einer bevorstehenden Berufung der Landesvertretung, aber er nennt sie einen Factor, der ' zum Wohle der Herzogthümer unumgänglich nothwendig sei, und weiset die Beamten auf das erhebende Gefühl hin, wenn die legale Landesvertretung ihren Beifall zur Wirksamkeit derselben aussprechen werde. Vergleicht man mit dieser Flensburger Red? die früher in Kiel gehaltene, in welcher an Stelle der „schwarz-roth-goldenen" Tricolore die „schwarz-weiß-gelbe" treten mußte, so wird man un schwer einsehen, daß der General zu der Ueberzeugung gekommen, wie nöthig es sei, den unangenehmen Eindruck seiner ersten Rede abzuschwächen, und wie die Beförderung der öffentlichen Ordnung nicht hinreiche, um die Sympathie eines Volkes zu gewinnen, welches mit Widerwillen der aufgezwungenen Herrschaft gegenüber steht, sondern daß man vor allen Dingen auch in der Form Alle- ver meiden muß, was das Volk verletzen kann. Wenn wir auch ebenso wenig begreifen, warum die Erde, welche der General mit seinem Leibe decken will, bevor sie abgetreten werde, gerade sieben Fuß lang sein muß, nicht mehr, nicht weniger, als wir einzusehen ver mögen, weshalb die schleöwig'schen Beamten wissen sollen, „wie e» in seinen innersten Eingeweiden aussieht", so acceptiren wir besten», was er über die Landesvertretung sagt und wollen nur wünschen, daß die Zeit nicht mehr fern sei, wo in maßgebenden Kreisen sich auch über die preußische Landesvertretung solche Anschauungen ver breiten werden. Aus einer Stelle der Rede scheint hervorzugehen, als wolle der General seine Worte über die neue Tricolore „Schwarz- weiß-gelb", die wohl in keinem Lager Anklang gefunden, berichtigen; er meint: durch die Presse wurden einzelne Sätze der Rede au» dem Zusammenhänge herausgerissen und oft in einem andern Sinne kritisirt, als sie gesprochen waren. Mag sein — nur sind die Reden mitunter so deutlich, daß sie nicht mißverstanden werden können und zu diesen gehört sicherlich auch die Rede über die neue Trieolore. Von besonderer Wichtigkeit aber, zumal für« Ausland, ist, daß der General mit Entschiedenheit jeden Gedanken der Abtretung Nordschleswigs zurückweist, ja einen solchen Gedanken fast „Landesverrath gegen Schleswig-Holstein" nennt. Das sieht ja ganz so aus, wie eine gar nicht mißzuverstehende Antwort auf die französische Circular-Depesche und ebenso faßt man die beschleunigte Herstellung von Befestigungen im Sundewitt und auf Alfen als eine indirecte Antwort Preußens auf die westmächtlichen Ein- mischungSgelüste auf. Dies Alles würde sich den in neuester Zeit aufgetauchten Gerüchten anpaffen, nach denen die Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen nicht mehr so freundschaftlich seien, als früher. Von Beachtung ist in dieser Beziehung ein Artikel de- österr. „Wanderer", welcher von einer in San-Sebastian ab geschlossenen Allianz der vier katholisch-romanischen Mächte Frankreich, Italien, Spanien und Portugal spricht. Freilich bi» ^etzt nur Gerüchte, deren Bestätigung abzuwartrn ist. —