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-—- 1464 scheu Burschenschaft. Namentlich gab er der gewöhnlichen Trauer der alten Burschen über die Trennung der 'dereinst allgemeinen Burschenschaften in verschiedene Burschenschaften einen vielleicht zu herben, aber zu Herzen dringenden Ausdruck, der lauten Beifall der alten Burschenschafter hervorrief. „Versöhnen! vergessen!" rief er, an ein Wort des alten Scheidler auf dem Wartburgfeste erin nernd, den jungen Burschenschaftern zu: „Versöhnen! vergessen! war die Losung, mit der der erste Burschentag die Burschenschaft begründete. Versöhnen! vergessen! rufen noch heute wir Alten Euch Jungen zu. Reißt heraus aus Euren Herzen den Geist der Son derbündelei, werft sie weit weg von Euch die Zeichen, Fahnen und Bänder der Zersplitterung, auf daß Ihr der Welt, den Feinden deutscher Einheit und Größe nicht das mit freudigem Hohn be grüßte Aergerniß gebt, im Namen der Einheit, im Namen der Bur- schenschaft die Zersplitterung zu verewigen." Venedey erinnerte an die Demagogen-Verfolgungen, an den Triumph der deutschen Fahne in dem großen Jahre 1848, an die Senkung der Trikolore in Folge des Rückschlages von 1849. „Aber", fuhr Venedey fort, „darf es unsere Zuversicht stören, daß viele von denen, die 1849 für die schwarz-roth-goldene-Fahne, für die Einheit Deutschlands, sein Par lament, seine Verfassung einstanden, ihren Bestrebungen zum Opfer fielen? Haben wir es nicht erlebt, wie die Verfolgungen der Bur schenschaft das läuternde Feuer wurden, aus dem die Sache der Burschenschaft reiner, größer, gewaltiger hervorging? Und haben wir es denn nicht eben wieder erlebt, daß das kleine Häuflein der Besiegten, Verbannten von Amerika, den Sieg der Republik, den Sieg der Menschenfreiheit über die Sclaverei erringen half? Ist nicht dieser Sieg, das Mark der ganzen Welt durchschüttelnd, auch ein Sieg der Freiheit, der Einheit, der Menschenveredelung in ganz Europa, in Deutschland vor Allem? Die Besiegten, die Vernich teten von 1849, sie haben die Siegesfahnen der amerikanischen Union in allen Schlachten aufrecht erdalten. Und nicht wenig von dem Glanze, den sie dem amerikanischen Sternenbanner erringen halfen, fällt von der deutschen Hand, die ihn in Amerika erringen geholfen hat, auf die deutsche Fahne, die zeitweilig ihrer Hand ent fallen war." — Stürmischer Jubel empfing diese Worte und ein tausendstimmiges Echo antwortete dem Lebehoch auf das einige, mächtige, in Ehren, Zucht, Ordnung und Freiheit große und ge waltige Deutschland. Ein alter Burschenschafter brachte ein Hoch auf den Festredner aus, das jubelnd acceptirt wurde. Der Festzug bewegte sich hierauf zur Festhalle, wo das Festmahl stattfinden sollte, dessen Beschreibung wir später bringen werden. — Folgen den Festgruß hat der edle deutsche Dichter Mosen von seinem Kran kenlager eiugesandt: „Alle, die seit manchen Jahren Treue Kampfgenossen waren, Nuf ich heut' zur Fahnenwacht, Allen, die in Gottesfrieden Sind vor uns dahingeschieden, Eine herzlich „gute Nacht." Aber Allen, die noch leben, Tapfer kämpfen, muthig streben, Sei ein „Lebe hoch" gebracht." Mecklenburg-Schwerin, 15. August. Unser durch den „Ro stocker Hochverraths-Proceß" bekannter Justizminister v. Schröter ist nach kurzer Krankheit gestorben. Sein letzter amtlicher Act hat dem Vernehmen nach darin bestanden, daß er gegen das Mitglied des Lesecomites der „Societät", welches das confiscirte „Wochen blatt des Nationalvereins" ausgelegt, und gegen den Buchhändler, welcher dasselbe geliefert hat, die Einleitung einer Untersuchung und Bestrafung beim Rostocker Magistrat beantragt hat. Herr v. Schrö ter gehörte zu dem Restaurationsministerium, welches das conslitu- tionelle Staatsgrundgesetz widerrechtlich beseitigte und die feudale Verfassung wieder einführte. Was er gegen das Land verschuldet hat, wird er jetzt vor einem höheren Richter zu verantworten ha ben. Die „Kreuzztg." hat nun zwar für den Verstorbenen sehr schöne Worte und schließt den Nekrolog mit den Worten: „Sein Andenken bleibe in Segen." Die „Volksztg." antwortet jedoch da rauf: „Umgekehrt." Die „Kreuzztg!" sagt von dem Verstorbenen, er fei wahrhaft human gegen Jedermann gewesen, ohne irgendwelche engherzige Beschränkung oder Ausschließung. Darauf erwidern wir: „Das ist eine Lüge!" Lest das Buch: „44 Monate Untersu chungshaft." Pari-, 15. Aug. (K. Z.) Das Napoleonsfest hat in diesem Jahre einen ziemlich traurigen Verlauf, wozu noch kommt, daß der Kaiser abwesend ist. Obgleich der Himmel heute Morgen zwischen 4 und 6 Uhr ganz günstig d'reinschaute, so regnete es bis 3 Uhr Nachmittags doch ziemlich stark und sah es seit Morgens 10 Uhr bereits sehr wässerig aus. Trotz des schlechten Wetters wurde das Programm bis jetzt aber doch vollständig ausgeführt. Man feierte um 12 Uhr Mittags in allen Kirchen von Paris (natürlich auch in denen des übrigen Frankreich) das übliche Tedeum. In der Notre-Dame-Kirche war die ganze officielle Welt versammelt. Der Erzbischof von Pari« stand der kirchlichen Feierlichkeit vor. Soldaten und Nationalgarden versahen außen und innen den Dienst. Um 12 Uhr begann da« Schifferstechen auf der Seine. Um 1 Uhr begannen die Freitheater. Wie gewöhnlich war der Zudrang zu denselben sehr groß upd Tausende mußten abgewiesen werden. Mit Ausnahme des Vaudevilles boten die Vorstellungen, die man gab, nichts Besonderes dar. Die Vorstellung im Vaudeville war aber von großem Interesse: Es wurden nämlich dort die „veux sveurs" von Emil de Girardin gegeben, und nachdem das Stück von dem gewöhnlichen Publikum dieses Theaters so ordentlich und nach Herzenslust ausgepfiffen worden, war man sehr begierig, wie das Volk dieses Stück heute aufnehmen werde. Emil de Girardin kann mit der Aufnahme, die seinem Stücke geworden, jedenfalls zufrieden sein. Als der Vorhang fiel, rief man mit Ungestüm: Vivo Lirarüin! Vivo Lmile! Cherburg, 14. August. Bezüglich des Flottenfestes, welche» heute seinen Anfag nimmt, läßt sich die „K. Z." schreiben: Auf der Rhede liegen folgende französische Schiffe: „Magnets", Zwei decker, Capitän Le Bris; „Flandre", Fregatte, Cap. Baehme; „Heroine", Fregatte, Cap. Sagot-Duvauroux; „La Forte", UebungS« schiff, Cap. Jaffrerio; „La Reine Hortense", Cap. Charlemagne, Flaggenschiff des Kriegsministers; „L'Aigle", Uebungsbrigg; außer dem zwei Avisos und ein Transportschiff. Den Befehl führt der Contreadmiral La Ronciere Le Noury, dessen Flagge an Bord der „Magneta". Die Flotte wird bis zum 18. d. M. hier bleiben und sich dann nach Brest begeben, wo sie zwei bis drei Tage bleiben soll. Der Prinz von Wales begleitet die Flotte auf seiner Dacht „Dagmar". — Der französische Kriegsminister ist heute früh hier angekommen und hat den Grundstein zu dem neuen Marinelazareth gelegt. Die Rhede ist mit Schiffen aller Art bedeckt, und viele sind auf die offene See hinausgefahren, um dort die Ankunft der Flotte zu erwarten. Der französische Marineminister, Chasseloup- Laubat, ist eingetroffen und befindet sich an Bord der „Reine Hortense". Die Zahl der Fremden hat sich seit gestern noch be deutend vermehrt. Aus Paris trafen allein über 10,000 Menschen ein. Die englische Flotte, welche um 3 Uhr erwartet wurde, war nach '/,4 Uhr noch nicht in Sicht. — In Nachstehendem geben wir das Programm des Flottenfestes: „Erster Tag. Montag, 14. Aug. Ankunft der englischen Flotte, sowie der Jachten der verschiedenen englischen Clubs. 8 Uhr Zapfenstreich mit Fackeln. Zweiter Tag. 15. August. Beim Sonnenaufgang 21 Kanonenschüsse dürch dis Batterien der Landtruppen. 8 Uhr. Neue Salve, von dey Batterien der Marine und den Kriegsschiffen abgefeuert. 12 Uhr. Militärische Messe in der Dreieinigkeitskirche. Nach der Ceremonie große Revue über die See- und Landtruppen. Zwei Freivor stellungen im Theater. Um 3 Uhr öffentliche Spiele auf den» Platze Divette. Beim Untergange der Sonne neue Salven.' Jlly« mination der öffentlichen Gebäude und der Rhede. Die Bewohnet der Stadt sind aufgefordert, ihre Häuser zu schmücken und jlf illuminiren. Feuerwerk auf der Rhede. Dritter Tag. 16. Aug. 2 Uhr. Schifferstechen der Schiffe aller Nationen. Illumination der öffentlichen Gebäude und der Rhede. Vierter Tag, Donners tag, 17. August. Um 2 Uhr mit Unterstützung der kaiserl. Marine Seefest in dem Bassin-du-Commerce. Illumination des Stadthause- und des Paradeplatzes. Großer Ball im Stadthause, welchen die Stadt, die Armee und die Marine den Herren Offizieren Ihrer britischen Majestät giebt. Am 18. August. Abfahrt der Flotten." London, 14. August. (E. C.) Heute segelt die britisch; Canalflotte unter Admiral Dacres von Portsmouth zur „inter nationalen Seeparade" nach Cherbourg. Die englische Admiralität, d. h. das Märineministerium, begleitet diese freundschaftliche Expe dition an Bord der Jacht „Osborne", und den englischen Offiziers frauen, welche die Festlichkeiten an der französischen Küste mitmachen wollen, ist die Jacht „Enchentreß" zur Verfügung gestellt. — Die Aufregung, welche die neueste Phase des österreichisch preußischen Conflictes auch in England hervorgerufen hat, wird von der „Engl. Correspondenz", die natürlich von der Wendung noch nicht unterrichtet war, welche diese Angelegenheit in den letzten Ta gen zum Bessern genommen, in folgender Weise geschildert: ffs giebt eine Menge von Leuten in England, die jetzt täglich mit den ver schiedensten Mienen, bald mit Bcsorgniß, bald mit Freude, Spott oder einfacher Neugier, fragen: Glauben Sie wirklich, daß es zum Kriege kommt? Marschiren die Preußen schon? Denken Sie nicht, daß die österreichische Armee sie in die Pfanne hauen wird? Und waS wird L. Napoleon thun? Ist es nicht eine Schmach und Schande, daß wegen dieser jämmerlichen Herzogthümergeschichte die Ruhe Eu ropas gestört werden soll? Andere wieder sagen: Alles Comödie, abgekartet zwischen Wien und Berlin, um die Deutschen zu unter halten und die Großmächte hinter'« Licht zu führen.