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——— —— 'M Finanzgesetz fortmarschiren werden, denn im Grunde genommen marschiren wir faktisch schon seit Beginn de« Jahies ohne Finanz- gesetz. Wie die Dinge sonst verlaufen werden, darüber hat zur Siunde kaum Jemand eine Verstellung. Man muß sich fragen: Was wird geschehen, wenn das Haus wirklich daS Budget im Sinne des Finanzausschusses reducirt? Wird das Ministerium Schmerling zurückNelen? Oder wird man daS Abgeordnetenhaus auflösen? Nach constilutioncllen Begriffen sollte man meinen, eines von beiden müsse geschehen. ES g edl aber gleichwohl noch ei» Drittes. DaS Ministerium, so boffeo seine Anhänger, wird nunmehr alle Hebel in Bewegung setzen, um ene, wenn auch noch so Keine Majorität iin Hause für sich zu schaffen. DaS ist immerhin möglich. Hat eS doch auch in der schleewig-boistemischen Frage, die sich nun in so merkwürdiger Weise entwickelt, eine Majorität zusammengebracht, welche die nämliche Politik billigte, die jetzt solch eine glänzende Niederlage erlebt. Aber wahrscheinlich ist der Fall doch nicht. Wenn selbst eine Majorität fick einstellt, die das Mim.-ermm zu stützen unternimmt — die Erwartungen des letzteren erfüllen kann sie nimmermehr. Es wird stets eine solche Differenz zwischen den Forderungen der Regierung und den Forderungen selbst dieser Majorität bestehen, daß eine, beide Theile befriedigende Lösung des Conflicts kaum denkbar ist. Inzwischen ist die Opposition des Abgeordnetenhauses, deren Führer im Finanzausschüsse sitzen, im höchsten Grade und zwar in dem Maße populär geworden, als die Unpopularität des Mannes gestiegen ist, der die Februarverfassung geschaffen hat. Das Volk, das Herrn v. Schmerling auf seinen Posten in der Erwartung geiragen hat, daß er das erschütterte Reich verjüngen und den liberalen Principien zum Durchbruche Verbelfen werke, sieht nun in Herrn v. Schmerling einen Mann vor sich, der als Vorkämpfer des Conservatismus die Forderungen des Liberalismus von sich weist, der nichts davon wissen will, daß den finanziellen Nöthen des Reiches Rechnung getragen werde. Man Hal der Opposition im österreichischen Abgeordnetenhause lange genug und nicht ganz mit Unrecht den Vorwurf gemacht, sie wisse nicht, was sie eigentlich wolle. Den Vorwurf kann ihr heule Niemand mehr machen, denn sie weiß nunmehr, was sie will Sie will keinen Schein-Constitutionalismus und darum arbeitet sie mit allen Kräften — traurig, aber wahr! — an dem Sturze des Herrn von Schmerling. Bleibt Herr v. Schmerling trotzdem noch im Amte, dann müssen wir die Auflösung dieses Abgeordnetenhauses erleben, noch bevor diese Session zu Ende geht, denn der Riß, wie er jetzt besteht, ist nicht mehr heilbar. Wie wenig Herr von Schmerling an eine Aenderung seiner Politik denkt, das hat seine Beantwortung der Giskra'schen Interpellation in Betreff des galizischen Belagerungs zustandes bewiesen. Nach wie vor hält Herr von Schmerling an der Theorie fest, daß das, was auf Grund des Z. 13 der Verfassung in Abwesenheit des Reichsrathes von Seiten des Ministeriums ge schieht, einer nachträglichen Rechtfertigung vor dem Reichsrathe nicht berarf, eine Theorie, die zur Folge hat, daß wir in Abwesenheit des Reichsrathes förmlich absolutistisch regiert werden. Das wird denn doch selbst den Ministeriellen im Abgeordnetenhause zu stark. Um Ler Gefahr, die in jener Theorie liegt, zu begegnen, beantwortete ein großer Theil des Hauses (etliche 60 von 130 bis 140 Abge ordneten) die heutige Interpellations-Beantwortung des Herrn von Schmerling mit dem Anträge aufverfassungsmäßigeErläute- rung des tz. 13 dahin, daß jede, auf Grund dieses Paragraphen erlassene, gesetzliche Anordnung außer Wirksamkeit zu treten habe, wenn sie nicht die Genehmigung des nach Erlassung versammelten Reichsrathes erhält. Das heißt zu deutsch: Farbe bekennen! Hat das Ministerium auch nur einen Funken constitutionellen Geistes in sich, dann darf es diesen Antrag nicht abweiseu. Weist es ihn ab, dann weiß Oesterreich, dann weiß die Welt, was sie von dem Con- stitutionatismus in Oesterreich zu halten hat!" In der Sckwnz erhält man von der deutschen Einheit wieder einmal recht erbauliche Proben. Es ist bekannt, daß die Bodensee- gürtclbahn unter die fühlbarsten Bedürfnisse gehört und daß sowohl die Schweiz, als auch Oesterreich zu ihrer Herstellung bereit sind. Jndcß Bayern sagt: „Nein", und auch Würtemberg möchte einen Theil von dem Profil des Unternehmens für sich haben. Ueber diesen kleinlichen Zänkereien vergeht die Zeit und der gehoffte Profit geht Einem so gut wie dem Anderen verloren. — Für die Ench- clica, welche in Bern und Genf unbehindert verlesen worden ist, kann der Bischof von Freiburg das erforderliche Pmcet in der Waadt nicht erlangen; auch in Aargau wurde die Bekanntmachung des Syllabus nicht gestattet, da, wie es in dem Verbote beißt, die Veröffentlichung einer solchen Auslassung, welche die Hälfte der Bevöikerung der Vrrdammniß weihe, nicht am Platze sei. In Italien erwartet man, daß am 14. d. M., dem doppelten Geburtstage des Königs und des Prinzen Humbert, eine allgemeine Amnestie für die Verurtheilten von Aspromonte erlassen wird. Wie es heißt, beabsichtigt der König nicht mehr nach Turin zurückzukehren, sondern mit dem Unterrichtsminister -ald nach Florenz zu gehen. Der Syndikus von Turin, Marchese Rora, der bekanntlich seine ' Entlassung eingereicht hatte, hat dieselbe auf Einladung des König- Wieder zürückgenommen. Die seit der Ankunft des Königs in Turm unterbrochenen Sitzungen der Deputirtenkammer sollten am 6. März wieder beginnen. Der Unterrichtsminisler, Baron Natoli, hat dem Könige ein Deeret unterbreitet, welches den Rektoren der Umversi- tälen und den Vorstehern der höheren Unterrichtsanstalten Befugnisse eriheilt, die bisher nur dem Minister zustanden. Dadurch wird die Verwaltung des Unterrichtswesens vereinfacht und erleichtert. Aehn- liche Befugnisse werken den Präfecten, den Präsidenten der Pro- vinzialschulräthe, dem königlichen Studienrathe und den Schulinspek toren in den sicilianischen Provinzen erthellt werken. Man meint daß diese Maßregeln mit dem widerspenstigen Benehmen des Linus gegen die neuen Schulverordnungen in Verbindung stehen, und e» ist damit dem allgemein ausgesprochenen Wunsche, daß die lokalen Schulbehörden einen freieren Wirkungskreis in der Schulangelegen heit erhalten möchten, Rechnung getragen. In Frankreich ist es vor Allem der Bericht des Unterrichts ministers über den Zustand des Elementarunterrichts während de- Jahres 1863, welcher das größte Interesse beansprucht. Gleich im ersten Abschnitt ist eine statistische Zusammenstellung gegeben, der zufolge in Frankreich im Jahre 1832: 59 Schulkinder auf 1000 Einwohner, im Jahre 1847 : 99„, im Jahre 1863: 116 kamen. Der Fortschritt war also während der Juli-Monarchie viel größer, als später. Der Minister erklärt dies daraus, daß die dem Gesetze von 1833 folgende Zeit die „Periode der Schöpfung" gewesen sei: — eine offenbare Bemäntelung des wahren Grundes. Heute sind noch 818 Gemeinden ohne Schule; von den 4,018,427 Kindern zwischen 7 und 13 Jahren, die es im Jahre 1863 gab, besuchten nur 3,133,540 die Schule; — Deficit: 884,887. — 200,000 Knaben zwischen 8 und 11 Jahren haben keine Schulen besucht.— Diese beträchtliche Anzahl derer, welche überhaupt nicht in die Schule gehen, und weiter die große Zahl derjenigen, welche zwar die Schule besuchen, aber zu kurze Zeit und ohne Erfolg, ergiebt, daß 40 Procent der Jugend ohne gehörigen Elementarunterricht bleiben. Daher wußten im Jahre 1862 von 100 Rekruten 27, von I00 Männern, die sich verheiratheten, 28, von 100 Frauen, Lie sich verheiratdeten, 43 nicht zu lesen. Auch hier finden wir ein Wachsthum zum Besseren vou 15 Procent während der Jahre 1830 — 48, dagegen von nur l'/? Procent von 1848 — 63. Die furchtbaren Consequenzcn dieses schlechten Zustandes des Unterrichts ergeben sich einfach aus der Thatsache, daß, wie es aus den amt lichen Aufstellungen hervorgeht, von 100 Angeklagten 81 keinen Schulunterricht empfangen haben. In Spanien fürchtet man, daß der Finanzminister, Herr Alexander Castro, im Falle.die Negociirung der Schatzbillets nicht die gewünschten Resultate ergeben sollte, sich zu gewaltsamen Maß regeln genöthigt sehen könnte. Herr Castro hat jedoch erkläxt, daß er ohne vorgängige Genehmigung der Kammern und ohne sich der größten Publicität zu bedienen, in keiner Weise entscheidende Schritte thun werke. — Die- Commission, welche von der Deputirtenkammer damit beauftragt war, hat der Königin am 1. d. Bk. die Antwort auf die Thonrede überreicht. Belda, der erste Vicepräsident, der an der Spitze der Commission stand, las dieselbe der Königin vor, die in der schmeichelhaftesten Art für die Vertreter des Landes antwortete. . Taoesgeschichte. Berlin, 11. März. Die „Berliner Gerichts-Zeitung" vom 16. Febr. enthielt eine äußerst rührende Erzählung von dem Be such des Königs von Preußen bei einem Soldaten, welcher im dänischen Kriege beide Arme und Beine verloren haben sollte und dem König auf die Frage, was er für ihn thun könne, geantwortet: „Majestät, lassen Sie mich todtschießen", worauf der König sich abdrehte und dazu weinte. Die „Voß'sche Zeitung" erklärt jetzt, daß diese Erzählung jeder thatsächlichen Grundlage entbehre. Der Fall einer solchen Verstümmelung sei überhaupt nicht vorgekommen, auch habe eine Unterredung des Königs mit irgend einem andern Verwundeten in der in jener Mittheilung geschilderten Weise nirgends stattgefunden. Die „Gerichtszeitung" erklärt nun: da ihr jene Nachricht von Leuten zugekommen, die selbst bei der Unter stützung und Verpflegung der Verwundeten eine hervorragende Rollt gespielt haben, so.bleibe ihr nur die Annahme übrig, daß die Herren zur bessern Erreichung ihrer an sich sehr anerkennungS- wcrthen Unterslützungszwecke in „patriotischer" Excentricität selbst vor Ler Duprrung eines Organs der Oeffentlichkeit nicht zurück schrecken, um das öffentliche Mitleid für neue Spenden in neue Anregung zu bringen. „Solcher krummen Wege bedarf es bei einer guten Sache nicht, und die fraglichen Herren dürfen sich nicht wundern, wenn wir ihnen zu ihren patriotischen Zwecken ferner