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Tageblatt. Amtsblatt -e« Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträcht zu Freiberg, Sayda u. Brand. 187. Erscheint jeden Wochentag stütz 8 U. Inserate werden bis Nachm. 3 Utzr für die nächste Nr. angenommen. Montag, den 14. August Prei» »terteljShrl. rv Ngr. Inserate werdm die gespaltene Zeile oder deren Raum mit S Pf. berechnet. 1883. -t- Zur Situation. Krieg oder Frieden? Das ist das Thema, welches jetzt die Gemüther in Deutschland beschäftigt. Der Conflict zwischen Preu ßen und Oesterreich ist zu einer Schärfe gediehen, die kaum eine andere Lösung als durchs Schwert zuläßt. Preußen beharrt fest und steif auf seinen Forderungen, Oesterreich ebenso fest und steif auf dem entgegengesetzten Standpunkte, darum muß es zu einer endlichen Entscheidung durch Blut und Eisen kommen. So hört man allerwärtS äußern. — Wir sind anderer Meinung und »vollen sie unsern Lesern nicht zurückhalten. Oesterreich und Preußen haben beide vollen Grund, einen offenen Krieg zu meiden. Die inneren Verhältnisse des Kaiserstaates sind durch und durch so morsch und vom finanziellen Ruin durch fressen, daß ein Krieg gerade nur noch fehlte, nm die Auflösung zu beschleunigen. Zum Kriegführen gehört vor allen Dingen Geld, und ein Land, das ununterbrochen in der eklatantesten Geldklemme sich befindet, dessen Einnahmen die Ausgaben bei Weitem nicht mehr decken, welches ohne das Mittel eines außerordentlichen Credits kein Budget mehr aufstellen kann, ein solches Land hat vor Allem Grund, jeden gewaltigen Stoß zu vermeiden, der die lockeren Fu gen des Staatsgebäudes vollends auseinander sprengen müßte. Zu dem ist Oesterreichs Stellung zu den Nachbarstaaten keine Ver trauen erregende, mindestens nicht der Art, daß man auf Hilfe von auswärts hoffen dürfte. „Rom und Venedig" — diese Parole der italienischen Actionspartei, sanctionirt durch einen Beschluß des dor tigen Parlaments, lähmt seine Kraft und erfordert alle Anstrengung für einen Besitz, den es nur mit der Waffe in der Hand aufrecht erhalten kann. Ein Krieg mit Preußen würde das Signal des Aufstandes in Venetien sein. Frankreich steht Oesterreich schmollend gegenüber, denn das Scheitern der Vereinigung des Papstes mit Victor Emanuel, von Frankreich so eifrig betrieben, wird trotz aller Wiener Dementis auf Conto des österreichischen Einflusses am päpstlichen Stuhle ge- schrieben. Auf Rußland zu hoffen, wäre thöricht, denn hätte man in Petersburg auch die Erinnerung an die Haltung Oesterreichs wäh rend des Krimkrieges vergessen, so würde die letzte polnische Affaire hinlänglichen Grund geben, nicht mit einem Worte, geschweige mit der That Oesterreich beizustehen. Aber die deutschen Mittel- und Kleinstaaten? Wohl möglich, daß hier dieser und jener Staats mann sich mit der Idee tragen mag, Partei für Oesterreich zu neh men, aber unsers Erachtens würde die Bevölkerung wohl anderer Meinung sein. Die Bewohner der Mittel- und Kleinstaaten müssen nachgerade durch die bisherige Haltung des österreichischen Cabinets in der schleswig-holsteinischen Frage die Ueberzeugung gewonnen haben, daß Oesterreich sich ihrer nur bedient, um seine eigenen Zwecke zu erreichen. Die BiSmarck'schen Fußtritte und Faustschläge, welche wir während dieser Zeit erhielten, wurden immer in Ge meinschaft mit dem theuren „Alliirten" ausgeführt. Als preußische Brutalität das sächsische Militär aus Rendsburg verdrängte, al« die Bunde-truppen schließlich ganz au- Holstein gewiesen wurden, da ging Oesterreich stets Arm in Arm mit dem großen Staats mann an der Spree, mit welchem es sein Jahrhundert in die Schran ken zu fordern hoffte, bis es nun selbst hinein gerathen ist. Je mehr Herrn v. Bismarck der Kamm schwoll, je rücksichtsloser er gegen das übrige Deutschland sich geberdete, desto mehr freute sich Oesterreich, desto höhnischer lachte eS sich in'S Fäustchen, daß den Mittel- und Kleinstaate»» ihre Ohnmacht einmal so recht ack ocuios demonstrirt wurde. Und für dieses Oesterreich sollten wir uns jetzt erwärmen? Mit ihm sollten wir uns zu einem Kampfe ver binden, dessen Ende möglicherweise das Ende unserer Existenz sein würde? Nein, für so selbstmörderisch muß uns Oesterreich nicht halten. Zwar sagen österreichische Blätter: Herr v. Beust habe bei seiner jetzigen Anwesenheit in Wien der österreichischen Regie rung die ganze sächsische Armee zur Verfügung gestellt. Wir halten indeß diese Nachricht für nichts weiter, als einen frommen Wunsch österreichischer Zeitungsschreiber. Aehnliche Gründe treten uns bei Preußen entgegen; auch hier müßte der Geldpunkt die erste Rolle spielen. Zwar könnte man einwende»»: Herr v. Bismarck kümmert sich nicht um den Geld punkt; nach seinem Grundsätze: „wir werden Krieg führen mit oder ohne ihre Genehmigung", beseitigt er die Volksvertretung und ihre etwaige»» Einwendungen. Das mag wohl sein, indeß möge man nicht vergessen, dass Herr v. Bismarck diesen Grundsatz aufstellte, als er im Verein mit der Großmacht Oesterreich sich einem schwa chen Feinde gegenüber befand, von dem man nicht einmal Wider stand erwartete. Ganz anders liegen die Sachen heute, wo er einen ebenbürtigen Gegner vor sich hat. Zu einen» Kriege mit Oester reich würden aber Summen gehören, die Herr v. Bismarck ohne die Volksvertretung unter keinen Umständen auftreiben kann, und so populär auch ein Krieg gegen Oesterreich in Preuße»» sein möchte, diesem Ministerium wird kein preußisches Abgeordnetenhaus die erforderliche Anleihe bewilligen. Wer hierein Zweifel setzt, verkennt das preußische Volk. Durch langjährigen innern Kampf gestählt, hat es sich gleich einem ehernen Wall um sein verfassungsmäßiges Recht geschaart, und ehe dies ihm nicht zurückgegeben ist, wird es alle Mittel verweigern, womit der Feind seiner Freiheit weiteren Spielraum gewinnen könnte. Daß unter einem so eingefleischten Junker, wie Herr v. Bismarck, daran nicht gedacht werden kann, bedarf keiner Begründung. Wer einmal die „rohe Gewalt" al- obersten Regierungsgrundsatz proclamirt und diesen in allen Hand lungen zur Anwendung bringt, von dem wendet für immer die Göttin des „Rechtes" ihr verhülltes Antlitz. Aber ebenso isolirt von äußer»» Freunden wie Oesterreich ist auch Preußen, es müßte denn sein, daß Rußland Neigung fühlte, die BiSmarck'schen Liebesdienste während des polnischen Aufstandes zu vergelten. Doch würde ein Blick nach Westen genügen, um je- des russische Bündntß-zu verleiden. Gründe genug, um auch preu ßischer Seils einem blutigen Conflicte mit Oesterreich aus dem Wege zu gehen. — Aus all' diesem geht hervor, daß die Situation keine kriege rische ist. Wie es dabei um Schleswig-Holstein steht, davon in - nächster Nummer.